Unternehmensdaten sollen bis 2024 ein Volumen erreichen, das nur mit Quantencomputern bewältigt werden kann. [...]
Europa ist das globale Gravitationszentrum für Unternehmensdaten und übertrifft sogar Nordamerika. Das geht aus einer neuen Studie hervor, die heute von Digital Realty veröffentlicht wurde.
Die Studie fällt in eine Zeit, in der sich die Welt auf das Wachstum vorbereitet, das für die vierte industrielle Revolution (Industrie 4.0) prognostiziert wird. Jüngsten Untersuchungen von McKinsey und dem Weltwirtschaftsforum1 zufolge hat Industrie 4.0 das Potenzial, bis 2025 einen Wert von 3,7 Billionen USD zu erreichen. Die sich beschleunigende digitale Transformation sowie die Stellung als eines der weltweit wichtigsten Zentren für Unternehmensdaten bringt Europa in eine starke Position, um von diesem Wachstum profitieren zu können.
Der von Digital Realty veröffentlichte Data Gravity Index DGx misst die Erstellung, Aggregation und den privaten Austausch von Unternehmensdaten in 21 Metropolregionen. Die Ergebnisse zeigen, dass Regionen mit starker globaler Vernetzung und einer Vielzahl an datenbasierten Branchen, wie beispielsweise einer florierenden Technologieszene oder einem bedeutenden Finanzdienstleistungssektor, so viele Unternehmensdaten generieren, dass sie einen „Data Gravity“-Effekt erzeugen. Dieser wiederum zieht exponentiell mehr Daten in die jeweilige Region.
Die Vormachtstellung Europas in vielen wissensbasierten Branchen, wie zum Beispiel den Finanzdienstleistungen und der Fertigung komplexer Güter, resultiert in der Erzeugung riesiger Mengen an Unternehmensdaten. Dazu kommen die aufstrebenden, datengesteuerten Industrien in Europa. Beides führt dazu, dass sich die Region zu einem globalen „Unternehmensdaten-Gravitationszentrum“ entwickelt hat. Der Studie zufolge ist die Menge der Unternehmensdaten, die in europäischen Städten erstellt, aggregiert und zwischen ihnen ausgetauscht wird, weltweit am größten – und liegt sogar noch vor Nordamerika. Es wird außerdem erwartet, dass Europa seinen Vorsprung bis 2024 weiter ausbauen wird.
Dave McCrory, der den Begriff Data Gravity 2010 prägte und die Forschung zum Data Gravity Index DGx leitete, erklärt: „Wir konnten beobachten, dass Data Gravity nicht nur Daten anzieht, sondern auch dazu führt, dass sowohl Daten als auch Dienste, die darauf angewiesen sind, exponentiell schwieriger zu bewegen sind. Das verhilft Städten mit einem besonderen Branchenschwerpunkt, wie dem Finanzdienstleistungssektor in London oder dem Fertigungssektor für komplexe Güter in Frankfurt, zu einem enormen Vorteil. Naturgemäß ziehen diese Städte Unternehmen mit ähnlichen Daten und Services an, während es für andere Betriebe immer herausfordernder wird, ähnliche Geschäftsmöglichkeiten anderweitig aufzubauen. Für Unternehmen ist das weniger von Vorteil. Daten sind zu einer wichtigen strategischen Ressource geworden. Zu viel davon bedeutet, dass sie wegen der Data Gravity schwerer zu nutzen und unmöglich zu bewegen sind, zumal wenn ständig neue geschaffen und angezogen werden.“
Europas Datenvorsprung
London ist derzeit das weltweit leistungsstärkste Zentrum für Unternehmensdaten. Es übertrifft mit einem Data-Gravity-Score von 167,06 sowohl New York (79,61) als auch Tokyo (80,32). Dies lässt sich vor allem auf seine bedeutende und stark vernetzte Finanzdienstleistungsbranche zurückführen. Der durchschnittliche Data-Gravity-Score aller Städte liegt weltweit bei 22,64 und europaweit bei 48,45. Vier weitere europäische Städte nehmen darüber hinaus aktuell Spitzenplätze im Ranking ein: Amsterdam, Dublin, Frankfurt und Paris.
Es ist jedoch nicht nur die Fülle an Unternehmensdaten, die europäische Städte an die Spitze bringt, sondern auch der Datenfluss zwischen ihnen. Laut dem Data Gravity Index DGx verfügt Europa über einige der weltweit am stärksten miteinander vernetzten Städte. Dies wird zweifellos durch die regulatorischen Erleichterungen bei der Abwicklung von Geschäften untereinander sowie die florierenden Finanzzentren der Städte begünstigt. Zu den Städtepaaren gehören London und Amsterdam (Platz 1 im Gesamtranking), Paris und London (Platz 2 im Gesamtranking), Frankfurt und Paris (Platz 5 im Gesamtranking), London und Frankfurt (Platz 6 im Gesamtranking) sowie Dublin und London (Platz 10 im Gesamtranking)
Quantenebenen der Datenvolumina
Trotz der enormen Vorteile, die eine erfolgreiche Datenwirtschaft mit einem starken, offenen Datenaustausch mit anderen Städten mit sich bringt, ist für Unternehmen eine Präsenz in einer Stadt mit großem Data-Gravity-Effekt ein zweifelhafter Segen. Um ihr Geschäft im Zuge der digitalen Transformation umzugestalten, sammeln Unternehmen immer mehr Daten, sind jedoch von deren schieren Menge häufig überwältigt. Die Folge ist, dass diese Datenmassen die digitale Transformation des Unternehmens eher behindern als vorantreiben.
Bis 2024 werden alle Forbes Global 2000-Unternehmen so viele Daten gesammelt haben, dass sie Quantencomputer sowie zusätzliche 8,96 exaFLOPS an Rechenleistung und 15.635 Exabytes an privater Datenspeicherung benötigen, um sie wirkungsvoll nutzen zu können. Im Vergleich: Der für 2021 angekündigte Quantencomputer der Oak Ridge National Labore wird mit nur 1,5 exaFLOPS laufen.
Diese unüberschaubaren Mengen an Unternehmensdaten und die Schwere, die sie verursachen, führen bereits jetzt zu Problemen für Unternehmen, die über die ihrer IT-Abteilungen hinausreichen. Dazu gehören:
- Begrenzte Innovationen: Das Unvermögen, Unternehmensdaten effektiv zu verarbeiten, wird den technologischen Fortschritt bremsen.
- Schlechte Kunden- und Mitarbeitererlebnisse: Die Menge an produzierten Unternehmensdaten führt zu einer ineffektiven Verwaltung und in der Folge zu negativen Kundenerfahrungen.
- Steigende Kosten: Je mehr Unternehmensdaten produziert werden, desto mehr Kapital muss in ihre Erfassung, Verwaltung und Verarbeitung investiert werden.
- Compliance-Probleme: Eine Fülle von Unternehmensdaten wird zu organisatorischen Herausforderungen in Bezug auf die Einhaltung von regulatorischen Vorschriften und Compliance führen.
- Sicherheit: Große Datenmengen bieten externen Akteuren größere Angriffspunkte.
Munu Gandhi, Vizepräsident der Core Infrastructure Services bei AON, einem in London ansässigen Unternehmen aus dem Versicherungswesen und Risikomanagement, bezeichnet das Verständnis für Data Gravity – und deren Einfluss auf andere Makrofaktoren, wie zum Beispiel die Unternehmensdatenverwaltung sowie Weiterentwicklung der Vorschriften – als Megatrend, mit dem sich globale Unternehmen allmählich auseinandersetzen müssen.
„Das Verständnis von Data Gravity und ihren Auswirkungen auf unsere IT-Infrastruktur sind entscheidend für unseren Geschäftsbetrieb. Auch in Zukunft wird das immer wichtiger, weil Daten die Währung der digitalen Wirtschaft bleiben werden“, sagt Gandhi.
„Da Unternehmen immer datenintensiver werden, sehen sich IT-Führungskräfte gezwungen, Lösungen für das Zusammenspiel von Geschäftsstandorten und Regulierungsaufsicht sowie einer zunehmenden Komplexität bei Compliance und Datensicherheit zu finden. Zudem kommt es zu überproportional wachsenden Auswirkungen auf die Unternehmensstandorte, die behördliche Aufsicht sowie zu zunehmender Komplexität bei der Einhaltung von Vorschriften und beim Datenschutz. Ein Problemkreis, den die IT-Führungskräfte nun lösen müssen.“
Die Trends, die Data Gravity vorantreiben
Der Megatrend Data Gravity ist die Summe einer Vielzahl an treibenden Kräften in Unternehmen, die in den vergangenen Monaten aufgrund von COVID-19 und weltweit wachsender online getätigter Geschäfte weiter an Fahrt aufgenommen haben:
- Datenverwaltung in Unternehmen: Die Verlagerung vom Land in die Stadt führt dazu, dass im Jahr 2030 in 43 Städten rund um den Globus jeweils mehr als 10 Millionen Menschen leben werden. Daher wird auch die Anzahl der Menschen steigen, die innerhalb eines Unternehmens Daten erstellen und austauschen.
- Fusionen und Übernahmen: Die Globalisierung führt zu stärkeren Merger- und Acquisition-Aktivitäten. Tatsächlich wird erwartet, dass das Volumen der Fusionen und Übernahmen im Jahr 2021 wieder das Niveau von vor COVID erreichen wird. Das führt dazu, dass die Menge der Datenquellen, die Teil des regionalen Austausches von Unternehmensdaten sind, steigen.
- Digital initiierte Interaktionen: Geschäftsvorgänge werden vermehrt digital abgewickelt und finden weniger oft physisch statt. Digital ermöglichte Interaktionen werden als doppelt so wichtig wahrgenommen wie physische. Mehr digitale Interaktionen bedeuten auch, dass mehr Unternehmensdaten erzeugt werden.
- Datenlokalisierung: Die Ausweitung der gesetzlichen und behördlichen Richtlinien erhöht den Bedarf an mehr lokaler Datenspeicherung. Bis 2022 werden 87 Prozent der IT-Führungskräfte lokale Kopien ihrer Kunden- und Transaktionsdaten für Compliance-Zwecke aufbewahren. Das erhöht die Anzahl der Unternehmensstandorte, an denen Daten vorhanden sind.
- Cyber-physisch: Unternehmen integrieren zunehmend ihre physischen und digitalen Systeme, um die Cybersicherheit zu verbessern. Es wird erwartet, dass bis 2033 70 Prozent der Sicherheitsprodukte digital integriert sein werden, was die Art und das Volumen der erzeugten und ausgetauschten Daten erhöhen wird.4
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