Telekommunikationsindustrie steht vor Fachkräftemangel

Die Telekommunikationsindustrie steht vor einem folgenschweren Fachkräftemangel – bis 2030 fehlen rund 360.000 Fachkräfte. [...]

Foto: BeautyOfNature/Pixabay

Die europäische Telekommunikationsbranche steht vor großen Herausforderungen: Trotz des exponentiellen Anstiegs des globalen Datenverbrauchs kämpfen viele Anbieter zunehmend mit stagnierenden Umsätzen. Gleichzeitig wächst auf der Kostenseite die Notwendigkeit von signifikanten Investitionen in die Infrastruktur, getrieben durch erhöhte Anforderungen von Kund:innen sowie seitens der Regulatorik.

So sieht der geplante „EU Gigabit Infrastructure Act“ bis 2030 den Ausbau von Gigabit-Netzwerken einschließlich einer umfassenden 5G-Abdeckung in ländlichen Regionen vor. Die Kombination aus Umsatzstagnation und Kostendruck wirkt sich auf die Profitabilität der Branche aus und zwingt Unternehmen bereits zu verschiedenen Kostensenkungsmaßnahmen.

Insbesondere die Reduzierung der Belegschaft spielt hierbei eine zentrale Rolle – bis 2030 soll diese branchenweit jährlich um 2% abgebaut werden. Paradoxerweise werden an anderer Stelle dringend Fachkräfte benötigt, damit sich Europas Telekommunikationsindustrie bei aktuellen Trends wie Cloud- und Edge-Computing oder Künstlicher Intelligenz (KI) zukunftssicher positionieren kann.

Bis zum Jahr 2030 fehlen der Branche dafür rund 360.000 hochqualifizierte Arbeitskräfte, wie die aktuelle Studie „Solving the workforce paradox“ von Strategy&der globalen Strategieberatung von PwC, zeigt.

Ohne wirksame strategische Gegenmaßnahmen bedroht diese Fachkräftelücke nicht nur die Wertschöpfung, sondern auch die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Telekommunikationsbranche. 

Bis 2030 macht die Talentlücke fast die Hälfte des Bedarfs an Fachkräften aus 

Die mangelnde Verfügbarkeit von Fachkräften ergibt sich aus einer Vielzahl an Entwicklungen: Bis 2030 werden voraussichtlich rund 420.000 Fachkräfte in der Belegschaft von Telekommunikationsunternehmen – bestehend aus insgesamt rund 840.000 Mitarbeiter:innen – zukunftsfähige Kenntnisse und Fertigkeiten besitzen, die teilweise bereits heute vorhanden sind oder durch Reskilling-Maßnahmen gewonnen werden.

Gleichzeitig wird trotz laufender Rekrutierungsbemühungen mit bestehenden Ansätzen nur eine geringe Anzahl an neuen Fachkräften hinzukommen (rund 60.000). Die zunehmende Komplexität und steigenden Anforderungen an Qualifikationsprofile machen es sehr schwierig, die verbleibende Lücke von 360.000 hochqualifizierten Arbeitskräften zu füllen – das entspricht fast der Hälfte der zukünftigen Gesamtbelegschaft. 

„Um wettbewerbs- und zukunftsfähig zu bleiben, ist eine Schließung der Talentlücke dringend notwendig. Für die Geschäftsmodelle der Zukunft, die effektive Nutzung neuer Technologien in der Netzinfrastruktur, Künstliche Intelligenz, und Cyber Security braucht es in der Telekommunikationsindustrie zukünftig vielfältige, neue Schlüsselqualifikationen, die am Arbeitsmarkt allerdings kaum verfügbar sind“, erklärt Jens Niebuhr, Co-Autor der Studie und Partner bei Strategy& Deutschland.

Portraitfoto von Jens Niebuhr, der sich hier zum kommenden Fachkräftemangel äußert.

„Fachkräfte mit diesen Qualifikationen für sich zu gewinnen, ist für die Branche angesichts des sich stetig verändernden Wettbewerbsumfelds mit Hyperscalern, ICT-Services und CPaaS-Providern besonders kritisch.“

(Foto: Strategy&)

War for Talents: Tech-Unternehmen setzen Maßstäbe bei Talentgewinnung

Im gegenwärtigen Kampf um die besten Talente stehen Telekommunikationsunternehmen vor zwei zentralen Herausforderungen: Zum einen werden die am Arbeitsmarkt ohnehin schon begrenzt verfügbaren hochqualifizierten Fachkräfte auch in vielen anderen Branchen stark nachgefragt. Zum anderen verfügt die Belegschaft der Unternehmen nur teilweise über die erforderlichen Fachkenntnisse und/oder benötigt für dessen Aufbau aufwändige Qualifizierungsmaßnahmen – wie es zum Beispiel beim Sprung vom Datenanalysten zum KI-Entwickler der Fall wäre. 

„Unternehmen sollten erkennen, dass hochqualifizierte Arbeitskräfte heute die Wahl haben, für welchen Arbeitgeber sie arbeiten möchten. Insbesondere Tech-Unternehmen setzen nach wie vor den Goldstandard, wenn es um die Gewinnung von Talenten geht. Oft werden sie von Arbeitnehmer:innen bei relevanten Kriterien wie Arbeitsumfeld, Gehalt sowie Karriere- und Ausbildungsmöglichkeiten attraktiver als Telekommunikationsunternehmen eingestuft. Um eine zukunftsfähige Belegschaft aufzubauen, braucht die Branche den Mut, neue Wege zu gehen und auf bisher unübliche Reskilling-Maßnahmen und alternative Strategien zur Talentakquise zu setzen“, sagt Dieter Kern, Co-Autor der Studie und Partner bei Strategy& Deutschland.

(Foto: Strategy&)

Unkonventionelle Personalstrategien können die Personalressourcen teilweise um bis zu 20% erhöhen oder den Bedarf an bestimmten Fachkräften reduzieren. Dazu gehören alternative Einstellungsmethoden, die über die bisher üblichen sozialen, technischen oder geografischen Kriterien hinausgehen – zum Beispiel, indem Talente aus anderen Branchen oder Ländern eingestellt werden.

Auch neue Umschulungsprogramme wie „Skill Factories“ und KI-basierte personalisierte Lernangebote können helfen, Mitarbeiter:innen in neue Rollen umzuschulen. Viele Anbieter greifen auch vermehrt auf sogenannte Talent-Ökosysteme zurück, um Fachkräfte so zwischen Unternehmen flexibel einsetzen zu können. Schließlich kann aber auch der Einsatz generativer KI dazu beitragen, insbesondere komplexe administrative Tätigkeiten zu automatisieren und so die Nachfrage nach bestimmten Fachkräften zu reduzieren.

Die vollständigen Ergebnisse der Studie „Solving the workforce paradox” erhalten Sie auf Anfrage oder hier.


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