SAP Extended Warehouse Management: Separat einführen oder mit SAP S/4HANA?

Bis 2025 läuft bei SAP die Wartung für die Komponente Warehouse Management (WM). Eigentlich noch eine lange Zeit. Dennoch sollten sich Unternehmen aller Größen schon jetzt Gedanken machen, ob sie den Nachfolger SAP Extended Warehouse Management (SAP EWM) separat einführen oder gleich auf SAP S/4HANA mit dem bereits integrierten EWM-Modul setzen. Der folgende Beitrag zeigt verschiedene Kriterien auf, die Unternehmen bei dieser Entscheidung unterstützen. [...]

SAP Extended Warehouse Management (SAP EWM) zeichnet sich durch erweiterte Funktionalitäten aus und ist – im Gegensatz zum Warehouse Management (WM) – Teil der Supply Chain Execution Plattform (SCE) von SAP. Neben klassischen Funktionalitäten, die zur individuellen Strukturierung und Steuerung von Lagern benötigt werden, stehen mit diesem Modul Instrumente für die strategische Platzierung des Lagers innerhalb der Lieferkette zur Verfügung. Langfristig wird SAP Extended Warehouse Management das zentrale Lagerverwaltungssystem von SAP sein. Dafür spricht die Integration in die Business Suite SAP S/4HANA sowie die hohe Entwicklungsdynamik des Systems. Im Gegensatz zu dem Modul Warehouse Management wird SAP Extended Warehouse Management aktiv weiterentwickelt.

SAP EWM – integriert, separat oder gar nicht?

Mit der Entscheidung, die Wartung der unter Warehouse Management (WM) liegenden Plattform SAP ECC 6.0 enden zu lassen, erspart SAP allerdings vielen Unternehmen die Entscheidung, ob sie umstellen oder nicht. Spätestens in neun Jahren, muss die Einführung von SAP EWM ohnehin erfolgt sein. Trotzdem: Unternehmen sollten sich jetzt entscheiden, ob sie SAP EWM als separates System nutzen oder als integriertes Modul von SAP S/4HANA. Für die, die bereits mit der Umstellung kritischer Geschäftsprozesse auf die SAP HANA-Datenbank begonnen haben, scheint der Weg klar vorgegeben. Denn laut SAP ist die Performance von SAP EWM in Verbindung mit SAP S/4HANA noch besser. Für Unternehmen, die jetzt erst Überlegungen pro oder contra SAP S/4HANA anstellen, spielen sicherlich die Kosten der Umstellung eine große Rolle. Ob mit oder ohne SAP S/4HANA, grundsätzlich stellt sich die Frage, ob SAP ERP und SAP Extended Warehouse Management mit dem gleichen Quellsystem und auf einer Plattform überhaupt sinnvoll sind. Das ist zu einem Großteil abhängig davon, welche Rolle die Logistik in diesem Unternehmen spielt. Denn damit verbunden sind die Ziele, die mit Hilfe der Lagermanagement-Software erreicht werden sollen, beispielsweise höhere Auftragserfüllungsraten, mehr Produktivität oder kürzere Pickzeiten. Bei den Überlegungen, ob integriertes oder separates Lagerverwaltungssystem, ist also die Unternehmensgröße erst einmal weniger wichtig. Die folgenden vier Hauptkriterien helfen Unternehmen dabei, die richtige Entscheidung zu treffen.

1. Lagergröße und Automatisierungsgrad
Bei der Entscheidung, ob integriertes oder separates Lagerverwaltungssystem, spielt die Unternehmensgröße erst einmal eine eher untergeordnete Rolle. Viel wichtiger ist der Blick auf die tatsächliche Größe und Komplexität der Lagerverwaltung. Wird ein zentrales Logistikzentrum 24/7 mit einem hohen Automatisierungsgrad betrieben, macht beispielsweise ein integriertes Lagerverwaltungssystem wenig Sinn. In diesem Fall ist es empfehlenswert, Systeme mit geplanten höheren Ausfallzeiten auf unterschiedlicher Hardware laufen zu lassen. Das hat den Vorteil, dass das Lager auch bei regelmäßigen Wartungen des zweiten Systems, zum Beispiel beim Einspielen von Updates, weiterlaufen kann. Getrennte Plattformen machen beide Systeme unabhängig von Störeinflüssen. SAP Extended Warehouse Management kann eigenständig arbeiten, muss aber regelmäßig mit aktuellen Bewegungsdaten, zum Beispiel An- und Auslieferungen, sowie mit neuen Stammdaten wie Material- und Kundenstämmen versorgt werden. Diese Informationen aus dem ERP-System bilden den Arbeitsvorrat, den die Lagerverwaltungssoftware abarbeitet.

2. Unternehmens- und Systemlandschaft
Erfahrungsgemäß sind die Systemlandschaft und die Unternehmensstrategie weitere wichtige Kriterien bei der Entscheidung pro oder contra integriertes Warehouse Management. Sind beispielsweise mehrere ERP-Systeme im Einsatz oder ist in Kürze ein Merger bzw. ein Unternehmenskauf geplant, ist es wenig sinnvoll, das Lagermanagement nur an eines der vorhandenen ERP-Systeme zu koppeln. Käme dann ein weiteres ERP-System ins Spiel, wäre eine integrierte Konstellation mit SAP EWM erst nach der Zusammenführung der ERP-Systeme denkbar. Gleiches würde gelten, wenn die gesamte Warenlogistik an einen Dienstleister ausgelagert ist oder in absehbarer Zeit ausgelagert wird. Der Dienstleister sollte dann nur Zugriff auf die Daten und Prozesse haben, die für seine Leistungen von Bedeutung sind. Es ist also eine weitreichende Entscheidung, ob der Dienstleister mit dem eigenen Lagerverwaltungssystem arbeitet oder mit dem des Auftraggebers. Im letzteren Fall ist ein separates Lagermanagement auf einer externen Plattform empfehlenswert.

3. Anforderungen an die Logistik
Sind die Anforderungen an das Lager hoch, wie zum Beispiel bei Hochleistungsanlagen im eCommerce, oder ist aufgrund der fehlenden Modernisierung der Telegrammsprache (Soft-Retrofit) die direkte Anbindung einer Automatikanlage an die Lagerverwaltung nicht realisierbar, ist das ein Kriterium für die Nutzung des SAP-EWM-Systems in Teilen. Hier gilt die Blackbox-Indikation: SAP Extended Warehouse Management weiß nur, dass es ein Lager im Hintergrund gibt und kennt die Bestände, weiß aber nicht, wo genau sie liegen. Eine mögliche Lösung ist daher die Integration mit einem Fremdsystem, welches detaillierte Informationen über Warenbestand und Lagerplätze hat, und die notwendigen Schritte an die jeweiligen Ressourcen kommuniziert. SAP Extended Warehouse Management gibt vor, was aus dem Lager benötigt wird. Das Fremdsystem kümmert sich um die Ermittlung der Lagerplätze, die notwendigen Lagerbewegungen, die Steuerung der Förderfahrzeuge sowie den gesamten Materialfluss.

Handelt es sich hingegen um ein Produktionslager im normalen Zweischichtbetrieb, spricht das eher für SAP Extended Warehouse Management als in SAP S/4HANA integrierte Anwendung. Insbesondere Unternehmen, für die logistische Prozesse keine strategische Bedeutung haben, können von nur einem System profitieren. Aufträge müssen nicht gespiegelt, Stammdaten nicht doppelt vorgehalten werden, und es ist kein Schnittstellenaustausch erforderlich. Jedes zusätzliche System bedeutet hier eine weitere Landschaft, ein weiteres Entwicklungs-, Qualitätssicherungs- und Produktivsystem, was mit hohem Zeit- und Pflegeaufwand verbunden ist.

4. Zeitpunkt, Reihenfolge und Vorgehen
Ist die Entscheidung gefallen, dass auf SAP S/4HANA umgestellt werden soll, geht es in die tiefere System- und Prozessanalyse. Ist ein Unicode-fähiges System vorhanden? Falls nein, an welchen Anwendungen und kundenspezifischen Implementierungen müssen dann Änderungen vorgenommen werden? Prüfreportprogramme von SAP können diese Umstellung beschleunigen. Ist die Unicode-Fähigkeit sichergestellt, geht es darum zu überlegen, wann und in welcher Reihenfolge SAP S/4HANA und/oder SAP EWM eingeführt werden.

Bei einem Großunternehmen mit 500 Warehouse-Management-Lagern ist beispielsweise Schnelligkeit und eine genaue Planung angesagt. Eine klassische Umstellung ist meist innerhalb zwei Monaten möglich – von der ersten Projektphase bis zum Go-Live. Sehr komplexe Lager können in der Regel innerhalb von zwölf Monaten auf SAP S/4HANA und SAP Extended Warehouse Management umgestellt werden. Dabei schlägt nicht nur der Aufwand für die technische Umstellung zu Buche, sondern auch die Anpassung bestehender Prozesse an die neuen Möglichkeiten. Die Reihenfolge muss ebenfalls wohlüberlegt sein. Besteht zum Beispiel eine hohe Dringlichkeit, das Lagermanagement zu implementieren, sollte die Einführung beider System nicht zeitgleich vonstattengehen. Am besten wird SAP Extended Warehouse Management zunächst an das Alt-ERP-System gekoppelt. Die Umstellung auf SAP S/4HANA erfolgt dann erst später.

Fazit: SAP S/4HANA – langfristig wohl die beste Lösung
Laut einer aktuellen Studie „SAP S/4HANA – Ziele, Einführungsstrategien und Bedenken deutscher SAP-Anwender“ haben 41 Prozent der befragten 100 IT-/SAP-Verantwortlichen konkrete Pläne für die Einführung von SAP S/4HANA in den nächsten Jahren. 34 Prozent sind noch unsicher und diskutieren den Schritt. Für ein Viertel der Teilnehmer ist die Einführung des Systems heute noch überhaupt kein Thema. Langfristig wird jedoch wohl kein Unternehmen an einer Umstellung auf SAP S/4HANA vorbeikommen. Das Überführen weiterer Module der gesamten SCE-Plattform auf SAP S/4HANA ist bereits absehbar. Dieser Druck bietet jedoch auch eine Chance, die Unternehmen nutzen sollten: Sich konkret mit den Vor- und Nachteilen der In-Memory-Plattform und ihrer Module bzw. Funktionen auseinanderzusetzen und einen detaillierten Umstellungsplan zu entwickeln.

Checkliste: Der richtige Weg zum Dreamteam „SAP S/4HANA und SAP EWM“
Unternehmen sollten ihre Ziele, Prozesse und Systemlandschaften genau unter die Lupe nehmen und folgende Fragen beantworten, bevor sie ein Umstellungsprojekt beginnen:

  • Wann ist der optimale Zeitpunkt für die Umstellung?
  • Wie lange benötige ich dafür?
  • Sind die technischen Voraussetzungen gegeben?
  • Wie sieht meine Ziellandschaft aus?
  • Welche Anforderungen an das Warehouse Management habe ich?
  • Ist die Integration von SAP ERP und SAP EWM überhaupt sinnvoll?
  • Führe ich die Systeme nacheinander oder gleichzeitig ein?
  • Welche Schnittstellen sind erforderlich?
  • Sind Auslagerungen an Dienstleister geplant?
  • Stimmen Unternehmensziel und System-Konstellation überein?


*Matthias Ebert ist Senior Consultant SAP Logistics bei der cellent AG. Der Artikel ist aus der Zeitschrift S@pport.


Mehr Artikel

Die Teilnehmer des Roundtables (v.l.n.r.): Roswitha Bachbauer (CANCOM Austria), Thomas Boll (Boll Engineering AG), Manfred Weiss (ITWelt.at) und Udo Schneider (Trend Micro). (c) timeline/Rudi Handl
News

Security in der NIS2-Ära

NIS2 ist mehr ein organisatorisches Thema als ein technisches. Und: Von der Richtlinie sind via Lieferketten wesentlich mehr Unternehmen betroffen als ursprünglich geplant, womit das Sicherheitsniveau auf breiter Basis gehoben wird. Beim ITWelt.at Roundtable diskutierten drei IT-Experten und -Expertinnen über die Herausforderungen und Chancen von NIS2. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*