„Social Travelling“ lehrt Hotels das Fürchten

Im Internet eine Übernachtungsmöglichkeit ergattern, wo sonst die Einheimischen wohnen: Das Grundprinzip des "Sozialen Reisens" ist nicht neu. Online-Portale wie Couchsurfing oder Hospitality Club ermutigen seit Jahren Mieter und Eigentümer von privaten Wohnungen, Gästen aus aller Welt die Tür zu öffnen und die Gästecouch freizuräumen. [...]

Doch mittlerweile haben sich auch im deutschen Sprachraum professionelle Mietportale etabliert, die Hotels und Pensionen Konkurrenz machen. Weltweiter Marktführer unter diesen Vermittlungsportalen ist Airbnb. Das US-Unternehmen, das im Oktober 2007 im kalifornischen Silicon Valley gegründet wurde, hat nach eigenen Angaben 200.000 Übernachtungsmöglichkeiten in 190 Ländern im Angebot. In Deutschland zum Beispiel trifft Airbnb allerdings auf zwei rege Wettbewerber, nämlich Wimdu.de aus der Firmengruppe der Samwer-Brüder und 9flats.com, das sogar einige Monate vor den Amerikanern mit einem deutschen Portal online ging. Hinter 9flats steht der Hamburger Unternehmer Stephan Uhrenbacher, der sich zuvor mit der Gründung des Empfehlungsportals Qype einen Namen gemacht hat.
Wie viele Übernachtungen das Trio Airbnb, Wimdu und 9flats in Deutschland bisher vermittelt hat, kann man keiner statistischen Erhebung entnehmen. Und die Unternehmen behandeln diese Zahlen als Geschäftsgeheimnis. Der Hotellerie-Branchenverband Dehoga geht davon aus, dass in Deutschland rund ein Viertel der insgesamt 370 Millionen Übernachtungen in professionell vermarkteten Ferienwohnungen und Privatappartements stattfindet. Davon läuft aber nur ein Teil über die Vermittlungsportale.
BERLIN IM SPITZENFELD
Allein in Berlin werden nach Dehoga-Schätzungen 50.000 Betten privat angeboten, die jährlich von drei Millionen Touristen genutzt werden. Bei Airbnb spielt die deutsche Hauptstadt inzwischen auch international in der Spitzenliga. New York steht mit 12.000 Gastgebern an der Spitze. Berlin liegt mit 4.000 Listen-Einträgen hinter London (6.800) und Paris (6.500), aber deutlich vor München (1.500).
In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa schätzt Airbnb-Chef Brian Chesky den Markt als „sehr, sehr groß“ ein. „Ich würde sogar sagen, es ist der größte Markt, von dem noch niemand gehört hat. Allein die Vermietung von Zweitwohnungen macht 100 Mrd. Dollar (78,9 Mrd. Euro) weltweit aus – das ist mehr als die ganze Musikindustrie. Und bei uns vermieten im Moment 90 Prozent der Leute noch ihren Erstwohnsitz.“
Ähnlich optimistisch zeigt sich auch Wimdu-Gründer Arne Bleckwenn: „Wer das einmal ausprobiert hat, der wird nicht mehr zu einem gewöhnlichen Hotelzimmer zurückkehren.“ Vor Wimdu.de habe er schon drei Startup-Unternehmen aus der Taufe gehoben. „Bei keinem Projekt war das Wachstum so groß“, sagte Bleckwenn. Sein Unternehmen, das mit insgesamt rund 90 Mio. Euro Wagniskapital finanziert ist, habe bisher 50.000 Unterkünfte aktiv im Programm und werde in diesem Jahr mit einer Million Gäste vermutlich einen Umsatz von über 100 Mio. Euro erzielen.
Mit etwas weniger Startkapital muss 9flats auskommen. Aber auch hier geht es um eine große Summe: Zuletzt steckte T-Venture, die Investment-Einheit der Deutschen Telekom, im Jänner einen zweistelligen Millionenbetrag in das Unternehmen. 9flats setzte das Geld so geschickt in TV-Spots und andere Werbeformen ein, dass die Firma als „gefühlter Marktführer“ in Deutschland erschien. „Wir haben bis heute eine dreimal höhere Markenbekanntheit als Airbnb“, betont Uhrenbacher. In seiner Analyse des Hotelmarktes in Deutschland 2012 ärgert sich der Branchenverband Dehoga: „Viele der (bei 9flats) offerierten Apartments sehen fast danach aus, als seien sie eigens für die Vermietung eingerichtet worden.“
Vor diesem Hintergrund macht sich 9flats-Chef Stephan Uhrenbacher auch weniger Gedanken um die Konkurrenz durch Airbnb oder Wimdu.de, sondern um die „Kampagne der Hotel-Lobby gegen die angebliche „Schwarz-Hotellerie““. „In Hamburg werden beispielsweise Verordnungen gegen die Prostitution in „Modell-Wohnungen“ missbraucht, um die Vermittlung von privaten Wohnungen an Touristen oder Geschäftsreisende zu behindern, sagte Uhrenbacher der dpa. Auch in Berlin werde zum Teil mit fadenscheinigen Begründungen gegen private Vermieter vorgegangen. „Das erzeugt viel unnötige Unsicherheit.“
Der Dehoga beharrt dagegen darauf, in einem großen Teil der Übernachtungsangebote würden gültige Sicherheits- und Hygienestandards nicht eingehalten. Feuerlöscher und Fluchtwegepläne, die für Hotels vorgeschrieben seien, würden komplett fehlen. Uhrenbacher vermutet hinter diesen Beschwerden lediglich den Versuch, ein Konkurrenz-Konzept zu unterbinden. Und auch Wimdu-Chef Bleckwenn sieht in der Branchen-Beschwerde die Absicht, „mit Regularien Innovationen einzuschränken“. „Durch die harten Bewertungen gibt es kein Sauberkeits- oder Sicherheitsproblem.“ Bleckwenn geht davon aus, dass die rechtlichen Unsicherheiten mittelfristig verschwinden werden: „In fünf Jahren wird es ein Rahmengerüst geben, an dem sich alle orientieren können.“ (apa)

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