Das lückenlose Managen von Risiken entlang der gesamten Lieferkette ist bisher nur in wenigen Unternehmen fest verankert. Das ergab eine aktuelle Online-Erhebung des deutschen Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) und der Hochschule Fulda. [...]
Häufig gibt es keine eigene Organisationseinheit für „Supply Chain Risk Management“ (SCRM). Mit Risiken beschäftigt man sich eher nebenbei – oder anscheinend gar nicht. Das sind zentrale Ergebnisse der gemeinsamen Online-Erhebung des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) und der Hochschule Fulda. Angesprochen wurden 214 Supply Chain Manager und Führungskräfte aus Industrie, Handel und Dienstleistung. Die Fragestellung lautete, welchen Stellenwert das SCRM in den Unternehmen des deutschsprachigen Raumes hat und welche Stärken, aber auch Schwächen bei dessen Implementierung sichtbar werden.
Aus aktuellem Anlass enthielt die Online-Erhebung auch zwei Fragen zur gegenwärtigen Corona-Krise. „Die Antworten haben uns schon etwas überrascht. So berücksichtigen rund zwei Drittel der befragten Unternehmen das Ausbrechen einer Pandemie bisher nicht als Risikofaktor“, sagte Carsten Knauer, BME-Leiter Sektion Logistik/SCM, Referent Fachgruppen, am Montag bei der Präsentation der Umfrage-Ergebnisse. Das sei überraschend, zumal die Corona-Krise nicht als sogenannter schwarzer Schwan bezeichnet werden könne. Gleichzeitig hätten nur gut ein Viertel der befragten Unternehmen eine Pandemie als Risiko für das eigene Geschäft berücksichtigt. Ebenfalls nur ein geringer Teil von ihnen entwickelte bisher Maßnahmenpläne zur Absicherung der eigenen Supply Chains. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass es durchaus Firmen gebe, deren „Radar“ zur Krisenabwehr bereits sehr gut funktioniere.
Dennoch sei klar: „Die existenzielle Bedeutung des SCRM für die erfolgreiche Krisenbewältigung wird noch nicht von allen Firmen gleichermaßen erkannt. Sie sehen in Supply Chain Risk Management häufig nur eine Unterfunktion etablierter Bereiche wie Logistik, Einkauf oder Beschaffung“, betonte Knauer.
„Die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Lieferketten der von uns befragten Unternehmen sind zwar überschaubar. Trotzdem dürfte die Corona-Krise zu einem Überdenken des eigenen SCRM führen“, betonte Michael Huth, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Logistik, an der Hochschule Fulda und neben Carsten Knauer (BME) einer der Autoren der Umfrage. So werde vielen Unternehmen klar, dass die Transparenz in ihren Supply Chains zu gering ist. Die fehlende Vorbereitung auf eine Pandemie und ihre Auswirkungen auf die eigenen Geschäftsabläufe könne aber dazu führen, dass die Bedeutung des SCRM weiter steigt.
Situation in Österreich
Eine Umfrage des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik in Österreich (BMÖ) zeigt, dass 63 Prozent der befragten Unternehmen bereits zu Beginn der Krise Störungen in der Lieferkette wahrgenommen haben. Weitere zentrale Aussagen der Studie, die in einer relativ frühen Phase der Pandemie erstellt wurde:
- Problematische Liefermärkte folgten den Hotspots der Pandemie. Abhängig von der Unternehmens-spezifischen Lieferkette können Simulationen durchgeführt und künftige Brennpunkte identifiziert werden.
- Neben hohen Risiken in Stabilität der Supply Chain belasten jedes vierte Unternehmen Preiserhöhungen.
- Bevorratung ist die häufigste Ad-hoc-Maßnahme, Unterbrechungen der Lieferketten wird diese einschränken. Zudem sind nachhaltige Maßnahmen wie die gezielte Optimierung der Lieferantenstrukturen erforderlich.
- Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist die zentrale Antwort auf COVID-19- Herausforderungen. Die gezeigte Lern- und Anpassungsfähigkeit wird zum Vorteil für mittelfristige Entwicklung hinsichtlich Agilität und Kollaboration.
- Risikomanagement dominiert im Krisenmodus, daneben nehmen Prozesseffizienz und Digitalisierung signifikant an Bedeutung zu. Sachkostenreduktion wird bei den Aufräumarbeiten an Bedeutung gewinnen.
- 38 Prozent Investitionsstopp führen als Ad-hoc-Maßnahme zur Kostenvermeidung, stehen aber im Zielkonflikt mit Digitalisierungsvorhaben. Personalwirtschaftliche Maßnahmen ergänzen die Entlastung der Kostenposition.
- 82 Prozent erwarten eine negative Auswirkung auf den Jahresumsatz. Die Unternehmen, die die Abweichung quantifizieren können, erwarten mehrheitlich einen Umsatzrückgang von weit über 10 Prozent.
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