Innovative und flexible Arbeitsumgebungen können Motivation und Produktivität steigern. Eine Expertenrunde diskutierte in Wien, welche Hürden bei Smart Spaces zu nehmen sind und welche Chancen sie bieten. [...]
Ein Einzelbüro mit einem großen Schreibtisch und einer Topfpflanze – das war der Arbeitsplatz von gestern. Inzwischen gelten Smart Spaces, die sich automatisch an die Bedürfnisse der Menschen anpassen, als Voraussetzung für Wohlbefinden, Kreativität und Innovation. In Österreich steht die Entwicklung aber erst am Anfang, so die gemeinsame Einschätzung der Expertinnen und Experten bei der Veranstaltung der Plattform „Digital Business Trends“ (DBT).
„Natürlich gibt es noch viele, die den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen. Durch den Trend zur mobilen Arbeit – im Zug, an verschiedenen Plätzen im Gebäude oder beim Kunden – und der steigenden Vielfalt der Tätigkeiten, sind die Arbeitswelten aber schon deutlich bunter und flexibler geworden“, so Sabine Zinke, Partnerin beim Unternehmensberater M.O.O.CON. Außerdem würden Abläufe in Smart Spaces digital steuerbar beziehungsweise völlig automatisiert.
Raumeigenschaften wie Temperatur und Beleuchtung stellen sich schon beim Betreten auf die individuellen Bedürfnisse ein. Bei einer Verspätung werden die Teilnehmer eines Meetings vom System benachrichtigt, der Termin verschoben und der Raum umgebucht. Und das Essen in der Kantine wird von unterwegs per Smartphone bestellt, nannte Zinke einige Beispiele. So könnten die Vereinbarkeit von unterschiedlichen Lebensbereichen verbessert sowie Motivation und Produktivität erhöht werden.
Individuelles Tracking nicht erlaubt
„Zwar stehen wir da noch ziemlich am Anfang, das Thema wird sich in den kommenden Jahren aber stark entwickeln“, ist die Expertin überzeugt. Derzeit gebe es noch einige Herausforderungen zu überwinden. So müssten Datenschutz und Privatsphäre berücksichtigt werden, wodurch Lösungen, die auf dem individuellen Tracking von Mitarbeitern basieren, eigentlich nicht erlaubt wären. Außerdem gelte es, Personen „mitzunehmen“, die nicht so technologieaffin sind. Wichtig sei, die richtige Mischung aus analog und digital zu finden.
„Wir müssen herausfinden, wo was Sinn macht. Natürlich ist Technologie wichtig, aber trotzdem funktioniert manches analog viel besser“, meint auch Verena Krawarik von der Austria Presse Agentur (APA). Bei aller Datenverliebtheit dürfe der Fokus nicht verloren gehen. Mit dem Medialab, für das sie seit 1. Mai verantwortlich ist, habe die APA vor zwei Jahren einen Denk- und Entwicklungsraum mitten im Newsroom geschaffen, um agil an neuen Produktkonzepten zu arbeiten.
In kleinen Schritten zum Erfolg
Visionsentwicklung, Strategie-Workshops oder Produktentwicklungsmethoden wie Design Sprints würden smarte Raumkonzepte und Materialien benötigen, die sowohl flexibles Arbeiten unterstützen als auch die rasche Einbindung von externen Experten erlauben. Verena Krawarik sieht bei Smart Spaces aber noch ein Henne-Ei-Thema: „Will man einen Raum bauen, um eine Kultur zu schaffen, die man sich wünscht, oder stehen die Mitarbeiter schon Schlange, weil es so einen Raum nicht gibt?“ Die Expertin plädierte auch dafür, beispielsweise beim nächsten Umbau auszuprobieren, welchen Weg man weiter gehen will: „Es muss nicht immer gleich eine Revolution sein, man kann auch mal kleiner anfangen.“
Früher habe man sich vor allem damit beschäftigt, wie ein Raum aussehen sollte, und nicht, wie er das Arbeitsleben erleichtern kann, so Bernhard Wiesinger von A1 Telekom Austria: „Es ging lange darum, wer das schönere Office hat und nicht um die Mitarbeiter.“ Was jetzt noch fehle, sei die Verbindung dieser Welten – also von Fläche, Geräten und Technologie. Dabei müsste aber eine Reizüberflutung vermieden werden, indem man zwischen netten Features und einer tatsächlichen Unterstützung unterscheide. Wichtig sei auch, auf zwischenmenschliche Aspekte zu achten: „Die Interaktion, soziale Kontakte und das Miteinander dürfen nicht verloren gehen.“
Offene Kommunikation auf allen Ebenen
Natürlich schaffe man es nicht, alle Leute mitzunehmen. Kultur sei stärker als Raum. „Wichtig ist eine offene Kommunikation auf allen Ebenen und sich Zeit zu nehmen, mit den Ängsten der Leute umzugehen. Auch die Nachteile müssen klar offengelegt werden“, verweist der Experte auf den Umbau des eigenen Headquarters im Jahr 2018 „am lebenden Herzen“. Zuerst sei eine Fläche mit 1.000 Quadratmetern „zum Probewohnen“ gestaltet worden. Durch die Rückmeldungen habe man schließlich viele Wünsche auf letztendlich 40.000 Quadratmetern umsetzen können.
Einen besonderen „Smart Space“ hat die Mediaagentur Mindshare entwickelt, um den Umgang mit der Vielzahl der durch den digitalen Wandel anfallenden Daten zu erleichtern. „Wir haben in normalen Meetingräumen experimentiert, das hat aber weniger gut funktioniert“, so Christoph Truppe. Letztendlich wurde ein komplett eigener Raum namens „The Loop“ eingerichtet, „ähnlich der Kommandobrücke auf Raumschiff Enterprise“. Hier gibt es mindestens acht mehrfach belegte Bildschirme, auf denen Daten aus mehr als 100 Quellen in Echtzeit zusammenlaufen und gleichzeitig sichtbar und sofort interpretierbar gemacht werden.
Alle Auswertungen vor sich zu haben, führe zu einer neuen Arbeitsweise. Die Grenzen zwischen Marketing, Media, Technologie, Kreation und Forschung würden aufgehoben. Experten aus genau diesen Bereichen kooperieren dabei. Das sei sehr produktiv, gehe aber auch an die Substanz. Nach drei, vier Stunden in dem Raum brauche es Zeit und Raum zum Erholen, so Truppe.
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