Das Medienjahr 2016 war geprägt vom US-Präsidentschaftswahlkampf. Kaum ein Ereignis hat so deutlich gezeigt, welche Macht sozialen Online-Plattformen für die politische Meinungsbildung zukommt. [...]
Diese müssen sich angesichts einer stetig steigenden Zahl von gezielten Falschnachrichten aber immer öfter dem Manipulationsvorwurf stellen. Ob Donald Trump erst durch Fake-Profile und Twitter Bots die Wahl für sich entscheiden konnte, wie einige vermuten, lässt sich zwar nicht mit Bestimmtheit sagen. Eines steht aber fest: Das Vertrauen der User wurde grundlegend erschüttert.
Datenspionage und Manipulationsvorwürfe
Social Media, das „Zauberwort“ der vergangenen Jahre, hat 2016 an Glanz verloren. Verantwortlich dafür waren nicht zuletzt eine ganze Reihe von Negativschlagzeilen, die Facebook, Twitter und Co etwa nicht für ihre innovativen Kommunikationsmöglichkeiten lobten, sondern als „Paradies für Cyber-Kriminelle“ oder als begehrter Umschlagplatz für den Sexhandel outeten. Angesichts dieser Entwicklung und der zunehmenden Angst vor einer allumfassenden Überwachung scheint es durchaus logisch, dass mittlerweile gut zwei Drittel aller Nutzer von sozialen Online-Netzwerken laut darüber nachdenken, ihre Accounts auf den einschlägigen Seiten zu schließen.
Mit der Angst vor Überwachung zeigt sich auch gleich ein zentrales Problem, mit dem viele Anbieter immer stärker zu kämpfen haben: Die User glauben Facebook und Co einfach nicht mehr, dass sie mit ihren persönlichen Daten möglichst vertrauenswürdig umgehen. Laut einer Umfrage von Rad Campaign fürchten inzwischen satte 96 Prozent der US-Bürger, dass sie ausspioniert werden, wenn sie derartige Webseiten nutzen.
Doch der Vertrauensverlust geht noch weiter: Obwohl Anbieter wie Facebook immer wieder beteuert hatten, entschieden gegen Fake-Profile vorgehen zu wollen, verschärfte sich dieses Problem 2016 zusehends. Im Fokus stand dabei vor allem der Vorwurf der Manipulation für Marketingzwecke – jeder fünfte Marken-Account soll mittlerweile gefälscht sein – oder die Beeinflussung der politischen Wahlentscheidung. Forscher der University of Oxford konnten sogar nachweisen, dass rund ein Drittel aller Tweets von Usern während einer wichtigen TV-Konfrontation von Hillary Clinton und Donald Trump von Bots gepostet worden war, um Stimmung für den republikanischen Kandidaten zu machen.
Hass-Postings: Rassismus und Antisemitismus
Heftige Kritik hagelte es für die sozialen Online-Medien auch in Bezug auf die Verbreitung von extremistischem und rassistischem Gedankengut. Hatte man es zunächst noch geschafft, dem sogenannten Islamischen Staat durch die Sperrung zahlreicher Konten auf Twitter einen wichtigen Propagandakanal zu entziehen, blieben entsprechende Vorstöße im Kampf gegen Rassismus anscheinend völlig wirkungslos. Laut einer Studie des Program on Extremism an der George Washington University sind Hass-Postings von Extremisten nämlich weiterhin weit verbreitet, und radikale Gruppen wie die American Nazi Party freuen sich über eine wachsende Zahl von Followern.
Eine völlig neue Dimension erreichte die Verbreitung von Hassmeldungen über soziale Medien allerdings erst im Zuge des US-Präsidentschaftswahlkampfs, der in punkto Rhetorik wohl mit einer noch nie dagewesenen Härte und Brutalität in die Geschichte eingehen wird. Neben eindeutig rassistischen Nachrichten waren es dabei vor allem die jüdischen Bürger der USA, die als Angriffsziel Nummer eins herhalten mussten. Auf Twitter wurde mit 2,6 Mio. entsprechenden Hass-Postings, die geschätzte zehn Mrd. Mal weitergeteilt worden sind, ein neuer Negativrekord in Sachen antisemitischer Übergriffe aufgestellt.
Sexismus im Netz und in der Werbung
Um gleich bei Twitter zu bleiben: Auch in Sachen Frauenfeindlichkeit scheint das Mikro-Blogging-Portal ein ernstes Problem zu haben – und das, obwohl Twitter-CEO Dick Costello 2015 bereits angekündigt hatte, frauenfeindlichen Tweets auf seiner Plattform den Kampf anzusagen. Der Erfolg ist allerdings ausgeblieben, wie eine Studie des britischen Think Tanks aufzeigen konnte. Demnach wurden auf der Plattform allein zwischen April und Mai 2016 von 1,5 Mio. Usern Postings eingestellt, in denen Wörter wie „Schlampe“ oder „Hure“ vorkamen.
Übertroffen wird diese Häufigkeit von sexistischen Inhalten wohl einzig und allein von der Werbebranche, in der es im Laufe des vergangenen Jahres immer wieder zu einschlägigen Zwischenfällen und handfesten Skandalen gekommen ist. So traf es beispielsweise den Softdrinkriesen Coca-Cola, der sich mit seiner „Brutally refreshing“-Kampagne einen handfesten Shitstorm einfing, weil sich viele Konsumenten von der darin verwendeten „brutalen, frauenfeindlichen Tonart“ abgestoßen fühlten.
Ähnlich erging es auch der Modekette Jack & Jones, die mit einer Werbung mit dem indischen Schauspieler Ranveer Singh auf sozialen Plattformen für Empörung sorgte. Zu sehen war, wie dieser eine im Business-Outfit bekleidete junge Frau auf seiner Schulter trägt. Darunter der Slogan: „Halte dich nicht zurück. Nimm deine Arbeit mit nach Hause.“ Aufgrund massiver Kritik sah sich die Bekleidungsmarke schließlich gezwungen, die Reklame wieder zurückzuziehen.
Kunterbunte Welt der Smartphone-Apps
Last but not least lohnt sich noch ein Blick in die kunterbunte Welt der Apps. Die kleinen Programme sind nach wie vor ungemein beliebt bei der Nutzerschaft. Aufgrund der enormen Fülle des inhaltlichen Angebots kommt es aber immer öfter vor, dass eine heruntergeladene App lediglich ein einziges Mal verwendet und dann sofort wieder gelöscht wird, wenn ein Nutzer mit ihrer Qualität nicht zufrieden ist. Letztere scheint insgesamt kontinuierlich abzunehmen, wie eine Umfrage von F5 Networks aufgezeigt hat.
Die kaum noch zu überschauende Angebotspalette in den diversen App Stores hat dabei auch 2016 wieder einige interessante Produkte hervorgebracht: Vom kurzen, aber starken Hype um das Handyspiel „Pokémon Go“ über eine „digitale Sonnencreme“, eine Rekrutierungs-App der katholischen Kirche oder einer Aufklärungs-App für indische Frauen waren der Ideenvielfalt kaum Grenzen gesetzt.
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