Im Homeoffice entfällt der Plausch mit Kollegen in der Kaffeeküche oder im Flur. Dabei ist der Flurfunk oft viel mehr als nur Smalltalk - nämlich Wissensaustausch. [...]
Julia Schmidt war vergangene Woche endlich mal wieder im Büro: „Kolleginnen treffen, ohne sich explizit verabreden zu müssen; ein kurzes Gespräch beim Kaffee oder schnell nach nebenan gehen, um zu fragen, wie es beim Kunden XY gerade läuft – herrlich“, fasst die Key-Account-Managerin zusammen, was sie im Homeoffice vermisst. Von vielen Führungskräften als „unproduktive Zeit“ verurteilt, ist das Plaudern mit Kollegen im Büro aber viel mehr als Klatsch und Tratsch: Ein großer Teil des Austauschs fällt nämlich in die Kategorie des informellen Lernens.
Informelles Lernen: Das Gegenteil von unproduktiv
„Beim informellen Lernen erhalten Lernende eine Information genau dann, wenn sie diese benötigen“, erklärt Nick Petch, Head of Learning Experience bei imc, einem Anbieter für digitale Trainingslösungen. „Beim formalen Lernen hingegen wird ein vorher definierter Inhalt zu einem bestimmten Zeitpunkt erlernt. Egal, ob das Wissen gerade gebraucht wird oder nicht“, erläutert der Bildungsexperte weiter. Die informelle Art, sich Wissen zu beschaffen, geschehe zumeist, ohne dass wir uns dessen bewusst sind.
„In der Praxis lernen wir ständig informell, wenn wir beispielsweise googlen, in Wikipedia nachlesen oder eben zum Kollegen nach nebenan gehen, um konkret etwas zu erfragen“, so Petch. Weil informell erworbenes Wissen direkt genutzt und verarbeitet wird, kann sich der Mensch diese Informationen oft besser merken als Lernstoff, den wir auf formale Weise – etwa bei einer beruflichen Weiterbildung – einmal gelernt haben.
In vielen Unternehmen fehlt es dem Management noch am nötigen Bewusstsein, wie wichtig ein informeller Austausch sein kann. Stattdessen widmen Personalentwickler ihre gesamte Aufmerksamkeit offiziellen Weiterbildungen. Dass dies nicht immer zielführend ist, zeigen unterschiedliche Studien, beispielsweise des Education Development Center: Fast 70 Prozent der Kompetenzerweiterung im betrieblichen Kontext geschieht durch informelles Lernen, lediglich rund 30 Prozent sind das Ergebnis klassischer Personalentwicklung.
Informell lernen im Homeoffice: 3 Tipps
„Es ist wichtig, eine ausgewogene Mischung aus formalem und informellem Lernen zu finden“, betont Petch. Beides müsse aufeinander aufbauen: „Beim formalen Lernen bekomme ich sozusagen die Werkzeuge an die Hand, beim informellen Lernen kann ich dann aussuchen, welches Werkzeug ich wann und wie nutze.“ Sitzen wir alle im Homeoffice, kommt informelles Lernen häufig zu kurz. Der Experte für digitales Lernen gibt drei Tipps, wie es auch im Homeoffice gelingen kann, von informellem Lernen zu profitieren:
- Informelle Lerninhalte sichtbar machen: Behalten Sie informell erhaltene Informationen, die auch anderen helfen könnten, nicht für sich. Teilen Sie Ihr Wissen in internen Blogs oder Wikis. Eine weitere Möglichkeit sind regelmäßige Feedback-Runden per Webkonferenz, zum Beispiel nach abgeschlossenen Projekten, bei denen die gewonnenen Erkenntnisse miteinander geteilt und für alle festgehalten werden.
- Coaching und Mentoring: Nutzen Sie Möglichkeiten zum regelmäßigen Austausch. Ein (abteilungsübergreifendes) Coaching und Mentoring kann auch online stattfinden. Kontaktieren Sie diejenigen im Unternehmen, die Neuerungen immer als Erste anwenden oder in einem Fachgebiet sehr erfahren sind. Meist freuen sich Kolleginnen und Kollegen, wenn sie als Experten gelten und geben gerne ihre Expertise in einem Telefonat oder Chat weiter.
- Eine offene Lernkultur etablieren: Fehlt es bei Ihrem Arbeitgeber an einer offenen Lernkultur und ist die Weitergabe von Wissen nicht fest im Denken jedes Mitarbeitenden verankert, fällt es schwer, informelles Lernen ins Homeoffice zu transportieren. Gehen Sie dann mit gutem Beispiel voran und teilen Sie neue Informationen mit allen, die davon profitieren könnten. Kontaktieren Sie Kollegen, die ihr Wissen anscheinend wie einen Schatz horten. Regen Sie an, sich regelmäßig virtuell zu treffen, um sich unkompliziert austauschen zu können. Oft verblassen anfängliche Vorbehalte mit der Zeit, die manche Personen gegen informelle Wissensvermittlung haben, und es gelingt nach und nach, eine offene Lernkultur zu etablieren.
*Silke Blumenröder: Freie Journalistin und Kommunikationsberaterin aus Frankfurt.
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