Test: Apple iPad Air 4 (2020)

Fast so gut und teilweise besser als das iPad Pro – und erst noch günstiger. [...]

Nur die Kamera verrät, dass es sich hier nicht um ein iPad Pro handelt (c) Apple

Das iPad Pro darf ohne Zweifel als das beste aktuelle Tablet bezeichnet werden: Rasend schnell, mit einem LiDAR-Scanner ausgestattet, im modernen Gewand und auch sonst absolut auf der Höhe der Zeit, richtet es sich an Interessenten, die kompromisslos das Beste wollen. Denn für die meisten Menschen ist «Kompromiss» kein schönes Wort, weil es den Mangel an irgendwas suggeriert. Doch manchmal steht ein Kompromiss auch für die Abwesenheit von Funktionen, die man eh nicht braucht. Und dann wird es interessant, denn meistens lässt sich so eine Menge Geld sparen. Genau so präsentiert sich die Situation beim iPad Air der 4. Generation.

Das iPad Air kostet als Nur-Wifi-Ausführung mit 256 GB Speicher 799 Euro – und damit fast genau 200 Euro weniger, als das iPad Pro in derselben Ausführung. Und deshalb beleuchten wir an dieser Stelle vor allem die Unterschiede, zeigen, worauf Sie verzichten müssen und wo Sie mit dem günstigeren Modell sogar besser fahren.

«Das ist doch ein Pro, oder?»

Gehäuse. Die beiden Geräte teilen sich denselben attraktiven Formfaktor; nur die Kamera lugt beim iPad Air 0.2 Millimeter weiter hervor.

Fingerscanner statt Face ID. Andere Unterschiede sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Während das iPad Pro mit dem Gesichtsscanner Face ID entsperrt wird, verbaut Apple zum ersten Mal überhaupt einen Fingerscanner in der Standby-Taste. Für die Entriegelung wird die Taste einmal gedrückt, damit das Gerät augenblicklich entsperrt. Wie bei den anderen aktuellen Apple-Geräten kann das Gerät aber auch ohne Entriegelung geweckt werden, indem das Display an einer beliebigen Stelle angetippt wird.

Die Touch ID ist auf nicht absehbare Zeit die bessere Wahl und fast so komfortabel, wie die Face ID (c) PCtipp.ch

Die Face ID ist zwar immer noch das Maß aller Dinge, was den Komfort betrifft – doch in diesen seltsamen Zeiten kommt der Fingerscanner dem maskierten Gesicht auf eine perfekte Weise entgegen, wenn das iPad in der Öffentlichkeit und beim Pendeln verwendet wird. Und für manchen Interessenten ist das Rennen damit bereits gelaufen.

Verkehrte Benchmark-Welt

Ein weiteres Plus zeichnet sich auch bei der Rechenleistung ab – aber nicht für das Pro. Im iPad Pro arbeitet die etwas ältere «A12Z Bionic»-CPU. Im iPad Air hingegen wirkt der «A14 Bionic», der auch im iPhone 12 zum Einsatz kommt – und dieser Chip ist noch schneller: Mit Geekbench 5 brachte es das iPad Pro bei der wichtigeren Single-Core-Messung auf satte 1103 Punkte – und wurde sogleich vom iPad Air mit 1588 Punkten auf die hinteren Plätze verwiesen. Bei der Multi-Core-Messung zeigten die Resultate ein wenig in die andere Richtung: Das iPad Pro brachte es 4649 Punkte, das iPad Air «nur» auf 4303 Punkte – aber das kann in den allermeisten Fällen vernachlässigt werden.

Krasse Unterschiede: oben das iPad Air 4, unten das iPad Pro 2 (c) PCtipp.ch

Wenn Sie also zum iPad Air greifen, müssen Sie keinen Gedanken daran verschwenden, dass das Pro-Modell aufgrund seiner Rechenleistung die bessere Wahl gewesen wäre, im Gegenteil.

Die Kamera

Hier fallen die Unterschiede sofort ins Auge: Während das iPad Air auf der Rückseite nur eine Kamera mit einem 12-Mpx-Weitwinkel bietet, kommt das iPad Pro mit einem zusätzlichen Ultraweitwinkel und einem LiDAR-Scanner für die Erfassung von 3D-Objekten.

Das iPad Pro bietet zwei Kameras und den LiDAR-Scanner, beim iPad Air bleibt es bei einer Linse (c) PCtipp.ch

Leute, die mit einem iPad Ferienfotos schießen, sind eine Minderheit und nur selten sichtet man sie in der freien Wildbahn. Diese Kamera wird vorwiegend für die Dokumentation verwendet und dafür ist sie mehr als gut genug. Vielleicht erfordern es Ihre beruflichen Umstände, dass Sie manchmal ein breites Sichtfeld fotografieren müssen und deshalb das Ultraweitwinkel des iPad Pro schätzen. Aber für das Festhalten von Whiteboards oder Blechschäden reicht die Kamera des iPad Air problemlos – und sonst wird halt zur Not ein Panorama geschossen.

Diese Kamera schreit förmlich nach Kratzern (auf den Möbeln) (c) PCtipp.ch

Mehr noch: Ich hätte mir gewünscht, dass Apple eine flächenbündige Kamera verbaut, auch wenn das weitere Abstriche bei der optischen Qualität bedeutet. Dafür schwinden die Sorgen, dass die scharfkantige, hervorstehende Kamera den kostbaren Holztisch von Erbtante Mathilda in Mitleidenschaft zieht.

Die flächenbündige Kamera des iPad 8 (c) PCtipp.ch

Ansonsten bietet die Kamera gewohnte Kost: Die feste Brennweite von 29 Millimeter (auf KB umgerechnet) wird den meisten Ansprüchen gerecht. Fotos werden in HDR aufgezeichnet und sofort optimiert. Panoramen können bis zu 63 Mpx gross sein.  Videos werden in 4K mit bis zu 60 fps gedreht; dabei sorgt Apples «Cinematic»-Videostabilisierung dafür, dass das Bild in Echtzeit beruhigt wird, wobei der Ausschnitt dazu ein wenig enger gefasst wird, als bei Fotos. Das ist für Videos in dieser Auflösung und Bildrate auch heute noch eine beeindruckende Leistung und sorgt für weiche Aufnahmen, aber eben: Eine solche Kamera genießt in einem Tablet nicht dieselbe Wertschätzung, wie in einem Smartphone.

Kurz: Vom Ultraweitwinkel des iPad Pro abgesehen, sind beide Kameras bei der Videofunktion identisch.

Das Display

Zuerst einmal scheinen die Displays nahezu identisch. Beide bieten durch Apple True-Tone-Technologie eine sehr angenehme Darstellung, die sich farblich an die Lichtstimmung anpasst. Beide Displays sind vollständig laminiert und wirken entsprechend hochwertig. Das iPad Air deckt den kompletten Farbraum P3 ab und passt sich über Apples True-Tone-Technologie an das Umgebungslicht an, sodass das Bild in jeder Situation sehr angenehm wirkt. Dass das Display im iPad Pro mit 600 Nits statt mit 500 Nits strahlt, dürfte für die meisten Anwender keinen großen Unterschied machen.

Doch dem Display des iPad Air fehlt die ProMotion-Technologie von Apple, will heißen: Das Display des iPad Pro bietet eine Wiederholfrequenz von 120 Hz, jenes des iPad Air nur 60 Hz. Wenn Sie noch nie mit einem iPad mit ProMotion gearbeitet haben, dann werden Sie sich daran nicht weiter stören. Doch wenn Sie einmal durch eine superflüssige 120-Hz-Darstellung gewischt haben, die fast schon surreal geschmeidig wirkt, dann wird es schwierig, zurück in die Holzklasse zu wechseln.

Das fällt besonders beim Surfen im Internet auf, wenn kilometerlang durch die Seiten gewischt wird. Wenn Ihre primären Einsatzgebiete jedoch E-Mails, Office-Anwendungen und eher statische Apps umfassen, dann werden Sie an diesem Display nichts Nachteiliges finden.

Das iPad für die Schule

In unserem Haushalt hat sich dieses Jahr eine Änderung ergeben, weil unser Junior eine weiterführende Schule besucht. Zuerst mit einem MacBook bewaffnet, stellte sich das iPad sehr schnell als die bessere Alternative heraus, was besonders zwei Produkten zu verdanken ist: dem Apple Pencil 2 und der hervorragenden App GoodNotes: Sie schluckt auch die größten PDF-Dateien mit mehreren hundert Seiten und erlaubt die einfache Auszeichnung von Texten, bringt Markierungen an und erlaubt natürlich das Schreiben mit dem Pencil. Weil in GoodNotes stark hineingezoomt werden kann, um zu schreiben, wirken die Notizen in der 1:1-Darstellung so natürlich, wie es die eigene Klaue überhaupt zulässt.

Junior ist für die Schule zwar mit einem iPad Pro bestückt, aber das tut den Qualitäten des iPad Air keinen Abbruch – denn wie bereits erwähnt, stellt das iPad Air die Rechenleistung des iPad Pro in den Schatten. Auch die Reaktionszeit des Pencils lässt nicht das geringste zu wünschen übrig.

Apple bietet zum iPad Air natürlich diverse Hüllen und Tastaturen an, darunter das Magic Keyboard, das Tastatur und Trackpad vereint. Für meinen Geschmack ist die Kombo ein wenig sperrig – aber näher werden Sie einem echten Notebook-Gefühl nicht kommen.

Das Magic Keyboard mit Trackpad vermittelt Notebook-Gefühle (c) PCtipp.ch

Kaufberatung und Fazit

Das iPad Air der 4. Generation überzeugt beim Preis-/Leistungsverhältnis in jeder Hinsicht. Die einzigen Schwächen, die sich ausmachen lassen, sind die reduzierte Kamera, der fehlende LiDAR-Scanner und – vor allem – das 60-Hz-Display, während die Bilder auf dem iPad Pro mit 120 Hz durch die Gegend gleiten. Wenn Sie damit leben können, ist das iPad Air die erste Wahl. Es teilt sich außerdem viele Eigenschaften mit dem Pro, darunter auch das Zubehör wie das Magic Keyboard und den Apple Pencil 2.

Dazu kommen Vorzüge, die es sogar über den vermeintlich großen Bruder erheben, etwa bei der Rechenleistung. Das iPad Air 4 ist wie das iPad Pro in trostlosem Silber und deprimierenden Spacegrau zu haben, wird aber auch in Roségold, Grün und Skyblau angeboten: gerne gesehene Farbtupfer in einer nicht ganz so lustigen Zeit.

Bunt macht Laune (c) Apple

Fazit

Das iPad Air 4 befindet sich in fast allen Belangen mit dem iPad Pro 2 auf Augenhöhe, allerdings zum günstigeren Preis. Für das Pro-Modell brauchen Sie jetzt einen guten Grund, während die Entscheidung für das iPad Air eine reine Formsache sein kann.


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