Smartphones verdienen ein längeres Leben

Eine möglichst lange Nutzungsdauer von Smartphones wirkt sich positiv für die Umwelt aus. Diesen Gedanken unterstützen auch einige Hersteller inzwischen. [...]

Foto: Fairphone

Weltweit werden jährlich deutlich mehr als eine Milliarde Smartphones verkauft, in Deutschland sind es über 20 Millionen. Diese Geräte bestehen aus vielen wertvollen Rohstoffen, knapp die Hälfte des Gewichts entfällt auf Metalle, ein Drittel auf Glas, der Rest auf Kunst- und Verbundstoffe.

Insgesamt können bis zu 60 verschiedene Elemente enthalten sein, manche davon nur in wenigen Milligramm: Kupfer, Eisen und Aluminium, die Edelmetalle Silber und Gold, Palladium und Platin sowie seltene ­Erden.

Deren Gewinnung ist oft umweltschädlich und erfolgt zum Beispiel im Kongo teilweise unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen. Nur wenige Rohstoffe, die in einem Smartphone stecken, werden in Demokratien mit strengeren Gesetzen zum Schutz der Umwelt und der Arbeiter gefördert, wie etwa in Kanada oder Australien.

Schon deshalb ist es nicht nur für die Umwelt unerlässlich, dass die Produkte länger genutzt werden, denn das nachhaltigste Smartphone ist eines, das gar nicht gebaut wird. Am Ende seines Lebenszyklus muss das Telefon dann auch noch so recycelt werden, dass die Rohstoffe zurückgewonnen und wieder verwendet werden können.

Je nach Aufwand sollen sich nach Angaben der Rohstoffagentur und der Bundesanstalt für Geowissenschaft bis zu 85 Prozent der Metalle in einem Smartphone recyceln lassen. Doch dazu müssen Endkunden auch in den Kreislauf einsteigen, denn noch liegen laut Bitkom mehr als 210 Millionen alter Handys und Smartphones ungenutzt bei ihnen herum.

Bei den Herstellern findet inzwischen ein Umdenken statt, denn sie stehen immer mehr unter Druck, die lange Jahre geübte Praxis aufzugeben, alle zwei Jahre ein neues, meist durch Netzbetreiber subventioniertes, Gerät zu verkaufen.

Schon im vergangenen Jahr lag die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Smartphones in Europa bei 40 Monaten, mit steigender Tendenz. Das mag auch an einem inzwischen recht langsamen Tempo technischer Innovationen liegen, das den Anreiz zum Austausch eines Gerätes reduziert.

Dazu ist die Leistungsfähigkeit der Hardware immer besser geworden. Wer etwa heute ein Smartphone mit einem Top-Prozessor wie dem Snapdragon 8 Gen 2 kauft, wird auch in einigen Jahren noch ein schnelles Gerät mit aktualisierten Apps nutzen können.

Bei den iPhones befinden sich die meisten Altgeräte im Bestand, viele Anwender nutzen noch immer ohne Probleme Modelle der Serien 7 oder 8, wobei Letztere auch noch ein Update auf das aktuelle iOS 16 erhalten haben. Denn Apple versorgt im Schnitt seine Smartphones sechs Jahre lang mit Updates, länger als jeder andere Hersteller.

Auch Samsung setzt auf das Thema Nachhaltigkeit.
(Quelle: Samsung)

Doch auch Samsung will für aktuell mehr als 130 Smartphones und Tablets ab dem Baujahr 2019 – beispielsweise zurück bis zum Galaxy S10 – mindestens vier Jahre Sicherheits-Patches geben, allerdings je nach Preisklasse und Alter in unterschiedlichen Intervallen.

Für die neuen Mittelklassemodelle Galaxy A34 5G und A54 5G sowie die S23-Serie soll es gar bis zu vier Generationen von Android-OS-Upgrades und bis zu fünf Jahre Sicherheits-Updates geben.

Vor allem bei höherwertigen Smartphones mit schnellen Prozessoren und viel Arbeitsspeicher ist die Chance auf Updates für ­einen längeren Zeitraum besser, und das erkennen auch immer mehr Endkunden: Vom aktuellen Einbruch der Verkaufszahlen sind in Deutschland Smartphones über 600 Euro weniger stark betroffen, selbst die Preiserhöhungen von Apple haben den Erfolg des iPhone 14, das gerne in den teuren Pro-Versionen gekauft wird, nicht verhindert.

Zum für die Lebensdauer so wichtigen Thema Updates könnten die Hersteller bald gezwungen werden: Die EU-Kommission fordert mindestens fünf Jahre System- und Sicherheits-Updates, die innerhalb von vier Monaten nach der Veröffentlichung umgesetzt werden müssen.

Allerdings hat sich zunächst bei dem Thema, das mit der längeren Verfügbarkeit von Ersatzteilen gekoppelt ist und für mehr Nachhaltigkeit sorgen soll, fast zwei Jahre wenig getan. Inzwischen gibt es zumindest einen Entwurf, der auch von der Bundesregierung unterstützt wird. Die neue Richtlinie könnte aber frühestens Ende 2024 in Kraft treten.

Bei Apple zerlegt der Roboter „Daisy“ alte Smartphones.
(Quelle: Apple)

Für den Fachhandel ist der Trend zur längeren Nutzung der Smartphones nur auf den ersten Blick ein Problem.

Zwar werden in der Summe in einem praktisch gesättigten Markt ohne Neukunden weniger Geräte verkauft, doch Chancen tun sich dadurch an anderen Stellen auf: Händler können die Kundengeräte vor allem jenseits der Garantie reparieren und den Endkunden zur Ab­sicherung des Risikos Versicherungen anbieten. Zudem können sie selbst gebrauchte Geräte ankaufen und verkaufen, wobei die Margen attraktiver als bei den Neugeräten sein können. 

ECo Rating für die Umwelt

Konsumenten, die beim Kauf eines Smartphones ein nachhaltiges Produkt bekommen wollen, fällt es nicht immer leicht, ein solches zu erkennen. Die Hersteller bieten zwar wunderbare Beschreibungen auf ihren Websites, doch überprüfen ließen sich diese Bekenntnisse bisher kaum. Das wollten einige Player im Geschäft ändern und haben 2019 die Initiative „Eco Rating“ gestartet.

Die Gründer waren die Deutsche Telekom, Orange, Telefónica (mit den Marken O2 und Movistar) und Vodafone, seitdem sind weitere dazugekommen. Sie nutzen die Informationen des Eco Rating in Form ­eines Labels in mehr als 35 Ländern im Verkauf.

Zum Start im Mai 2021 hatten 16 Hardware-Hersteller ihre Beteiligung erklärt, inzwischen sind es 23 und damit fast alle wichtigen. Allerdings fehlt in dem offenen Verfahren mit Apple einer der Platzhirsche, der eigentlich immer wieder von sich behauptet, besonders nachhaltig zu sein. Auch Google beteiligt sich mit seinen Pixel Phones nicht am Eco Rating.

Alle anderen lassen ihre Produkte auf diese fünf Aspekte überprüfen: Langlebigkeit, Reparaturfähigkeit, Recycle-Fähigkeit, Klimaverträglichkeit und Ressourcenschonung. Jedes Smartphone erhält einen Score von maximal 100 Punkten, wobei diese bisher noch nicht erreicht wurden.

Im aktuellen Rating, bei dem berücksichtigt werden muss, dass es immer einige Zeit dauert, bis aktuelle Modelle bewertet werden können, erreichen neben dem Fairphone 4 drei Samsung-Geräte (Galaxy A20e, A23 und S21 5G) den höchsten Score von 85 Punkten. Ganz unten in der Liste steht das Xiaomi Redmi 9A mit gerade einmal 35 Punkten.

*Boris Boden leitet die Testredaktion für die Zeitschriften Telecom Handel und com!, außerdem ist er stellvertretender Chefredakteur der Telecom Handel. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Handy, Smartphones und Tablets. Vor seinem Drang, technische Spielzeuge auszuprobieren, ist kein Gerät sicher.


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