Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bietet im Bereich der Business Intelligence enorme Potenziale. Im Rahmen des Roundtable „BI: Mit KI die eigenen Daten optimal nutzen“ sprach die ITWelt.at mit Larisa Stanescu, Leiterin des KI Competence Center bei WienIT, über Change Management, Governance und vertrauensschaffende Maßnahmen Vertrauen im KI-Bereich. [...]
Handelt es sich bei KI in BI um eine Evolution oder wirklich um eine Revolution?
Aus meiner Sicht handelt es sich um eine Evolution. Wir erleben ein Datenparadox: Einerseits stehen riesige Datenmengen zur Verfügung, andererseits müssen Unternehmen immer schneller Entscheidungen treffen. Über die letzten Jahre wurden sehr viele Daten gesammelt, strukturierte, unstrukturierte Daten und mehr oder weniger verlässliche Daten. Und diese Daten liegen mitunter verstreut in unterschiedlichen Systemen vor. KI kann helfen, aus dieser Datenflut relevante Insights zu generieren. Allerdings darf die Technologie nicht Selbstzweck sein – entscheidend ist die vorherige Klarheit über Ziele, KPIs und Entscheidungsprozesse. Wir haben bereits Use Cases umgesetzt, wie Sentiment-Analysen oder Vorhersagen und diese zeigen bei uns bereits den Mehrwert. Es wurden auch bei gängigen Tools, wie Power BI, in den Dashboards die Möglichkeiten eingebunden, mit generativer KI, Insights zu generieren.
Das führt dazu, dass BI-Abteilungen oder einzelne Datenbank-Experten und -Expertinnen ihre Daten mit den Fachbereichen und den Business Units teilen wollen. Besonders spannend ist der Ansatz „Chat with your Database“, der Fachabteilungen via Chat mit der Datenbank schnellen Zugang zu relevanten Daten ermöglicht, ohne die BI-Abteilungen zu überlasten, die ja die Ressourcen nicht haben.
Welche Herausforderungen gibt es bei der Sicherstellung von Datenqualität in komplexen Unternehmensstrukturen?
Die Sicherstellung der Datenqualität stellt in komplexen Unternehmensstrukturen wie unserem Konzern mit zehn Tochterunternehmen (z. B. Wien Energie, Wiener Linien) eine zentrale Herausforderung dar – insbesondere aufgrund unterschiedlicher Reifegrade und heterogener Prozesse. Wir entwickeln gerade eine Datenstrategie und eine dazu passende Governance, was ja nicht nur die Datenqualität betrifft, sondern auch die Adoption der Tools. Dazu gehört ein Assessment des aktuellen Stands, die Definition relevanter Daten und die Vereinheitlichung von Rollen und Prozessen, wo wir im Konzern gegenwärtig noch eine große Vielfalt haben. Nur so lassen sich langfristig hochwertige Datenbestände schaffen, die für BI- und KI-Anwendungen nutzbar sind.
Wie baut WienIT Vertrauen in KI-Systeme auf – sowohl technisch als auch organisatorisch?
Ein zentraler Punkt ist das Vertrauen der Mitarbeitenden, das durch die technischen Komponenten gefördert werden kann. Wir merken oft, dass Themen wie Datenschutz, Performance, Genauigkeit und Verlässlichkeit viele Sorgen bereiten. Deshalb setzen wir technische Schutzmechanismen wie Guardrails und Plausibilitätstests ein.
Gleichzeitig reicht die Technik allein nicht aus: Wir haben ein starkes Change Management etabliert, das die Einführung neuer Tools begleitet. Dabei ermutigen wir die Mitarbeitenden zu einer gesunden Portion Skepsis. Sie sollen die Ergebnisse der KI prüfen, statt sie blind zu akzeptieren.
Darüber hinaus geben wir ihnen einfache Feedback-Kanäle. So können sie jederzeit Probleme oder Zweifel melden – auch wenn sich später herausstellt, dass es gar keine echten Probleme sind. Diese Offenheit schafft Vertrauen, nicht nur in die Tools, sondern auch in die IT-Teams, die diese Themen ernsthaft begleiten.
Wie wirkt sich diese Entwicklung auf die Mitarbeitenden in den Unternehmen aus? Welche organisatorischen Veränderungen sind notwendig?
Zusammenarbeit ist der Schlüssel. Mit dem Einzug von Generativer KI in Unternehmen steigt der Bedarf an klarer Governance, Compliance-Regeln und definierten Rollen.
Gleichzeitig braucht es agile Strukturen, um Ideen und Use Cases rasch umzusetzen.
In unserem Konzern haben wir ein zentrales KI-Competence-Center aufgebaut, das eine Plattform für schnelle Umsetzung bietet. Seit Jahresbeginn haben wir bereits rund 20 Use Cases erhalten, von denen acht schon in Umsetzung sind. Geschwindigkeit ist entscheidend – aber nur in Verbindung mit guter Change-Begleitung.
Es wird zwar schon lange gefordert, aber es ist tatsächlich so: Die IT- und Business-Einheiten müssen enger zusammenarbeiten als je zuvor.
Es kommt immer auf die Use Cases an. Manche Use Cases lassen sich leichter in den Arbeitsprozess integrieren. Regulatorische Anforderungen wie DSGVO oder EU-AI-Act verlangen zusätzliche Prüfungen, Dokumentationen und Nachweise. Formate, Frameworks und kontinuierliches Monitoring helfen, diese Veränderungen erfolgreich zu gestalten.
Welche Vorteile bringt der risikobasierte Ansatz des EU-AI-Acts?
Der risikobasierte Ansatz des EU AI Acts ist vorteilhaft, da er eine differenzierte Regulierung ermöglicht: Anwendungen mit geringem Risiko genießen eine recht hohe Flexibilität, während für Hochrisiko-Systeme klare Sicherheitsmaßnahmen und Dokumentationspflichten gelten. Anforderungen des EU AI Acts – etwa technische Dokumentation, Audit-Trails und Informationssicherheitsmaßnahmen – sind bereits Bestandteil unserer Entwicklungsprozesse. Dadurch entsteht nicht nur regulatorische Sicherheit, sondern auch eine robuste Grundlage für vertrauenswürdige und skalierbare KI-Anwendungen.
Wirtschaftlichkeit ist ein zentrales Kriterium. Wie misst man den Erfolg von KI- und BI-Initiativen und worin zeigt er sich konkret?
Ich möchte betonen, dass es oft nicht einfach ist, den Return on Investment (ROI) exakt zu berechnen. Viele Unternehmen stehen noch am Anfang, sammeln erste Erfahrungen mit implementierten Use Cases und müssen lernen, wie sich diese auf Skalierung und Wirtschaftlichkeit auswirken.
Eine zentrale Frage lautet: Investiere ich in eine maßgeschneiderte Lösung, die perfekt zu meinen Daten und Systemen passt, oder nutze ich eine Standardlösung, die stabil und wartbar ist, aber nicht vollständig meinen Bedürfnissen entspricht? Beides kann zu Sackgassen führen, die man erst mit der Zeit erkennt.
Wichtig ist für mich auch der menschliche Faktor: Viele Mitarbeitende empfinden alltägliche sich wiederholende Aufgaben oft als frustrierend. Wenn KI diese Routineaufgaben erleichtert, steigt die Zufriedenheit – auch wenn das nicht immer messbar ist. Natürlich darf die KI keine falschen Ergebnisse liefern, sonst kehrt sich der Effekt ins Gegenteil.
Aber insgesamt hoffe ich, dass sich KI zu einem proaktiven, möglichst autonomen digitalen Mitarbeitenden entwickelt, der Prozesse, Entscheidungsfindungen und die tägliche Arbeit unterstützt.

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