Das US-Startup Boundless bietet Studenten kostenlose Alternativen zu überteuerten Lehrbüchern, wie Technology Review berichtet. Die Internet-Plattform erstellt auf Wunsch zu jedem Fachgebiet ein elektronisches Buch aus öffentlich zugänglichen Internet-Quellen wie Wikipedia. [...]
Die Internetseite erfreut sich so großer Beliebtheit, dass einige Lehrbuch-Verlage jetzt Klagen gegen Boundless eingereicht haben. Die Vorwürfe reichen von Urheberrechtsverletzungen über irreführende Werbebotschaften bis zu Wettbewerbsverzerrung.
Ein durchschnittlicher US-Student gibt pro Jahr rund 1.200 Dollar für Lehrbücher aus. Seit den 1980er-Jahren sind die Preise ungefähr dreimal so schnell gestiegen wie die Inflation in den USA. Für Studenten entsteht dadurch eine enorme finanzielle Zusatzbelastung. Boundless-Gründer Ariel Diaz will das ändern. Sein Unternehmen bietet Gratis-Unterrichtsmaterialien. Geld verdienen will der Entrepreneur in Zukunft mit dem Anbieten von Premium-Diensten wie Nachhilfe, genaue Pläne hat Diaz aber noch nicht bekanntgegeben.
„In Europa sind die Preise, die in den USA für Lehrbücher bezahlt werden, unvorstellbar. Ich bin immer wieder entsetzt von den Preisen, die dort teilweise verlangt werden. Das hängt auch mit dem Hochschulsystem zusammen. Bei uns ist Open-Source im Bereich Lehrbücher noch kein großes Thema“, sagt Michael Kernstock, Obmann des Fachverbands für Buch- und Medienwirtschaft der Österreichischen Wirtschaftskammer, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur pressetext.
Das bestehende System wird von Kritikern als kartellähnlich bezeichnet. Studenten würden derzeit genötigt, bestimmte Bücher zu enorm hohen Preisen zu erwerben, sagt etwa Uniprofessor Mark Perry gegenüber der Technology Review. US-Bildungsstaatssekretär Arne Duncan sagte im Oktober, dass die sechs Milliarden Dollar schwere Lehrbuchindustrie obsolet gemacht werden solle. Die Lehrbuchverlage wollen ihr Geschäftsmodell beschützen und haben den neuen Konkurrenten deshalb bereits im April mit Klagen eingedeckt. Diaz bezeichnet sämtliche Vorwürfe der Verleger als haltlos.
Seine Firma bediene sich lediglich frei zugänglicher Information und biete auch keine Bücher zum Verkauf an. Mittlerweile haben sich Studenten von mehr als 1.000 Bildungseinrichtungen bei Boundless angemeldet. Die Qualität der Lehrbücher wird überwiegend positiv bewertet. Der Aufbau der Texte orientiert sich oft an den jeweiligen Standardwerken in dem betreffenden Fach. Boundless beschäftigt einige Mitarbeiter, die öffentlich zugängliche Inhalte bei Wikipedia, auf Regierungsseiten oder bei Connextions, einem Portal für akademische Open-Source-Inhalte aufspüren.
„Im universitären Bereich ist prinzipiell alles möglich, solange die Rechte gewahrt bleiben. Am Ende müssen die Studenten selber die Qualität der Information beutteilen“, so Kernstock.
Die Daten werden dann in ein Content-Management-System eingepflegt, damit sie später für andere Texte wiederverwendet werden können. Im Februar hat Boundless acht Mio. Dollar an Kapital eingesammelt, mit dem der weitere Aufbau der Plattform finanziert wird. Frühere Projekte für Open-Source-Textbücher sind oft daran gescheitert, dass Professoren an Universitäten auf bestimmte Lehrbücher setzen und nicht offen für Alternativen sind, da sie sonst ihre Unterrichtsmaterialien überarbeiten müssten. Projekte wie Boundless machen Verlage aber nervös und bringen Bewegung in den Markt. (pte)
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