„Screen-Time kann persönlichen Kontakt nicht ersetzen“

Homeoffice forever ist für Patrik Lundberg, CEO von Parkster, keine Lösung. Der Anbieter von Handy-Parken wurde eben als Great Place to Work ausgezeichnet. [...]

Patrick Lundberg, CEO Parkster: "Wir sind ein digitales Unternehmen. Aber wir unterliegen nicht der Illusion, dass sich soziale Kontakte nur virtuell abbilden lassen." (c) Parkster

Wie haben sich die Arbeitsbedingungen im Zuge der Corona-Pandemie verändert?

Patrik Lundberg: Wir waren im Frühjahr 2020 in der komfortablen Situation, dass wir auf eine leistungsstarke Mobile-Office-Infrastruktur für unser Team zurückgreifen konnten. Insofern blieben die Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen, was interne Arbeitsabläufe und Prozesse betrifft, funktional betrachtet überschaubar.

Also alles eitel Sonnenschein?

Lundberg: Nein. Wir sind ein junges Team und in unserer schwedisch geprägten Unternehmenskultur ist uns das soziale Miteinander sehr wichtig. Das gehört mit zu unserer DNA. Natürlich haben wir viele persönliche Begegnungen vermisst, sei es hier im Team vor Ort oder mit den Kolleginnen und Kollegen im Headquarter in Lund. Sie können viel digital machen, aber nichts kann den Face-to-Face-Kontakt ersetzen. Daher war das letzte Jahr für uns immer ein Spagat: Wann, ob und wie treffen wir uns live im Team, wann virtuell in Teams? Sicherheitshalber haben wir unser deutsches Headquarter sehr früh mit CO2-Messgeräten sowie Luftreinigungsgeräten mit HEPA-H14-Filtern ausgestattet und strenge In-Office-Verhaltensregeln wie das Tragen von FFP2-Masken implementiert. Beispielhaft für weitere Maßnahmen möchte ich an der Stelle zusätzlich PCR-Tests für Urlaubsrückkehrer nennen.

Wie hat sich die Pandemie auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

Lundberg: Am stärksten war unser Vertrieb betroffen. Als Anbieter von Handy-Parken standen und stehen wir täglich vor der Herausforderung, Städte und Gemeinden über digitale Kommunikations- und Vertriebswege von unserer Lösung zu überzeugen. Ein Beispiel: Zur Not schicken wir leihweise ein vorkonfiguriertes iPad an potenzielle kommunale Interessenten, um in einem Web Call unsere Lösung vorstellen zu können. Das ist aber die Ausnahme, nicht die Regel. Oder anders gesagt: Wir finden im Vertrieb, was den Grad der Digitalisierung in Städten und Kommunen angeht, ein sehr breit gefächertes Bild vor.

Wie erhalten Sie Ihre Arbeits-, Team- und Führungskultur?

Lundberg: Ich sehe Rücksichtnahme als ersten und wichtigsten Schritt für eine erfolgreiche Arbeits-, Team- und Führungskultur unter dem Vorzeichen von COVID-19. Nicht jeder und nicht jede kommt mit den Veränderungen und Einschränkungen gleich gut zurecht, empfindet die Situation in gleichem Maße belastend. Umso wichtiger ist es, gerade in einer solchen Ausnahmesituation die Menschen hinter den Beschäftigten zu sehen. Ich glaube, wir haben da im Jahr eins der Pandemie bisher einen ganz guten Job gemacht. Es mag klischeehaft klingen: Aber zu unserer schwedischen Unternehmenskultur gehört auch, dass wir gerne miteinander feiern und Teamharmonie und Work Life Balance für uns traditionell einen hohen Stellenwert haben.

Wir begannen daher sehr früh damit, virtuelle Treffen und Events aufzusetzen, bei denen es nicht vorrangig um das Abarbeiten von Projektplänen und Tasks geht, sondern in erster Linie um das Teambuilding, den persönlichen Austausch, der sonst an der Kaffeemaschine, beim gemeinsamen Mittagessen oder an der Tischtennisplatte stattfindet. Wir machen das lokal, aber auch zusammen mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Schweden.

Ersetzt das wirklich das Face-to-Face-Miteinander?

Lundberg: Bei allem Optimismus und Offenheit für virtuelle Alternativen würde ich sagen: Nein, das kann es nicht. Zumindest haben wir noch nie virtuell via App miteinander Tischtennis gespielt und verbringen so auch nicht gemeinsame Mittagspausen. Ganz klar: Das fehlt uns. Dafür können wir als Erfolg verbuchen, dass wir mit unserer Mobile-Office-Infrastruktur und den strengen COVID-19-In-Office-Verhaltensregeln bislang vom Pandemiegeschehen nicht negativ tangiert waren und noch keine Infektionsfälle im Unternehmen verzeichnen mussten. Dazu gehört zugegebenermaßen auch Glück, wir haben das letztlich nicht allein in der Hand. Wir können aber unser Bestes dafür tun, Risiken zu minimieren und uns bemühen, die mit der Pandemie verbundenen Belastungen für unser Team möglichst gering zu halten. Wenn uns das gelingt, ist bereits viel erreicht.

Ihre Prognose für Post Corona: Was wird bleiben und wie werden wir zu gewohnten Kommunikationsformen und Arbeitsweisen zurückkehren?

Lundberg: Ich wäre vorsichtig, pauschal das Hohelied auf „Alles findet künftig online statt!“ zu singen. Die Pandemie hat uns auf die harte Tour vor Augen geführt, dass nicht jede Geschäftsreise tatsächlich erforderlich ist. Als positiver Nebeneffekt ist dabei zu verbuchen, dass sich Web Conferencing Tools pandemiebedingt in einer Geschwindigkeit und in einem Durchdringungsgrad branchenübergreifend etabliert haben, wie es wohl kaum eine noch so teure Marketingkampagne geschafft hätte. Nichtsdestotrotz sollten wir den Faktor Mensch nicht unterschätzen.

Alle künftig im Homeoffice? Ich glaube: Nein, das ist nicht die Zukunft. Screen-Time kann den persönlichen Kontakt, das emotionale Miteinander im Team, nicht ersetzen. Ich glaube, das wird den Wünschen und Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht gerecht. Die Pandemie ist dahingehend ein Game Changer, dass Themen wie Präsenzpflicht versus Mobile Office & Homeoffice künftig in vielen Unternehmen viel freier, viel diskussionsoffener angegangen werden, angegangen werden müssen – will man bei der Search for Talents nicht das kurze Ende ziehen.

Bis wann wird uns die Pandemie noch beschäftigen?

Lundberg: Ich rechne damit, dass wir – gesamtgesellschaftlich gesprochen – die Auswirkungen der Pandemie noch bis mindestens Ende 2022 spüren werden. Ich vermute, wir werden bis dahin auf der einen Seite einen Prozess des Zurückfallens in alte Verhaltens- sowie Kommunikationsmuster sehen – und auf der anderen Seite Unternehmen, die aus vordergründigen Kosteneinsparungen heraus die Digitalisierungsschraube eher überdrehen.

Für uns als Parkster kann ich sagen, dass es uns sehr wichtig ist, in der Post-COVID-19-Ära zu eine Arbeitsnormalität zurückzukehren, die auch die sozialen Bedürfnisse nach Nähe und Miteinander der Angestellten berücksichtigt. Wir sind ein digitales Unternehmen. Aber wir unterliegen nicht der Illusion, dass sich soziale Kontakte nur virtuell abbilden lassen. Wir waren 2020 sehr erfolgreich und haben das im Team virtuell so weit wie möglich abgefeiert. Aber ich spüre auch, dass wir im Team das Bedürfnis haben, das auch im Real Life nachzuholen. Und ich verspreche: Das werden wir tun!

*Alexandra Mesmer: Karriere und Management in der IT ist ihr Leib- und Magenthema – und das seit über 20 Jahren. Langweilig? Nein, sie entdeckt immer neue Facetten in der IT-Arbeitswelt und im eigenen Job. Sie recherchiert, schreibt, redigiert, moderiert, plant und organisiert.


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