Mit einem Campus-Netzwerk bauen Unternehmen auf dem Firmengelände ein privates Mobilfunknetz auf. So werden Prozesse, Anlagen und Fahrzeuge zuverlässig und sicher vernetzt. [...]
Ob autonomes Fahren auf dem Vorfeld oder die videogestützte Kontrolle von Flughafeneinrichtungen durch Roboter und Drohnen – ein eigenes 5G-Netz auf dem über 20 Quadratkilometer großen Areal des Flughafens Frankfurt soll solche Zukunftsprojekte Realität werden lassen. Der Airport-Betreiber Fraport arbeitet gemeinsam mit dem IT-Dienstleister NTT an Europas größtem privaten 5G-Netz, einem Campus-Netzwerk.
Klassische Vernetzungsmethoden, etwa via WLAN, reichen in vielen Fällen heute nicht mehr aus, um den Anforderungen moderner Unternehmen gerecht zu werden. Campus Area Networks (CANs) schaffen Abhilfe.
Bei einem Campus-Netzwerk handelt es sich um ein Mobilfunknetz für ein definiertes Areal und für spezielle Anwendungen, das einem Unternehmen exklusiv zur Verfügung steht. „Campus-Netze sind dedizierte Netze, die Geschäftskunden in einem begrenzten, oft lokalen Abdeckungsgebiet eine ,private‘ Netzversorgung mit bestimmten Qualitätsmerkmalen – zum Beispiel Service Level Agreements – ermöglichen“, erklärt Niko Kalivianakis, Director Business Solutions bei O2 Telefónica.
Dabei kommen, so Kalivianakis, verschiedene Architekturmodelle zum Einsatz – „das reicht von einem komplett isolierten Netz, das in die Kunden-IT integriert wird, bis hin zu Network-Slicing-Lösungen auf Basis der öffentlichen Netzversorgung.“
Campus Area Networks erlauben auf Basis des Mobilfunknetzes beispielsweise eine Vernetzung von Produktionsanlagen, ohne dass hierfür zusätzliche Kabel auf dem Gelände verlegt werden müssen.
„Mobilfunknetze haben per Definition den Vorteil, dass sie für mobile Anwendungen geschaffen wurden. Damit können sich zum Beispiel fahrerlose Transportsysteme (FTS) unterbrechungsfrei auf dem Gelände bewegen. Darüber hinaus bietet der 5G-Standard Vorteile wie große Download-Raten und geringe Latenz“, unterstreicht Peyman Jazayeri, Head of Sales 5G Corporate Customers bei der Deutschen Telekom.
Im Vergleich zu WLAN-Netzen ermöglichen Mobilfunklösungen neben geringeren Latenzen höhere Reichweiten und vor allem stabilere Verbindungen. Hierfür werden eigene Frequenzbereiche und Quality-of-Service-Mechanismen genutzt. Die Ausdehnung von Campus-Netzen ist üblicherweise auf rund zwei Kilometer begrenzt.
Und, was für viele Unternehmen von besonderer Relevanz ist: Wenn die anfallenden Daten in Rechenzentren innerhalb des Unternehmensstandorts verarbeitet werden, dann brauchen diese das private Campus-Netzwerk nicht zu verlassen. Somit ist der Verbleib der Datenhoheit beim Unternehmen sichergestellt.
„Anders als bei der Abdeckung über das öffentliche Mobilfunknetz laufen die Daten des Kunden in einem Campus-Netz physikalisch oder zumindest logisch und sicherheitstechnisch direkt in die Firmen-IT des Kunden“, unterstreicht Niko Kalivianakis.
„Campus-Netze sind dedizierte Netze, die Geschäftskunden in einem begrenzten, oft lokalen Abdeckungsgebiet eine ,private‘ Netzversorgung mit bestimmten Qualitätsmerkmalen – zum Beispiel Service Level Agreements – ermöglichen.“
Niko Kalivianakis – Director Business Solutions bei O2 Telefónica
Das Interesse an solchen Campus-Netzwerken ist laut Alexander Saul, Geschäftsführer Firmenkunden bei Vodafone, bei den Unternehmen branchenübergreifend groß, besonders im industriellen Umfeld: „Zum Einsatz kommen Campus-Netzwerke vor allem im Transport- und Logistikwesen sowie im produzierenden Gewerbe. Aber auch aus dem Gesundheitswesen und aus der Landwirtschaft erreichen uns viele Anfragen.“
Dort biete die 5G-Technologie eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten. Dazu gehörten die Vernetzung von Produktionsanlagen oder die Steuerung von Maschinen in Echtzeit. Auch mobile Roboter, autonom fahrende Transportsysteme oder AR- und VR-basierte Assistenzsysteme spielten eine wichtige Rolle.
Campus-Netze in der Praxis
Die Anforderungen sind von Unternehmen zu Unternehmen sehr unterschiedlich. Für den Aufbau eines Campus-Netzwerks kommen daher verschiedene Gestaltungsvarianten in Betracht:
- In einem öffentlichen Mobilfunknetz werden Kapazitäten für ein Unternehmen reserviert. Hierfür kommt meist die Network-Slicing-Technologie zum Einsatz. Die Daten des Unternehmens laufen logisch getrennt vom öffentlichen Netz. In Überlast-Situationen lässt sich der private Datenverkehr zudem priorisieren.
- Hybride Lösungen aus privatem und öffentlichem Mobilfunknetz. Neben zugesicherten Netzressourcen im öffentlichen Mobilfunknetz wird je nach Anforderungsprofil auf dem Firmengelände eine zusätzliche Mobilfunk-Infrastruktur aufgebaut. Geschäftskritische Daten verbleiben so lokal auf dem Campus. Optional gewährleistet Edge-Computing eine deutliche Beschleunigung der Antwortzeiten für zeitkritische Anwendungen. Parallel dazu besteht eine Versorgung des Geländes über das öffentliche Mobilfunknetz.
- Ein privates Mobilfunknetz mit lokaler Antenneninfrastruktur und eigenem Core-Netz, das komplett isoliert ist.
Im Prinzip darf jedes Unternehmen ein eigenes Campus-Netzwerk aufbauen. Hierfür muss lediglich eine entsprechende Funkfrequenz bei der Bundesnetzagentur beantragt werden. Diese geschützten Frequenzen stehen dann exklusiv und ohne Interferenzen den eigenen Anwendungen zur Verfügung. Die Bundesnetzagentur hat für Campus-Netze Frequenzen im Bereich von 3,7 bis 3,8 GHz reserviert.
„Auf Antrag sollen den Interessenten nach heutigem Stand 100 MHz Bandbreite oder jeweils Blöcke daraus mit 10 MHz zugewiesen werden“, erklärt Alexander Saul. Die Frequenzen seien ausschließlich für räumlich begrenzte und öffentlich nicht zugängliche Kommunikationsdienste vorgesehen. Die Kosten für eigene Frequenzen werden entsprechend einer Formel der Bundesnetzagentur berechnet, die die Bandbreite sowie die Größe der zu versorgenden Fläche berücksichtigt.
„Zum Einsatz kommen Campus-Netzwerke vor allem im Transport- und Logistikwesen
Alexander Saul – Geschäftsführer Firmenkunden bei Vodafone
sowie im produzierenden Gewerbe. Aber auch aus dem Gesundheitswesen und aus der
Landwirtschaft erreichen uns viele Anfragen.“
Die Beantragung einer Funkfrequenz ist jedoch nicht in jedem Fall notwendig: Wer sich etwa für die Variante entscheidet, bei der per Network Slicing Kapazitäten im bestehenden Mobilfunknetz reserviert werden, der nutzt die vom Mobilfunkanbieter lizenzierten Frequenzen.
Laut Niko Kalivianakis von O2 Telefónica haben Funkwellen in dem von der Bundesnetzagentur ausgegebenen Frequenzspektrum einen verhältnismäßig kleinen Abdeckungsradius. Sollten die zu versorgenden Firmenareale größer sein, biete sich die ergänzende Nutzung von Frequenzen der Netzbetreiber an.
„Das kann zu deutlichen Kostenersparnissen führen. Der Kunde muss keine oder deutlich weniger zusätzliche 5G-Campus-Netzinfrastruktur aufbauen, um weitläufige Firmengelände flächendeckend mit 5G zu versorgen“, so Kalivianakis.
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