Derzeit werden geschätzte 7.000 verschiedene Sprachen auf der Welt gesprochen, aber nur weniger als fünf Prozent davon sind auch online in Gebrauch. [...]
Zu diesem Ergebnis kommt die in der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlichte Studie „Digital Language Death“ des Linguisten András Kornai, die ein ein Massensterben bedrohter Sprachen durch das Internet prophezeit.
„Es ist denkbar, aber so pauschal lässt sich das nicht sagen. Dass nicht alle Sprachen im Internet verwendet werden, mag ein Anzeichen ihres Aussterbens sein, aber nicht der Grund. Der liegt oftmals in einer negativen Stigmatisierung alter Sprachen, die früher einen niedrigeren Status andeuteten. Englisch hingegen ist dominant und bringt Vorteile für den Sprecher“, so Aaron Griffith, Sprachwissenschaftler an der Universität Wien, gegenüber der Nachrichtenagentur pressetext. Viele bedrohte Sprachen würden dort gesprochen, wo es keinen Webzugang gäbe.
Um zu messen, wie viele der gesprochenen Sprachen auch im Web verwendet werden, entwickelte Kornai ein Programm, das Top-Level-Domains durchsucht und die Anzahl der Worte in jeder Sprache verzeichnet. Auf ihren Sprachgebrauch hin analysiert, wurden außerdem Wikipedia-Seiten, Betriebssysteme und Programme zur Rechtschreibüberprüfung. Die Analyse dabei hat ergeben, dass vor allem junge User bereits zu verfallen beginnende Sprachen nicht in die Online-Welt und somit ins digitale Zeitalter mitnehmen.
Um jenem Sprachensterben entgegenzuwirken, hat die Alliance for Linguistic Diversity (ALD) eine gewaltige Crowd-Sourced-Enzyklopädie der gefährdeten Sprachen ins Leben gerufen, die Bespieltexte exotischer Sprachen bietet, wie Nganasan – gesprochen von etwa 500 Personen in Russland – oder Maxakali, das rund 800 Sprecher in Brasilien hat. Wikipedias „Inkubator“ ermutigt Hobbyschreiber dazu, Projekte in sehr alten oder wenig vertretenen Sprachen zu entwickeln. Leider garantieren solche Nachschlagewerke nicht, dass die gefährdeten Sprachen im Endeffekt auch im Web etwa bei Google nutzbar sind.
„Das Internet kann gut dafür verwendet werden, an neuen Sprachen interessierte Leute miteinander zu vernetzen. Aber es kann nur eine Hilfe darstellen, wenn bereits ein gewisses Interesse vorhanden ist“, erklärt der Linguist Griffith im Gespräch mit pressetext. Etwa 2.500 der geschätzten 7.000 Sprachen weltweit sind laut ALD vom Aussterben bedroht.
Der Sprachentod erfolgt etappenweise: Zuerst wird die Sprache in praktischen Bereichen, wie etwa dem Handel, nicht mehr von ihren Sprechern verwendet. Danach verlieren die Jungen das Interesse an jener Sprache und schlussendlich vergisst die jüngere Generation die Sprache vollkommen. Technisch gesehen ist eine Sprache jedoch am Leben, solange sie von mindestens einer Person gesprochen wird, weshalb die Zeitspanne vom Verfall zum tatsächlichen Tod der Sprache meistens eine lange ist. (pte)
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