So steht es um die KI-Reife in Behörden

Immer mehr Regierungen weltweit setzen auf künstliche Intelligenz, um effizienter zu arbeiten und bürgernahe Dienstleistungen zu verbessern. Doch der Weg von der ambitionierten KI-Vision zur tatsächlichen Umsetzung ist steinig – vor allem aufgrund fehlender Datenbasis, so ein aktueller Report des Capgemini Research Institute. ITWelt.at hat sich die Studie angesehen. [...]

Trotz hoher Ambitionen fehlt es in vielen öffentlichen Organisationen an den grundlegenden Voraussetzungen für den erfolgreichen KI-Einsatz. (c) Pexels
Trotz hoher Ambitionen fehlt es in vielen öffentlichen Organisationen an den grundlegenden Voraussetzungen für den erfolgreichen KI-Einsatz. (c) Pexels

Die Studie „Data Foundations for Government – From AI Ambition to Execution“ des Capgemini Research Institute analysiert umfassend den Stand der Daten- und KI-Bereitschaft im öffentlichen Sektor. Grundlage ist eine Befragung von 350 Behörden weltweit, jeweils mit Beteiligung eines IT- und eines Fachbereichsverantwortlichen. Die Untersuchung deckt zentrale Herausforderungen, Fortschritte und Handlungsempfehlungen für den erfolgreichen KI-Einsatz in Regierungen auf.

Regierungen erkennen das Potenzial von KI

Öffentliche Verwaltungen weltweit setzen zunehmend auf KI, um bessere Entscheidungen zu treffen, Prozesse zu automatisieren und bürgerzentrierte Services zu ermöglichen. Besonders generative KI (GenAI), die eigenständig Inhalte wie Texte oder Bilder erzeugen kann, stößt auf großes Interesse. Laut Studie befassen sich 64 Prozent der befragten Behörden bereits mit GenAI, in Bereichen wie Verteidigung (82 Prozent), Gesundheit (75 Prozent) und Sicherheit (70 Prozent) sogar noch intensiver.

Auch agentische KI – also Systeme, die eigenständig Ziele verfolgen, Entscheidungen treffen und sich an veränderte Umgebungen anpassen – rückt in den Fokus: 90 Prozent der Behörden planen laut Umfrage, sich innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre mit dieser Technologie zu befassen.

Große Ambitionen, aber mangelhafte Datenbasis

Trotz der hohen Ambitionen fehlt es in vielen öffentlichen Organisationen an den grundlegenden Voraussetzungen für den erfolgreichen KI-Einsatz. Nur weniger als ein Viertel der befragten Organisationen weist eine hohe Reife in einem der analysierten Bereiche der Datenbereitstellung auf. Besonders kritisch sind laut Studie die Defizite bei der Skalierung der Dateninfrastruktur (nur 10 Prozent sehr reif), der Förderung einer datengetriebenen Kultur (9 Prozent) und beim Aufbau von Daten- und KI-Kompetenzen (7 Prozent).

Ein Drittel der untersuchten Organisationen qualifiziert sich als „Vorreiter“ mit Fortschritten in den beiden zentralen Kategorien der Datenkompetenz: „Data Enablers“ (Technologien und Tools zur Datennutzung) und „Data Behaviors“ (Kultur, Prozesse, Skills). Die Mehrheit – 67 Prozent – bleibt jedoch auf einem oder beiden Feldern zurück.

Verzögerte Fortschritte trotz vorhandener Strategien

In den letzten fünf Jahren wurden zwar Fortschritte erzielt, etwa bei der Einführung von Datenkatalogen oder bei Maßnahmen zur Datenqualität. Dennoch bleibt die Entwicklung in zentralen Feldern unzureichend. So wurden Cloud-Initiativen zur Skalierung von Analysefähigkeiten nur zögerlich vorangetrieben, und die Geschwindigkeit des Datenzugriffs reicht vielfach nicht aus, um datenbasierte Entscheidungen in Echtzeit zu treffen. Auch bei der Schulung von Mitarbeitenden außerhalb von IT-Bereichen bleibt vieles Stückwerk.

Die Studie stellt fest, dass lediglich 12 Prozent der Behörden sich selbst als „sehr reif“ im Bereich der Datenaktivierung einstufen – also darin, Daten tatsächlich für operative und strategische Entscheidungen zu nutzen.

Daten teilen bleibt eine Herausforderung

Effektive Datenvernetzung ist ein Schlüssel zum Erfolg von KI – doch genau hier hapert es. Obwohl alle befragten Behörden Daten-Sharing-Initiativen planen oder umsetzen, sind bislang nur 35 Prozent in der Phase der breiteren Implementierung oder im Regelbetrieb. Vollständig umgesetzt haben solche Programme gerade einmal 8 Prozent.

Besonders regionale und lokale Behörden hinken hinterher: Während 54 Prozent der nationalen Stellen bereits Rollouts betreiben, sind es auf regionaler Ebene nur 28 Prozent und auf kommunaler nur 20 Prozent. Haupthemmnisse für effektives Daten-Sharing sind laut Studie kulturelle Hürden und mangelndes Vertrauen.

Souveränität als zentrales Anliegen

Ein weiterer Faktor, der den KI-Einsatz hemmt, ist das Thema Souveränität. 64 Prozent der Befragten äußern Bedenken hinsichtlich der Datensouveränität, 58 Prozent bezüglich der Cloud und 52 Prozent im Hinblick auf KI-Souveränität. Viele Regierungen wollen die Kontrolle über ihre digitalen Infrastrukturen nicht aus der Hand geben – insbesondere, wenn sensible Bürgerdaten im Spiel sind oder KI-Modelle in ausländischen Rechenzentren gehostet werden.

Laut Studie beeinflussen diese Überlegungen zunehmend die Technologieentscheidungen des öffentlichen Sektors. In Europa etwa fördert die EU-Kommission mit Initiativen wie „EuroStack“ digitale Eigenständigkeit. In Deutschland unterstützt das Zentrum für digitale Souveränität (ZenDiS) Verwaltungen bei der Nutzung von Open-Source-Lösungen.

Hürden bei der Umsetzung von GenAI

Trotz großer Erwartungen sind GenAI-Anwendungen bislang nur vereinzelt in den Produktivbetrieb überführt worden. Nur 21 Prozent der befragten Organisationen haben erste Pilotprojekte umgesetzt, lediglich 6 Prozent nutzen GenAI produktiv. Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Datensicherheit: 79 Prozent der Befragten nennen Datenschutzbedenken als zentrales Hindernis.
  • Vertrauensfragen: 74 Prozent misstrauen der Qualität von KI-generierten Inhalten.
  • Souveränitätsanforderungen: 71 Prozent sorgen sich um Compliance mit Datenlokalisierungsgesetzen.
  • Budgetbeschränkungen: Rund zwei Drittel der Behörden kämpfen mit knappen Mitteln für GenAI-Projekte.
  • Ethik und Fairness: 58 Prozent befürchten Verzerrungen oder Missbrauch von KI-Systemen.

Empfehlungen: Vom Ziel zur Umsetzung

Um die Lücke zwischen KI-Ambitionen und der Realität zu schließen, empfiehlt Capgemini einen ganzheitlichen Ansatz, der Menschen, Prozesse und Technologie umfasst. Zu den zentralen Maßnahmen zählen:

  1. Bürgerzentrierung fördern: Daten- und KI-Initiativen sollten sich an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Beschäftigten orientieren. Dazu gehören eine klare Vision, starke Führung, datengetriebene Kultur und gezielte Schulung – insbesondere außerhalb der IT.
  2. Prozesse transformieren: Daten-Governance und verantwortungsvolle KI-Praktiken sind ebenso wichtig wie die schrittweise Modernisierung der Datenlandschaft. Die Einführung robuster, interoperabler Infrastrukturen unterstützt zudem die sichere Datenvernetzung.
  3. Technologieplattformen stärken: Eine leistungsfähige, cloudbasierte Dateninfrastruktur gilt als essenziell. Sie ermöglicht skalierbare Analysefunktionen, schnellen Datenzugriff und die Einhaltung von Souveränitätsanforderungen.
  4. Umweltaspekte berücksichtigen: Nachhaltigkeit sollte in allen Phasen der KI-Entwicklung – von der Hardware über die Modellarchitektur bis zur Energieversorgung von Rechenzentren – mitgedacht werden.

Rollenprofile entwickeln: CDO und CAIO auf dem Vormarsch

Mehr als 60 Prozent der Behörden haben inzwischen eine:n Chief Data Officer (CDO) ernannt, weitere 24 Prozent planen dies. Auch der Chief AI Officer (CAIO) gewinnt an Bedeutung: 27 Prozent der Organisationen haben diese Funktion bereits besetzt, 41 Prozent beabsichtigen dies. Wichtig sei dabei jedoch, so die Studienautor:innen, dass diesen Rollen auch ausreichend Budget, Entscheidungsbefugnis und ein klarer Auftrag zugestanden wird.

Das Fazit der ITWelt-Redaktion

Die Studie des Capgemini Research Institute macht deutlich, dass der öffentliche Sektor das Potenzial von KI erkannt hat – die Umsetzung jedoch noch am Fundament scheitert. Der Aufbau robuster Datenstrukturen, die Förderung einer datengetriebenen Kultur und das Lösen von Souveränitätsfragen sind zentrale Voraussetzungen, um den Schritt von der Strategie zur Wirkung zu schaffen. Ohne verlässliche Daten wird KI in Behörden keine Wirkung entfalten können. Es ist jetzt an der Zeit, die Grundlagen zu schaffen.

Die Studie kann hier heruntergeladen werden.


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