Der von der Wirtschaft vielfach monierte Mangel an Arbeitskräften mit adäquaten MINT-Fertigkeiten ist auf schlechte Löhne zurückzuführen, nicht auf Mängel im Bildungssystem. Dieser Ansicht ist der Volkswirt Thijs van Rens von der britischen University of Warwick. [...]
„US-Daten zeigen, dass marktübliche Gehälter die relative Nachfrage nach verschiedenen Fähigkeiten nicht widerspiegeln“, erklärt der Experte. Dieses Problem betrifft ihm zufolge auch kommunikative Soft Skills. Da technische und naturwissenschaftliche Fertigkeiten kaum adäquat bezahlt werden, landen zudem eigentlich hochqualifizierte Kräfte letztlich oft in der Finanzbranche.
Der MINT-Fachkräftemangel ist ein seit Jahren vielzitiertes Schlagwort. Oft werden Defizite im Bildungswesen als Ursache genannt, doch das stimmt van Rens zufolge nicht. „Unternehmen klagen über den Mangel an Kräften mit MINT-Fähigkeiten, sind aber nicht gewillt, die Löhne für diese Arbeitskräfte anzuheben“, so das Ergebnis seiner Analyse der Situation in den USA.
Ein weiteres Problem ist, dass gleichzeitig die Löhne für wenig gefragte Fertigkeiten nicht sinken. Der Erwerb von MINT-Skills zahlt sich für Arbeitskräfte also eigentlich nicht aus – und eben das ist dem Volkswirt zufolge die eigentliche Ursache des MINT-Fachkräftemangel. Verschärfend kommt demnach noch hinzu, dass sich Fachkräfte mit auf dem Arbeitsmarkt effektiv finanziell unterbewerten Fertigkeiten sich nach lohnenderen Job-Alternativen umsehen.
„Während sich Unternehmen über einen Mangel an qualifizierten Physikern und Ingenieuren auf dem Arbeitsmarkt beschweren, arbeiten sehr viele Absolventen solcher Fächer im Finanzsektor“, erklärt van Rens. Dort nutzen die Fachkräfte ihre MINT-Fertigkeiten zwar nur sehr begrenzt, verdienen aber besser. „Universitäten zu ermuntern, mehr Physiker und Ingenieure auszubilden, wird nichts bringen, wenn die zusätzlichen MINT-Absolventen sich nach Jobs bei Investmentbanken umsehen.“ (pte)
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