Anlässlich der TechEd 2021 hat SAP neue Tools für seine Entwickler-Community vorgestellt. Das reicht von ABAP-Umgebungen für Profis bis hin zu Low-Code-/No-Code-Werkzeugen für Anwender in den Fachabteilungen. [...]
SAP ist nach wie vor viel damit beschäftigt, Lücken zu schließen und Brücken zu bauen – zwischen der althergebrachten On-Premises-Softwarewelt und dem neuen Cloud-Kosmos mit der mittlerweile auch schon wieder fast sieben Jahre alten Softwaregeneration S/4HANA. Das machten die Ankündigungen auf der virtuell abgehaltenen Entwicklerkonferenz TechEd Mitte November deutlich. Vieles drehte sich um zusätzliche Tools und neue Lernangebote, um Kunden und vor allem Entwicklern den Weg in SAPs Cloud-Welt zu bahnen.
Die Stoßrichtung der SAP-Strategie zielt eindeutig in Richtung Cloud. Daraus machen die Verantwortlichen des größten deutschen Softwareherstellers kein Geheimnis. „Weltweit liegt die Zukunft für unsere Kunden und Partner in der Cloud“, sagte SAPs Chief Technology Officer (CTO) Jürgen Müller in seiner Keynote zum Auftakt der TechEd. Nun fragen sich allerdings viele Anwenderunternehmen, die ihre SAP-Lösungen klassisch im eigenen Rechenzentrum betreiben, was das für sie bedeutet.
In einer an die Keynote anschließenden Session erhielt die Frage eines Teilnehmers, ob SAPs On-Premises-Kunden von der Innovation abgeschnitten würden, den meisten Zuspruch. Zuschauer konnten für die eingebrachten Fragen live voten. Die Antwort der SAP-Manager – ausweichend: Müller räumte ein, dass der Großteil der SAP-Innovationen in der Cloud passiere. Sein Vorstandskollege Thomas Saueressig, verantwortlich für das Product Engineering, sprach von einem „Cloud-First-Approach“ und verwies darauf, dass die Innovationsgeschwindigkeit in der Cloud schließlich viel höher sei.
SAP TechEd 2021: Neue Tools für Entwickler
Dass die Reise der Kunden in die Cloud nicht einfach sei, ist aber auch dem SAP-Management klar. Die Kunden starteten von unterschiedlichsten Ausgangspunkten, konstatierte Saueressig. Während die einen erstmal 150 SAP-Systeme harmonisieren und konsolidieren müssten, machten andere reinen Tisch und vollzögen mit einem Greenfield-Ansatz einen Neustart in der Cloud. Eines gelte jedoch für alle Anwenderunternehmen, machten die SAP-Manager unmissverständlich klar: Eine rein technische Migration sei wenig hilfreich. Vielmehr sollten die Kunden das mit Cloud-Migration verbundene Innovationspotenzial heben und ihre digitale Transformation vorantreiben.
Schlüssel dafür sind unter anderem die Entwickler. Diese will SAP mit einer Reihe neuer Tools unterstützen. Beispielsweise stellte der Konzern eine ABAP-Entwicklungsumgebung vor, mit deren Hilfe Entwickler Erweiterungen direkt in der S/4HANA–Cloud bauen könnten. CTO Müller sagte, mit der Unterstützung von ABAP in der Cloud schließe man die letzte Lücke zwischen On-Premises-Systemen und der Cloud. Das SAP S/4HANA Cloud ABAP Environment basiert auf einem internen Projekt namens „Steampunk“, weshalb das Entwicklungs-Tool für die Cloud SAP-intern auch als „Embedded Steampunk“ bezeichnet wird.
Rich Heilman, Sprecher von SAPs weltweiter Entwicklergemeinde, betonte, dass es mit Embedded Steampunk nun möglich sei, benutzerdefinierten Code in ABAP auf dem S/4HANA-Public-Cloud-System zu erstellen. Entwickler könnten Daten direkt aus S/4-Datenbanktabellen auswählen, S/4 Core Data Services Views verwenden oder lokale S/4-APIs aufrufen. Heilman verwies aber auch auf die Grenzen der neuen ABAP-Entwicklungsumgebung für die Cloud. „Das ist nicht das klassische Freestyle-ABAP, das man von On-Premises-Systemen her kennt.“
Für SAP geht es an dieser Stelle darum, klare Grenzen zu ziehen und den Softwarekern sauber zu halten. Erweiterungen sollen separat angeflanscht und per APIs mit anderen Softwareservices und Datenquellen verbunden werden. So sollen ABAP-Entwicklungen jederzeit upgradefähig bleiben und neuer Wildwuchs in der Cloud vermieden werden. Gerade in der alten On-Premises-Welt haben ABAP-Entwickler oft tief in den Quellcode der SAP eingegriffen. Dieses Customizing ist für viele Anwender heute ein großes Hindernis beim Umzug in die Cloud.
Neben dem neuen Tool für Entwicklungsprofis hat SAP Werkzeuge für die Low-Code-/ No-Code-Entwicklung vorgestellt. Damit sollen auch weniger erfahrene SAP-User in den Fachabteilungen befähigt werden, Anwendungen zu entwickeln. Basis dafür bildet die Business Technology Platform (BTP). Aufbauend auf seiner Integrationsplattform hat SAP neue Low-Code-Funktionen für das SAP Business Application Studio vorgestellt. Darüber hinaus will der Softwarehersteller seinen Kunden über die Werkzeuge des zugekauften Tool-Anbieters AppGyver No-Code-Entwicklung und -Automatisierung ermöglichen. Bestehende Apps ließen sich damit verbessern und komplexe Aufgaben automatisieren, verspricht der Anbieter. AppGyver sei mittlerweile vollständig in SAP integriert. Allerdings soll das Tool auch in Zukunft für Nutzer anderer Anwendungen zur Verfügung stehen.
Um Entwicklern den Einstieg in die BTP leicht zu machen, will SAP kostenlose Testumgebungen anbieten. Damit kommt der Konzern den Wünschen seiner Kunden entgegen. Die Deutschsprachige SAP Anwendergruppe (DSAG) fordert seit langem, SAP müsse Testinstanzen einfach und kostenlos bereitstellen, damit Nutzer mit den neuen Möglichkeiten experimentieren könnten, ohne dafür gleich Lizenzen kaufen zu müssen. „Wir haben zugehört“, sagte Müller. Auch wenn es eine ganze Weile gedauert hat, bis das Anliegen der Kunden in Walldorf erhört wurde.
TechEd 2021: Brücken für die Kunden
Auch an anderer Stelle baut SAP Brücken für seine Kunden. Zur TechEd hat der Anbieter eine neue Version der SAP Integration Suite vorgestellt. Die Integrationsebene der SAP BTP bietet über den SAP API Business Hub vorkonfigurierte Inhalte und Adapter für die Integration von SAP-Applikationen und Anwendungen von Drittanbietern. Ab Ende 2021 soll die SAP Integration Suite zusätzlich für die Google Cloud Platform verfügbar sein. Außerdem hat SAP neue Möglichkeiten vorgestellt, um Migrationen von On-Premises-SAP-BW-Systemen in das Cloud-Data-Warehouse von SAP zu vereinfachen. On-Premises-Erweiterungen des Business Warehouse sollen sich leichter mit in die Cloud nehmen lassen. Darüber hinaus will SAP mehr direkt in Anwendungen integrierte KI-Funktionen bereitstellen, um Unternehmen bei Entscheidungen zu unterstützen.
Insgesamt braucht es mehr Entwickler, um Anwenderunternehmen dabei zu helfen, die neuen Möglichkeiten in der Cloud zu heben. Davon sind die SAP-Verantwortlichen überzeugt. CTO Müller verwies anlässlich der TechEd auf den sich weiter verschärfenden Fachkräftemangel und berief sich dabei auf IDC-Zahlen. Demzufolge werden 2025 weltweit vier Millionen Entwickler fehlen – aktuell sind es 1,4 Millionen. SAP will dem entgegenwirken und seinen Kunden neue Lernwerkzeuge an die Hand geben, um ihre Mitarbeiter zu befähigen, mehr aus den SAP-Systemen herauszuholen. „Wir stellen unser Lernangebot auf den Kopf“, versprach Müller. So viele Menschen wie möglich sollen sich kostenlos SAP-Know-how aneignen können. Starten will der Konzern mit sieben Kursen zur Business Technology Platform (BTP).
SAP bringt zudem eine neue SAP-Learning-Webseite an den Start. Ein simples, intuitives Design soll einfacheres und schnelleres Lernen in wichtigen Innovationsbereichen erlauben. Die Plattform biete SAP zufolge ein umfassendes Spektrum an Lerninhalten, die in verschiedenen Formaten verfügbar sind: von geleiteten Lektionen über praktische Schulungen bis hin zu Microlearning-Videos.
*Martin Bayer: Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP; Betreuung von News und Titel-Strecken in der Print-Ausgabe der COMPUTERWOCHE.
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