130 Gäste setzten am 20. September im Linzer Ursulinensaal die Segel und steuerten in Richtung Digitale Transformation. [...]
Der IT-Cluster der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria hatte zu seiner Jahrestagung SHFT unter dem Motto „SHFT AHOI – Volle Kraft in Richtung Digitalisierung“ geladen. Der Tenor: Die Digitalisierung ist gekommen, um zu bleiben.
Roland Sprengseis, stellvertretender ITC-Beiratssprecher und Geschäftsführer der bluesource – mobile solutions GmbH, begann mit einer guten Nachricht: „Wir haben Vollbeschäftigung. Wirtschaftlich geht es uns gut.“ Damit geht jedoch auch ein Problem einher, denn Arbeitskräfte sind in der IT schwer zu finden.
„Wir reden immer von Krisen. Doch wir sollten den Tag nutzen, um Chancen zu sehen. Es ist vieles nicht so schwarz, wie es aussieht. Die Best-Practice-Beispiele aus Oberösterreich zeigen das. Die SHFT ist dazu da, einen positiven Tag zu erleben, sich viel Input zu holen und gestärkt wieder in die Unternehmen zu gehen.“
Der erkrankte Markus Roth, Obmann der Fachgruppe UBIT der WKOÖ, der mit der Dienstleistungsplattform huddlex.at als Hauptsponsor fungierte, ließ über IT-Cluster-Manager Frederic Hadjari ausrichten:
„Die Zusammenarbeit der Partner bei der Organisation der SHFT ist ein starkes Zeichen für das Netzwerk und die Kooperation in stürmischen Zeiten. Der ITC hat sich unter neuer Führung bereits im März zu dieser physischen Veranstaltung bereiterklärt. Das war ein mutiger Schritt.“
Netzwerk treibt Digitalisierung voran
Mit dem IT-Cluster der oö. Standortagentur Business Upper Austria und seinem neuen Cluster-Manager Frederic Hadjari wurden die Segel bereits auf den richtigen Kurs gesetzt. Im Partnernetzwerk mit 180 Unternehmen und Forschungseinrichtungen werden Kooperationsprojekte vorangetrieben, die den Transfer von der Forschung in die Wirtschaft beschleunigen sollen. Drei Themenbereiche stehen in Zukunft im Fokus: Business Software, IT-Security und Industrial Data.
„Gleichzeitig wollen wir unsere Partnerunternehmen durch Aktivitäten in der Internationalisierung und Qualifizierung stärken. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Abteilungen der Standortagentur Business Upper Austria wird der Zugang zu Förderungen und die Suche nach Fachkräften erleichtert. Auch die Sichtbarkeit von Frauen in der Technik werden wir verbessern“, sagte Hadjari.
Hadjari erklärte die Symbolik des Sujets der SHFT 2022: zwei Astronauten in einem Ruderboot auf hoher See mit dem zugehörigen Motto „SHFT AHOI“:
„Digitalisierung ist eine Teamaktivität. Wir stoßen in unbekannte Sphären – sprich: Technologien – vor. Wir würden uns wünschen, dass das Boot größer ist und mehr Ruderer mitwirken, doch die Mittel sind begrenzt. Mit halbem Schub kommt man nicht schnell voran, denn die Digitale Transformation spielt sich auf allen Ozeanen ab, daher benötigen wir volle Kraft.“
Vernetzung von Schulen und Wirtschaft
Was dieses „volle Kraft“ bedeutet, darüber sprachen bei der Podiumsdiskussion Wirtschafts-Landesrat Markus Achleitner, Stefan Koch, Vizerektor der JKU Linz, Stephan Winkler, wissenschaftlicher Leiter im Softwarepark Hagenberg, Doris Riha, Direktorin der HTL Traun, und Clemens Wasner, Founder und CEO der EnliteAI GmbH miteinander.
Doris Riha freute sich darüber, eine ganze Schulklasse zur Veranstaltung mitnehmen zu dürfen:
„Ich schätze die Möglichkeit zur Vernetzung mit Firmen sehr, denn dadurch bleibt es nicht beim Trockenschwimmen in der Schule. Das Vernetzen kann man nicht früh genug starten. Die Schüler sollen die Vorträge und Workshops nutzen, damit sie sehen, wie das, was sie lernen, in der Praxis gebraucht wird. Und das ist ganz schön viel.“
Wissen und Forschung in Anwendung bringen
Clemens Wasner warf einen internationalen Blick auf die Digitale Transformation:
„Ich habe lange Zeit im Ausland verbracht. In China spricht man nicht nur von AI, sondern von AI+X. Das X steht für die Anwendung, etwa in der Landwirtschaft, in der Pharmabranche und vielen anderen. Wir tun gut daran, wenn wir uns daran orientieren und weniger auf das Silicon Valley schielen. Wir sollten überlegen, wie wir die Digitale Transformation in klassische Branchen bringen.“
TU in Linz als Chance
Stephan Winkler will die Digitalisierung für alle greifbarer machen und ganze Busladungen mit Schulen nach Hagenberg einladen.
„Was heißt das denn wirklich, wenn man in der IT arbeitet, wenn man dort studiert? Man kann natürlich alle möglichen Folien zeigen, aber wenn man sieht, wie gearbeitet wird, welche Begeisterung die Menschen ausstrahlen, wenn sie auf kreative Weise Probleme lösen, dann ist das eine Chance, um junge Leute zu motivieren.“
Auch die neue TU in Linz ist für Stefan Koch eine großartige Gelegenheit dazu: „Wir haben ein sehr gutes Ökosystem, das wird durch die neue TU noch gestärkt. Mit der TU wurde ein wichtiger Schritt gemacht. Die Zusammenarbeit wird gut werden, wir müssen uns nur gut abstimmen.“
Dem stimmte Landesrat Achleitner zu:
„In Oberösterreich sind wir für die Digitale Transformation gut aufgestellt, egal ob JKU, Fachhochschulen oder der Softwarepark Hagenberg. Digitalisierung ist ein Stärkefeld des Wirtschaftsstandortes und das wollen wir ausbauen. Daher finanzieren wir Vorhaben in diesem Bereich auch in der Politik sehr stark. Auch die TU, die wir nach Linz holen, hat das Land Oberösterreich mitfinanziert. Sie wird einen zusätzlichen Turbo für die Technologien der Zukunft bringen. Das Ganze ist aber nur dann sinnvoll, wenn wir das Wissen der Bildungs- und Forschungseinrichtungen in die Wirtschaft transferieren.“
Digitalisierung ist im Alltag angekommen
Im Softwarepark Hagenberg will Stephan Winkler weiterhin auf Künstliche Intelligenz setzen.
„AI und Machine Learning sind etwas Alltägliches geworden. Das ist schon lange keine Science Fiction mehr, sondern in so vielen Tools und Produkten integriert. Zum Teil fällt es auf, zum Teil nicht. Oft wird das als etwas Böses dargestellt, da müssen wir den Vorurteilen entgegenwirken. AI und Machine Learning sind zu Infrastruktur geworden, wie eine Bundesstraße. Man muss den Leuten bewusst machen, dass das die Zukunft ist.“
Laut Stefan Koch wird die Digitalisierung aber ohne Sicherheit nicht funktionieren. Hier brauche es einen Mix aus Technologie sowie sensibilisierten und gut ausgebildeten Mitarbeiter:innen.
Weibliche Role Models gefragt
Was Frauen in der Technik betrifft, gibt es laut HTL-Direktorin Riha noch Luft nach oben.
„Wir haben 350 Schüler an der HTL, dabei aber nur einen vernichtend geringen Anteil von elf Prozent Mädchen. Dabei sieht man gerade an den Junior Days, die wir machen, dass die Mädchen die Mutigen sind. Die Mädchen, die wir haben, sind oft exzellente Programmiererinnen und marschieren problemlos durch. Was ich mir persönlich wünsche: Die Sprache, die in der Fachliteratur verwendet wird, ist sehr an Männern orientiert. Wir Frauen brauchen Dinge oft anders erklärt. Da sehe ich einen Hebel. Und es braucht mutige Frauen. Unsere Mädels motivieren andere Mädels.“
Künstliche Intelligenz und der Faktor Mensch
Benedikt Fuchs, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Fraunhofer Austria Research GmbH, berichtete, dass Fachkräfte an allen Ecken und Enden fehlen, und sich trotzdem der Mythos hält, dass Roboter Arbeitskräfte wegrationalisieren. Größte Herausforderung bei KI sei nicht der Widerstand der Belegschaft, sondern die fehlenden Kompetenzen.
Fraunhofer hat daher ein Modell für strategisches Kompetenzmanagement entwickelt.
„Der Einsatz von KI kann helfen, dem demografischen Wandel entgegenzuwirken. Man kommt um den Faktor Mensch nicht herum, wenn man Künstliche Intelligenz anwendbar machen will. Die große Angst gegenüber KI ist aber unbegründet“, sagte Fuchs.
Was hat Brotbacken mit KI zu tun?
Der Digitalisierungs(s)check des Softwareparks Hagenberg hob die Digitalisierungsstrategie von Backaldrin auf eine neue Ebene. Rudolf Grassmann, Digitalisierungsverantwortlicher bei Backaldrin, zeigte, dass auch die traditionelle Bäckereibranche digitalisiert werden kann:
„Bäcker greifen auf persönliche Erfahrungswerte, analoge und digitale Aufzeichnungen und Rezeptdatenbanken zurück. Aber viel Wissen liegt unstrukturiert im Unternehmen herum und kann nicht wirklich genutzt werden. In einem ersten Schritt mussten wir also die Daten nutzbar machen. Im nächsten Schritt wurden KI-Entwicklungen auf Basis der Daten entwickelt, mit dem langfristigen Ziel, Rezeptentwicklung KI-unterstützt stattfinden zu lassen.“
Damit können die benötigten Versuche enorm reduziert und somit die Geschwindigkeit der individuellen Produktentwicklung beschleunigt werden.“
Stephan Winkler, wissenschaftlicher Leiter im Softwarepark Hagenberg, erklärte:
„Dadurch wird noch kein Kornspitz mehr verkauft. Aber anhand von Prescriptive Analytics entsteht ein KI-basiertes Vorschlagssystem, das dann doch zu höheren Verkaufszahlen führt. Die Idee hinter den Rezeptentwicklungen ist auch, Abwandlungen hinzubekommen. Wie relevant das ist, sieht man aktuell: Was tue ich, wenn ein Rohstoff nicht lieferbar ist? Dem kann man entgegenwirken. Fairerweise muss man sagen: Wir werden die Bäckereitradition nicht revolutionieren. Die Grundrezepte bleiben ähnlich, aber die Ausgestaltung verändert sich.“
Vertrauen in Künstliche Intelligenz
DigiTrans-Geschäftsführerin Eva Tatschl-Unterberger gab mit Bernhard Nessler vom Software Competence Center Hagenberg einen Überblick über den aktuellen Stand beim Automatisierten Fahren und die für Forscher und Entwickler herausfordernde Komplexität des Themas.
„Witterungsbedingungen müssen einkalkuliert werden, die KI muss auf eine enorme Szenarienvielfalt reagieren, dazu kommen hohe Sicherheitsstandards und nicht zuletzt das Vertrauen: Wie sicher können wir uns sein, dass die Software die richtigen Entscheidungen trifft?“ sagte Tatschl-Unterberger. Der Fokus liegt derzeit darauf, eine vertrauenswürdige KI am Steuer zu schaffen und einen Zertifizierungsprozess zu entwerfen.
Oberösterreich weltweit Vorreiter
Bernhard Nessler zeigte, wie experimentell der Umgang mit KI häufig noch ist, aber auch, welche Chancen sich z. B. durch die Bilderkennung eröffnen.
„Das ist ein hochkomplexes Thema. Man weiß vorab oft nicht, was tatsächlich herauskommt, das kann man nur durch Ausprobieren erkennen. Wir müssen überlegen, wo uns KI etwas bringt und wo noch nicht. Daher benötigen wir die Certification of AI, um die Performance zu prüfen, die Qualität zu verbessern und dem End-User eine Sicherheitsgarantie geben zu können. Wir sind die ersten und einzigen, die den Prozess gemeinsam mit dem TÜV gemacht haben und damit weltweit führend.“
Offene Entwicklungsplattform
Die Avocodo GmbH präsentierte eine visualisierte Entwicklungsplattform für Low-Code-Anwendungen. Damit lassen sich das Ökosystem von Prozessen verbinden, Datensilos abreißen und Fach- mit IT-Expert:innen zusammenbringen. Die Plattform ist bewusst nicht fertiggestellt, damit der Kunde sie individuell anpassen kann.
Cyberkriminelle werden besser
Roland Pucher von PwC machte darauf aufmerksam, dass nicht nur Unternehmen immer besser in der digitalen Welt performen, sondern auch die Angreifer immer schlauer vorgehen:
„Angreifer entwickeln sich weiter, verfügen über mehr Schutzsysteme, besseren Support und bessere Beschreibungen. Es ist mittlerweile einfacher, ein Angreifer zu werden, als eine McDonalds-Filiale zu eröffnen.“ Pucher appellierte, in IT-Sicherheit zu investieren: „Das kostet Geld, aber wenn wir heute nicht in Innovation investieren, werden wir es morgen in Lösegeld investieren.“
Wachstum trotz Corona: Huawei macht es vor
Markus Haringer-Luger, Head of Public & Commercial Sales bei der Huawei Technologies Austria GmbH, schilderte die hauseigene Erfolgsgeschichte und bekundete Interesse an Austauschpartnerschaften zwischen China und der künftigen TU in Linz.
In zweistündigen Workshops konnten sich die Teilnehmer/innen über die Produkte des Firewall-Herstellers Fortinet und die Cloud-Software von Scopevisio informieren.
Copa-Data schilderte, was sie bei ihrer „Roadmap to China“ gelernt hat. Im Workshop „Schluss mit Datensaustall!“ lernten die Teilnehmer:innen anhand einer Datenlandkarte, wie sie Daten nutzbar machen.
Be the first to comment