SEMANTiCS 2019: Vier Beispiele für die Anwendung semantischer KI

Im Vorfeld der SEMANTiCS 2019, die vom 9.-12. September in Karlsruhe stattfindet, stellen vier international renommierte Wissenschaftler zukunftsträchtige Anwendungsbeispiele Semantischer Künstlicher Intelligenz vor. [...]

Die SEMANTiCS findet vom 9.-12.9.2019 inKarlsruhe statt. Somit haben die Besucher auch die Möglichkeit, die Schlosslichtspiele (8.8.-15.9.2019) zu sehen.
Die SEMANTiCS findet vom 9.-12.9.2019 inKarlsruhe statt. Somit haben die Besucher auch die Möglichkeit, die Schlosslichtspiele (8.8.-15.9.2019) zu sehen. (c) SEMANTiCS /SA ARTIS-Uli Deck

Der Umgang mit großen Datenmengen ist die zentrale Herausforderung für Unternehmen und Institutionen. Dazu gehört die Auseinandersetzung mit semantischer künstlicher Intelligenz. Nachfolgend vier erfolgversprechende Beispiele für die Anwendung semantischer KI.

Wissensgraphen für an Demenz erkrankte ältere Menschen

Valentina Presutti, Semantic Technology Laboratory des Nationalen Forschungsrates (CNR) in Rom (c) SEMANTiCS

Valentina Presutti, Semantic Technology Laboratory des Nationalen Forschungsrates (CNR) in Rom beschreibt ihre Anwendungsbeispiel folgendermaßen: „Einer meiner spannendsten und bewegendsten Anwendungsfälle ist die Behandlung von älteren Menschen mit Demenz. Wir wollen ihnen helfen, die Degeneration kognitiver Fähigkeiten, beispielsweise ihres Erinnerungsvermögens, zu verlangsamen. Die Situationen der Erkrankten haben mich sehr berührt – sie wünschen sich so sehr, ihre Erinnerungen zu behalten, um die gemeinsame Zeit mit ihren Lieben nicht zu vergessen. In Zusammenarbeit mit Psychologen und Ärzten haben wir personalisierte Wissensgraphen entwickelt. Diese sind mit Multimedia-Inhalten wie Fotos und Liedern verbunden, die der Roboter verwendet, um mit den Patienten zu interagieren und ihnen zu helfen, sich an Orte, Menschen, Ereignisse usw. zu erinnern. Auch wenn es noch ein langer Weg ist, bis diese Art von Anwendungen reibungslos funktionieren, stieß der von uns entwickelte Prototyp auf sehr gute Resonanz. Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich merke, dass meine Arbeit wirklich Leben verändern und Menschen, die schon die Hoffnung aufgegeben hatten, glücklich machen kann.“

Big Data im Gesundheitswesen

Volker Tresp, Distinguished Research Scientist bei Siemens (c) SEMANTiCS

Volker Tresp, Distinguished Research Scientist bei Siemens: „KIAnwendungen werden beispielsweise in der Bildanalyse seit mehr als fünf Jahren eingesetzt. Siemens Healthineers hat hier Pionierarbeit geleistet und arbeitet an vielen zukünftigen Anwendungsfällen.

Ganz allgemein würde ich sagen, dass die Datenlage im medizinischen Bereich genauso gut oder schlecht ist wie in jedem anderen Sektor. Die Qualität missionskritischer Daten ist hoch, der Rest ist weniger gut gepflegt. Anders sieht es in klinischen Studien aus, in denen Personal bezahlt wird, um eine hohe Qualität der studienrelevanten Daten zu gewährleisten. Dieser Prozess kann zwar teilweise automatisiert werden, beinhaltet aber immer auch ein hohes Maß an manueller Tätigkeit.

Ich bin fest davon überzeugt, dass Wissensgraphen immer wichtiger werden. Wie im Medizinbereich bestehen die meisten Domänen aus unstrukturierten Daten (Sensordaten, Bilder) sowie strukturierten Daten (Diagnose, Verfahren, Laborergebnisse, Blutwerte). Grob gesagt fallen strukturierte Daten in das Gebiet von Wissensgraphen und unstrukturierte Daten in den Bereich von Deep Learning. Eine Herausforderung ist es, beide miteinander in Verbindung zu bringen. Daran arbeiten wir.“

Künstliche Intelligenz in Städten

Jeanne Holm, stellvertretende CIO der Stadt Los Angeles (c) SEMANTiCS

Jeanne Holm ist stellvertretende CIO der Stadt Los Angeles: „Ich bin seit 20 Jahren Professorin an der University of California, Los Angeles (UCLA) und habe 35 Jahre lang mit der Regierung gearbeitet. Die Data Science Federation (DSF) stellt einen innovativen Weg dar, positive soziale Veränderung zu ermöglichen, indem sie Wissenschaftler, also Studenten und Professoren, mit Stadtverwaltungen zusammenbringt. Ziel ist, der Politik mithilfe von Daten bessere Informationen zur Verfügung zu stellen. Die DSF unterstützt viele verschiedene Menschen:

  • Studierende erhalten die Möglichkeit, Dinge zu bewegen und die Veränderungen und Auswirkungen zu sehen, die ihre Arbeit für die Regierung haben kann. Sie gewinnen Erfahrungen in außergewöhnlichen Projekten, die ihren Lebenslauf aufwerten.
  • Professoren haben Zugang zu Echtdaten und spannenden Projekten und wir ermutigen sie, ihre Ergebnisse in Publikationen und Konferenzen zu veröffentlichen. Aufgrund dieser Arbeiten haben wir erreichen können, dass der Stadt und den Universitäten 1,5 Mio. US-Dollar an Zuschüssen zur Verfügung stehen.
  • Den Mitarbeitern der Stadt werden innovative Ideen und Technologien präsentiert, die Lernprozesse initiieren und fördern. Außerdem können sie ihre Datenkompetenzen verbessern.
  • Alle Beteiligten, besonders die Einwohner von Los Angeles, profitieren von kreativen, jugendorientierten, sofort einsatzbereiten Ideen.
  • Wir haben das Programm kürzlich auf 88 weitere Städte ausgedehnt, um diesen Schatz an guten Ideen mit anderen zu teilen.

Es gibt drei Prozesse, die Städte unbedingt automatisieren sollten:

  1. Beschaffung (Einkauf, Einkäufe, Zahlungen)
  2. Personalwesen (Zeiterfassung, Gehaltsabrechnung, Karriereentwicklung, Management)
  3. Transport, wo möglich (Bus- und Bahnplanung sowie Fahrpläne, automatisierte Ampeln, Planung von Straßenreparaturen, Verkehrsflussanalyse etc.).“

Semantische Technologien für Digital Humanities

Victor de Boer, Assistenzprofessor in der User-Centric Data-Science-Group am Fachbereich Informatik der Vrije Universiteit Amsterdam (VU) (c) SEMANTiCS

Victor de Boer, Assistenzprofessor in der User-Centric Data-Science-Group am Fachbereich Informatik der Vrije Universiteit Amsterdam (VU): „Mit fortschreitender Digitalisierung werden viele Datensätze zum kulturellen Erbe im Internet veröffentlicht. Vor kurzem haben verschiedene Organisationen damit begonnen, ihre Sammlungen als Linked Data herauszugeben. Beispiele dafür sind das Rijksmuseum Amsterdam, die Deutsche Nationalbibliothek oder die vielen Wörterverzeichnisse und Datensätze des Getty-Instituts.

Da immer mehr dieser sehr heterogenen (Meta-)Daten online veröffentlicht werden, stellen sich Fragen nach deren Interoperabilität. Als Anwender möchten wir bspw. die Zusammenhänge zwischen einem Dokumentarfilm über Pablo Picasso, seinen Gemälden in Pariser Museen und Archivdokumentationen über sein Leben erkunden können. Wissensgraphen können dort eine wichtige Rolle spielen, wo explizite Semantiken zur Darstellung der Bedeutung von Objektmetadaten verwendet werden und semantische Verknüpfungen zwischen Datensätzen diese Datensätze integrieren. Geteilte Wörterverzeichnisse, wie sie von Getty veröffentlicht werden, können als Sprungbrett verwendet werden, um Objekte aus verschiedenen Sammlungen und Datenmodellen zu verknüpfen. Datenmodelle, wie das Europeana Data Model, Dublin Core sowie CIDOC-CRM können verwendet werden, um Metadaten zu strukturieren und gemeinsame Semantiken zu definieren.

Eine spezifische Verwendung für solche semantisch vernetzten Kulturerbe-Daten findet sich in den Digital Humanities. Die Digital Humanities sind ein junges, aufstrebendes Feld, in dem Forscher und Praktiker aus den Bereichen Informatik, kulturelles Erbe, Geisteswissenschaften und Sozialwissenschaften zusammenkommen. Durch die Zusammenführung von bisher nicht miteinander verbundenen Datensätzen werden neuartige Analysen und Forschungsfragen möglich.

Beispiele für Projekte der Digital Humanities, die semantische Technologien verwenden, sind die der Aalto-Universität in Finnland, das Linked-Jazz-Projekt oder die Forschungsinitiative „Audio-Visual Rhetorics of Affect“, die sich mit der semantischen Annotation von audiovisuellen Daten beschäftigt.

Das DIVE-Projekt, an dem ich mitgearbeitet habe, führt heterogene Datensätze aus dem Kulturerbe zusammen und macht diesen Wissensgraphen erfassbar über eine explorative Schnittstelle, die den Anforderungen und der Forschungspraxis von Geisteswissenschaftlern entspricht.“

Weitere Informationen über die SEMANTiCS Konferenz 2019 gibt es auf der Website unter https://2019.semantics.cc/.


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