Sony Xperia 1 IV im Test

Sony macht, was Sony meistens macht: Trends ignorieren und etwas Eigenes durchziehen. Zumindest größtenteils. [...]

(Quelle: Sony)

Mit dem Xperia 1 IV bringt Sony ein neues Spitzenmodell, das so ziemlich alle Nutzer abholen möchte. Besonders scheint Sony aber auf Kreativschaffende zu zielen. Das Xperia 1 IV ist vollbepackt mit professionellen und semiprofessionellen Funktionen aus verschiedensten Richtungen und ist damit eines der komplettesten Smartphones auf dem Markt. Für den stattlichen Preis von rund 1300 Euro erhält man ein wahres Arbeitstier mit nur wenigen Minuspunkten.

Design/Handhabung

Äußerlich hat Sony nicht viel verändert. Das Xperia 1 IV kommt ähnlich daher wie das Vorgängermodell. Neu ist vor allem die neuste Generation Gorilla-Glas auf der Front und auf der Rückseite. Wobei letztere angenehm mattiert ist. Auch sonst ist das Xperia 1 IV ein Smartphone fürs Understatement. Das Gerät ist elegant, simpel und nicht besonders auffällig. Besonders die schwarze und weiße Ausführung geben sich zurückhaltend, während die dunkelviolette Option am ehesten etwas Flair mitbringt.

Am auffälligsten ist noch die Form des Xperia 1 IV. Im Vergleich zu den meisten anderen Smartphones auf dem Markt ist das Xperia deutlich dünner, dafür etwas länger. Das führt dazu, dass das Gerät sehr gut in der Hand liegt, auch bei kleineren Händen.

Allerdings wird es fast unmöglich, Bedienelemente am oberen Rand einhändig zu verwenden. Fairerweise muss man sagen, dass das bei praktisch allen modernen Smartphones so ist. Sony verzichtet dabei übrigens auf ein randloses Design und lässt am oberen und unteren Rand Platz für die Selfie-Kamera und ein Set Stereo-Lautsprecher. Das heißt auch: kein Notch.

Ein weiteres beliebtes Feature ist der Fingerabdrucksensor auf der Seite des Smartphones. Dieser ist bei Sony schon seit Jahren Standard, bei anderen Herstellern aber nicht mehr so üblich. Normalerweise funktionieren die seitlichen Sensoren ausgesprochen gut.

Bei unserem Testgerät konnte der Sensor allerdings nicht restlos überzeugen und funktionierte in vielen Fällen nicht richtig. Eine wahre Freude ist hingegen das haptische Feedback des Xperia 1 IV. Dieses ist gut eingesetzt (nicht zu oft) und bietet angenehmes Feedback, ohne allzu stark aufzufallen.

Display/Ausstattung/Lieferumfang

Quelle: PCtipp.ch

Das ungewöhnliche Format des Xperia 1 IV ist nicht zufällig, sondern hängt mit mehreren Funktionen zusammen, die Sony im Xperia 1 IV verbaut. Allem voran dem Display. Statt der üblichen 16:9- und 18:9-Seitenverhältnisse, verwendet Sony ein breiteres 21:9, was einem verbreiteten Kino-Standard entspricht. Das Seitenverhältnis ist aber nicht nur für Kinofilme da.

Diese kann man zwar tatsächlich bildschirmfüllend auf dem Xperia 1 IV ansehen, allerdings ist das eher nebensächlich. Praktischer ist das breitere (oder höhere) Display aber mehr für Multitasking und die komplexe Profi-Kamera-App. Dazu später aber mehr. Mit einer Bildschirmdiagonale von 6,5 Zoll liegt das Xperia 1 IV etwa in den üblichen Gefilden der High-End-Smartphones.

Speziell ist hingegen die Auflösung. In den allermeisten Fällen läuft das Smartphone mit 1096 × 2560, um Batterie zu sparen. Nur in speziellen Apps wird das Display auf 1644 × 3840 geboostet. Mit einer Einstellung kann diese Auflösung auch Standard gemacht werden. Dann wird nur dann gedrosselt, wenn das Gerät überhitzt oder die offene App nichts mit der höheren Auflösung anfangen kann. Beispielsweise in der Kamera-App.

Punkten kann Sony vor allem bei der Ausstattung. Das Xperia 1 IV bietet einige Features, die bei der Konkurrenz schon lange passé sind. So dürfen sich Audiophile über einen 3,5-mm-Klinkenstecker und ausgezeichnete Lautsprecher freuen (Stereo auf der Vorderseite).

Auch ein leicht erreichbarer Schacht für SIM und eine microSD-Karte ist verbaut. Und zuletzt gibt sich Sony seinem Kamera-Business nahe und bringt einen Stufenauslöser an der Seite des Geräts an. Damit kann man fokussieren und fotografieren, wie man es sich von der regulären Kamera gewohnt ist. Mit all diesen Dingen geht Sony eher gegen den Minimalismus-Trend moderner Smartphones.

Einen dieser Trends konnten sich die Japaner aber doch nicht verkneifen: Dem 1300-Euro-Smartphone ist kein Ladegerät beigelegt. Sony geht hier sogar noch weiter als die Konkurrenten und liefert nicht einmal ein Kabel mit.

Beim Kauf gibt es eine dünne Kartonschachtel mit ein paar Anleitungen und dem Smartphone. Alles andere muss man separat dazukaufen. Wie andere Hersteller begründet Sony das mit ökologischen Argumenten, wobei es sich wohl um eine strategische Verwechslung von Ökologie und Ökonomie handeln dürfte.

Software/Leistung

Quelle: PCtipp.ch

Auf dem Xperia 1 IV kommt Android 12 zum Einsatz, wobei Sony die Oberfläche zwar angepasst, aber nicht massiv verändert hat. Funktional gesehen, ist alles etwa wie von Google ursprünglich geplant. Sony hat allerdings einige kleinere Features hinzugefügt.

So gibt es beispielsweise ein seitlich angebrachtes Menü. Tippt man den rechten Rand des Displays in der Mitte doppelt an, öffnet sich ein Multitasking-Menü mit zwei Reitern. Je nach Reiter kann man hier zwei Apps entweder übereinander oder nebeneinander anzeigen lassen. Zusammen mit dem langgezogenen Display ist das durchaus praktisch.

Sony bietet auch einige eigene Apps, die den Funktionsumfang des Xperia 1 IV von der Konkurrenz abheben. So verwendet Sony unter anderem verschiedene Foto- und Film-Apps für verschiedene Bedürfnisse. Vier spezifische Apps sollen vor allem Content-Ersteller anlocken: Music Pro, Video Pro, Photography Pro und Cinema Pro.

Music Pro ist eine Aufnahme-App, in der Musiker einfache Projekte mit dem Smartphone aufnehmen und bearbeiten können. In der Basisversion bietet es einen einfachen Multitrack-Editor, praktisch für Demos und spontane Aufnahmen. Sony bietet zudem ein Abo an, mit dem Aufnahmen per KI in der Cloud verarbeitet werden können.

Dabei soll es möglich sein, den Klang ausgewählter Sony-Kondensatormikrofonen zu emulieren und störenden Hall zu entfernen. Sonys Werbeversprechen von «Aufnahmen in professioneller Studioqualität» dürfte dabei gemeint sein. Allerdings ist das auch nicht nötig. Für Demos und einfache Aufnahmen reicht das eingebaute, sehr gute Mikrofon des Xperia 1 IV bereits aus. Komplexere Projekte funktionieren besser auf einem PC oder Mac, nicht nur wegen den Mikrofonen, sondern viel mehr wegen dem größeren Bildschirm.

Video Pro und Cinema Pro dienen als umfangreiche Video-Apps. Während Video Pro vor allem reguläres Filmen abdeckt, will Cinema Pro vor allem Filmemacher abholen. Die App filmt ausschließlich im 21:9-Format, kann dafür aber höhere Bitraten und Bildraten verwenden als Video Pro. Im Alltag ist Video Pro die einfachere Lösung, wobei auch diese App sehr viel kann. Die Steuerung orientiert sich an bekannten Sony-Camcordern, mitsamt geschmeidigem Zoom und manuellem Fokus.

Wer nur eine App für Fotos und Videos verwenden möchte, kann auch Photography Pro verwenden. Diese App dient als Standard-Kamera-App für das Xperia 1 IV und funktioniert im Basis-Modus wie eine gewöhnliche Kamera-App. Sie bietet lediglich seitlich etwas mehr Platz für Bedienelemente, wiederum wegen des breiteren Displays.

Schaltet man die App jedoch in einen der erweiterten Modi, bekommt man viel mehr Kontrolle über die Kamera. Neben einer Automatik gibt es dort auch die von der Digitalkamera her bekannten PSAM-Modi, mit denen die Kamera mit mehr oder weniger manueller Steuerung bedient werden kann. Der freie Platz am rechten, respektive unteren Rand, dient dann der Kontrolle der Kamera.

Ausgelöst wird hier nur noch über den physischen Knopf am Rand des Geräts. Für alle, die sich bereits eine Sony-Kamera gewöhnt sind: willkommen zu Hause. Für alle anderen: willkommen in der wundersamen Welt der Sony-Kameramenüs.

Wir glauben Sony gerne, dass sie sich dabei etwas überlegt haben, wir kommen nur nicht drauf, was es ist. Wahrscheinlich ist es sowas wie Bärlauch. Die einen lieben es sofort, die anderen finden kein Verständnis dafür.

In Sachen Leistung bietet das Xperia 1 IV ziemlich genau, was man davon erwarten kann. Und zwar praktisch die identische Leistung aller Smartphones, die den Snapdragon 8 Gen 1 verwenden.

Das heißt: Das Xperia 1 IV kommt mit allen Aufgaben des Alltags problemlos zurecht. Für Gamer verwendet Sony einen speziellen Gaming-Booster, der die Leistung in Games zusätzlich verbessern kann. Dabei besonders praktisch: Bei eingestecktem Smartphone verwendet das Xperia 1 IV die Stromzufuhr direkt, anstatt die Batterie zu laden. Das verhindert unnötiges Überhitzen.

Wobei Überhitzen durchaus als Problemzone des Xperia 1 IV bezeichnet werden darf. Das Smartphone überhitzt vergleichsweise schnell und passt schon nach wenigen Minuten Belastung die CPU-Leistung an. Noch auffälliger: Sobald das 1 IV zu heiß wird, reduziert sich die Bildwiederholrate von 120 auf 60 Hz. In unserem Test drosselte das Xperia 1 IV bereits nach weniger als zwei Minuten Vollbelastung auf rund 75 % der Maximalleistung.

Beim Akku hat Sony zugelegt. Neu kommt im Xperia 1 IV eine 5000-mAh-Batterie zum Einsatz. Damit schließt Sony zu den anderen High-End-Herstellern auf, welche die gleiche Batteriegröße verbauen. Batterieprobleme sollte das Xperia 1 IV damit nicht haben. Während unserer Testzeit hielt das Xperia 1 IV jeweils problemlos einen ganzen Tag durch, auch bei starker Nutzung. Mit eher gemächlichem Gebrauch schafft man auch zwei Tage.

Grundsätzlich wird das Xperia 1 IV in zwei Speichervarianten gebaut: 512 GB und 256 GB mit je 12 GB RAM. In der Schweiz ist aktuell aber nur die Variante mit 256 GB gelistet, wenn auch zum Preis, der international für die 512-GB-Ausführung gedacht ist. Wir hoffen, dass sich das noch ein wenig nach unten korrigiert.

Kamera/Foto/Video

Quelle: PCtipp.ch

Als Kamerahersteller ergibt es Sinn, dass Sony einen großen Teil des Fokus auf die Fotografie und Videografie legt. Beim Spitzengerät lässt es sich Sony auch nicht nehmen, etwas zu klotzen. Das Xperia 1 IV kommt mit einer verbesserten Selfiekamera und einer vierfachen Hauptkamera mit Zeiss-Optik daher. Speziell dabei: Die Telefoto-Kamera bietet fließenden optischen Zoom.

Die drei Hauptkameras, die für die Fotografie zuständig sind, liefern alle 12 Megapixel. Da wäre der Standard-Weitwinkel mit 24 mm ƒ/1.7, ein Ultraweitwinkel mit 16 mm ƒ/2.2 und ein Tele mit 85–125 mm ƒ/2.3-2.8. Das vierte Kameramodul ist ein TOF-Sensor, der Tiefendaten verarbeitet. Die Selfiekamera wurde von den bisherigen Xperia-1-Geräten endlich aktualisiert und liefert neu auch 12 Mpx bei 24 mm und ƒ/2.0.

Wie bei anderen Smartphones gelingen die besten Fotos mit dem Standardobjektiv. Hier überzeugt Sony mit natürlichen Farben und einer starken dynamischen Reichweite, ohne unrealistisch zu werden. Der Detailgrad der Aufnahmen ist ausgezeichnet und kann mit den Besten mithalten.

Der Super-Weitwinkel leidet an Verzerrungen, die aber auch bei anderen Herstellern nicht besser sind. Etwas enttäuschend ist das Tele. Zwar ist der durchgehende Zoom spannend und im Alltag praktisch, allerdings kann die Bildqualität dieses Kameramoduls nicht wirklich überzeugen. Auf allen Zoomstufen sind die Bilder eher weich – und dass ausgerechnet beim Teleobjektiv der optische Bildstabilisator fehlt, ist mehr als merkwürdig.

Eine wahre Freude ist dafür die Kamera-App. Der Basis-Modus ist einfach genug für Anfänger und für Alltagsbilder. Wenn man aber ein wenig Zeit und Muße hat, kann man mit den manuellen Modi ganz einfach richtig kreativ werden, alles in der gleichen App.

Sony lehnt sich hier stark an das Kamera-Erlebnis einer Digitalkamera an. Das heisst auch, dass es kaum spezielle Kamera-Modi gibt. Wer sein Essen für Instagram toll aussehen lassen will, muss selbst wissen, wie das klappt.

Die größte Absenz unter diesen Spezialmodi ist der Nachtmodus. Das heißt aber nicht, dass Sony im Dunkeln keine Fotos schießen kann. Allerdings ist der Nachtmodus nicht spezifisch separiert. Bei langen Belichtungszeiten greift die Kamera-App einfach automatisch auf die benötigten Werkzeuge zu.

Videoaufnahmen gelingen mit dem Xperia 1 IV ebenfalls ausgezeichnet. Sony bietet hierfür die zwei bereits erwähnten Video-Apps oder die Standard-Kamera-App an. Dass es dafür drei Apps braucht, ist nicht besonders praktisch, aber auch nicht schlimm. Lieber drei gute Video-Apps als eine schlechte. Qualitativ sind es die gleichen Stärken und Schwächen wie bei der Fotokamera: Die Standardkamera ist ausgezeichnet, der Superweitwinkel etwas schwächer und das Tele eher enttäuschend.

Fazit

Das Xperia 1 IV von Sony will viel und liefert auch viel. Mit starker Hardware, einem angenehm unauffälligen Design und beliebten Features wie einem Audiosteckplatz und erweiterbarem Speicher, macht Sony laut und deutlich auf sich aufmerksam. Besonders stark ist das Xperia 1 IV im Bereich Foto und Video, wo es mit umfangreichen Apps und starker Qualität heraussticht.

*Luca Diggelmann ist Autor bei PCtipp.ch.


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