Während klassische Verwaltungsverfahren die rechtlichen Vorgaben aus Gesetzen und Verordnungen implementieren, sind Smart-City-Lösungen zukunftsorientiert und IT-Technologie getrieben. Die Beschaffung erfordert daher andere Vorgehensweisen. [...]
Laut Studien der UN und OECD werden in 20 Jahren circa 70 Prozent der Weltbevölkerung in Großstädten und Mega-Cities leben. Dies ist nur durch eine enorme Verdichtung von Wohnraum möglich, d.h. das gesamte Ökosystem des urbanen Lebens wie Mobilität, E-Government, Energieversorgung, Gesundheit, Arbeitswelt, Abfallentsorgung usw. muss in der Leistungsfähigkeit vervielfacht werden ohne den Ressourcenverbrauch zu steigern, bzw. dieser sollte idealerweise sogar reduziert werden.
Eine enorme Aufgabe, die nur durch smarte Lösungen bewältigt werden kann. Teilweise spüren wir die drohenden Gefahren wie Verkehrskollaps oder Smog bereits heute. Simple Aufgaben wie Parkraum-Management, Verkehrsflusssteuerung oder eine Müllentsorgung, die bedarfsgerecht arbeitet, zeigen aber schnell die Grenzen heutiger Lösungen auf.
Ursache ist meistens ein starrer Prozess, der nach einer festen Taktung abläuft. Reale Situationen werden nicht berücksichtigt, da Sensoren für die Erkennung und Kommunikationswege für die Rückkopplung fehlen.
Die heutzutage eingesetzten Prozesse und Technologien sind nicht intelligent, der Ressourcenverbrauch skaliert 1:1 mit der abgerufenen Leistung. Ein weiteres Defizit ist der fehlende Abgleich und die Verknüpfung von Sensordaten zur Vorhersage. Auf prognostizierbare Ereignisse kann nicht pro-aktiv sondern nur reaktiv reagiert werden.
Smart = IoT + Big-Data + Cognitive Computing
Die Halbleiterindustrie stellt heute komplette IT-Systeme mit WLAN (System on a Chip, SOC) in der Größe einer Briefmarke her. Der Preispunkt liegt bei ein bis zwei Dollar und die Leistungsfähigkeit reicht aus, um Sensordaten zu erfassen, Aktoren anzusteuern und mit anderen SOCs oder einem Datenkonzentrator zu kommunizieren. Es ist diese Technologie, die in Internet-of-Things-Modulen eingesetzt wird und inzwischen Marktreife erlangt hat.
IoT-Module sind kostengünstig und können daher in großer Stückzahl verbaut werden. Sinnvoll ist z.B. die Aufrüstung von Straßenlampen mit Bewegungssensoren für eine bedarfsgerechte Lichtsteuerung, verbunden mit einer Erfassung der Verkehrsdichte. Die lokale Intelligenz eines IoT-Moduls kann zwischen Fußgänger und Fahrzeug unterscheiden und passend die benachbarten Straßenlampen schalten oder eine Verkehrsdichtemeldung an einen Leitrechner absetzen.
Allein durch die Einsparung von Stromkosten rechnet sich die intelligente, bedarfsgerechte Lichtsteuerung bereits nach kurzer Zeit. Die smarte Straßenlampe ist nur ein Beispiel, entsprechende Produkte sind heute schon am Markt verfügbar.
Bedenkt man die vielfältigen Möglichkeiten, um Prozesse mit IoT-Sensordaten per Rückkopplung zu optimieren, wird schnell klar, dass die entstehende Datenflut in Rechenzentren immens sein wird. IT-Hersteller verarbeiten diese mit ihren proprietären Big-Data-Produkten. Aber auch die Forschung ist sehr aktiv, um für eine Verarbeitung dazu geeignete Smart-City-Data-Datenbanken zu entwickeln.
In konkreten Projekten ist es wichtig, hier den Blick auf die Zukunftsfähigkeit zu richten und auf offene Schnittstellen für die Integration mit prädikativen Algorithmen wie dem Cognitive Computing zu achten.
Das nächste Potential liegt in der Verknüpfung der Sensordaten von Straßenlampen, Ampeln, Müllcontainern, Besucherzählern von Großveranstaltungen und Diversem mehr. Heute sind die Prozesse dazu autark, obwohl die Situationen und Ereignisse gekoppelt sind. Lernende Maschinen, Cognitive Computing und künstliche Intelligenz werden Möglichkeiten der Ressourcenschonung aufzeigen, die mit heutigen Lösungen nicht vorstellbar sind.
Smart City Sourcing – Quadratur des Kreises für die Verwaltung
Die Verwaltung hat alle öffentlichen Aufgaben zu erfüllen, die im Interesse der Allgemeinheit oder des Gemeinwohls liegen. Dies steht im Konflikt zu Smart-City-Projekten, die isoliert für sich keinen oder nur einen geringen Nutzen für die Allgemeinheit bringen. Am Beispiel Straßenlampe wird dies deutlich: Eine Umrüstung auf LED-Technik reduziert den Stromverbrauch und ist im Interesse der Allgemeinheit. Eine zusätzliche Ausstattung mit Bewegungssensoren erzeugt Mehrkosten. Sie bringt für sich keinen Mehrwert und dient damit nicht dem Gemeinwohl. Erst in Kombination mit einem weiteren Projekt zur Verkehrssteuerung ergibt sich ein Mehrwert.
Solche Projektkopplungen oder Vorabinvestitionen sind im öffentlichen Wirtschaftsrecht schlecht abbildbar und werden vermieden. Doch der Druck, sich durch Smart City Projekte für die Zukunft zu rüsten, steigt stetig. Auswege hierzu können Betreibergesellschaften oder Public-Private-Partnerships (PPP) sein, die die Zukunftsaspekte mit Risiken und Kosten in privatwirtschaftliche Hände legen. Vorteilhaft zeigt sich hierbei die Einbindung von Sourcing Advisors mit Fokus auf die öffentliche Verwaltung, die ebenfalls die Gesetzmäßigkeiten der Privatwirtschaft gut kennen.
* Donald Polzin ist geschäftsführender Gesellschafter der IT-SCM.com.
Be the first to comment