Nein, Schönheit liegt nicht im Auge des Betrachters. Sie liegt vor mir auf dem Tisch. [...]
Eine schnelle Frage an die Apple-Veteranen unter Euch: Welche Macs gelten als «ikonisch»? Nein, nicht nachdenken, sondern spontan antworten.
Mir fallen drei Geräte ein: der Ur-Mac von 1984, der erste knuddelige iMac und das MacBook Air. Natürlich schuf Apple im Verlauf der Jahrzehnte einige legendäre Maschinen. Sogar Flops wie der Power Mac G4 Cube genossen eine Aufmerksamkeit, von denen die meisten Mitbewerber nur träumen konnten.
Aber das MacBook Air ist eine Hausnummer, seit es 2008 von Steve Jobs vor einem begeisterten Publikum aus einem Umschlag an die Öffentlichkeit gezogen wurde. So ganz nebenbei wurde ein Sony-Notebook der TZ-Serie gedemütigt, dessen einziger Fehler es war, damals als Vorzeige-Laptop zu gelten. Und so ist das MacBook Air bis zum heutigen Tag das beliebteste und meistverkaufte Notebook überhaupt.
Durch und durch eine Grazie
14 Jahre später verliert das MacBook Air seine ikonische Keilform. Sie wird durch ein Design abgelöst, das viel mehr an ein iPad Pro mit einem Deckel erinnert. Das Gehäuse wirkt auf den Bildern zwar ansprechend und von einer nüchternen Eleganz – aber man muss das MacBook Air in den Händen halten und es eine Minute lang auf sich wirken zu lassen, um seine Form richtig zu würdigen: Es wirkt aus jeder Perspektive grazil, robust, technisch und schnuckelig zugleich.
Mit einem Gewicht von 1,24 Kilogramm ist es zwar im Vergleich zum Urahn nicht mehr so spektakulär viel leichter als die Konkurrenz. So wiegt zum Beispiel das Samsung Galaxy Book Pro weniger als 900 Gramm – wenn man darüber hinwegsieht, dass es in jeder Hinsicht unterlegen ist. Aber das MacBook Air vermittelt ein Gefühl der Leichtigkeit und Eleganz, die es einem schwer machen, es wieder aus der Hand zu legen.
Neben den sattsam bekannten Farben «Space Grau» und «Silber» ist das MacBook Air neu auch in der sehr hellen Farbe «Polarstern» und im sehr dunklen Blau «Mitternacht» erhältlich. Unser Testgerät wurde in Polarstern geliefert, das wie alle anderen Ausführungen mit dem gleichfarbigen, textil ummantelten MagSafe-Netzkabel kommt.
Und was soll ich sagen: Polarstern wäre vom Fleck weg meine erste Wahl. Es scheint, als hätte Apple die altmodische Hi-Fi-Farbe «Champagner» der 80er-Jahre so weit aufgehellt, bis nur noch ein Hauch von ihr übriggeblieben ist, und diesen Rest zum Leuchten gebracht. Zurück bleibt ein hinreißender Unisex-Farbton, der bei jeder Gelegenheit die neidischen Blicke auf sich zieht.
Vermutlich werden sich aber viele Käufer auf das neue, edle «Mitternacht»-Blau stürzen. Ich hatte bis jetzt kein solches Gerät in den Händen, doch es wird gemunkelt, dass diese Farbe die Fingerabdrücke wie ein Magnet anzieht. Aber das prüfen Sie am besten bei einem Händler vor Ort.
All das gute Zeugs
Wenn wir uns dem Inneren zuwenden, wird klar, dass Apple dieses Mal alles richtig gemacht hat. Die nervtötende Touch Bar über der Tastatur, mit der sogar noch das aktuelle MacBook Pro mit M2 gestraft ist, fehlt hier glücklicherweise.
Der Zugang erfolgt über den Fingerscanner Touch ID, der auch für das Bezahlen mit Apple Pay verwendet wird. Die 1080p-Webcam bietet kein überragendes, aber ein tadelloses Bild, für das man sich vor dem Beginn des Videochats nicht bei den anderen entschuldigen muss.
Thunderbolt. Das MacBook Air kommt mit zwei Thunderbolt -Anschlüssen im USB-C-Formfaktor. Sie unterstützen Thunderbolt 3 und USB 4 mit jeweils bis zu 40 Gbit/s sowie USB 3.1 Gen. 2 mit bis zu 10 Gbit/s.
Peripherie. Diese Anschlüsse sind für Peripherie jeglicher Art geeignet: vom USB-Stick über den SD-Kartenleser bis zum RAID gibt es praktisch nichts, was eine Verbindung verweigern kann. Auch DisplayPort-Monitore sind kein Problem.
Das ideale Display. Der M2 des MacBook Air unterstützt außerdem den Anschluss eines einzelnen Displays mit einer Auflösung von bis zu 6K bei 60 Hz. Apple denkt da vermutlich an das hochpreisige Pro Display XDR, aber für die breite Masse ist das neue Studio Display Die perfekte Ergänzung – und unter all den vielen Displays auf dem Markt ist es das einzige, das dieses Notebooks würdig ist: Es garantiert nicht nur eine nahtlose Zusammenarbeit in 5K, sondern lädt das MacBook Air über ein einziges Kabel.
MagSafe
Die Rückkehr von Apples MagSafe-Verbindung wurde praktisch ausnahmslos gefeiert. Zwar lässt sich das MacBook Air auch über USB-C laden, doch das sollte der Plan B sein. Falls Sie MagSafe noch nicht kennen: Der längliche, schmale Stecker wird bei Annäherung mit einem befriedigenden, klackenden Geräusch in die Buchse gezogen.
Dort hält er zuverlässig – es sei denn, an ihm wird gezogen: Dann löst er sich, ohne dass sich das MacBook Air um einen Millimeter bewegt. Damit ist das Gerät vor spielenden Kindern und bösartigen Katzen sicher.
Lüfter oder nicht?
Im MacBook Air pumpt derselbe M2, wie im ebenfalls neuen MacBook Pro, und bietet demzufolge eine identische Leistung. Allerdings bietet das MacBook Pro eine «aktive Kühlung», lies: einen Lüfter. Der springt zwar nur unter Dauerlast an und ist davon abgesehen so gut wie nie zu hören. Trotzdem: Wenn Sie häufig längere Videos exportieren oder Bilder rendern, kann es sein, dass das MacBook Air zu warm und der M2 gedrosselt wird.
Abgesehen von solchen Situationen bietet der Lüfter des MacBook Pro keinen Vorteil, im Gegenteil: Im Vergleich zum MacBook Air besteht das Restrisiko eines hörbaren Lüfters, weil sich zum Beispiel eine Adobe-App im Hintergrund nicht zu benehmen weiß.
Die SSD
Hier heisst es aufgepasst. Unser Testgerät war mit 16 GB RAM und 1 TB SSD ausgestattet. Der Test mit der kostenlosen Software Disk Speed Test von Blackmagic zeigte im Mittel ca. 3,2 GB (schreiben) und 2,8 GB (lesen).
Aber: Beim MacBook Pro mit M2 stellt es sich heraus, dass das kleinste Modell mit 256 GB SSD nur mit einem einzigen NAND-Flash-Speicherchip ausgestattet ist, während im Vorgängermodell zwei NAND-Chips mit jeweils 128 GB verbaut wurden.
Dadurch ist die SSD in diesem Modell fast 30 Prozent langsamer als in den anderen Modellen. Als diese Zeilen geschrieben wurden, war zwar nicht klar, ob das beim MacBook Air ebenfalls so ist, doch ich wüsste nicht, warum das hier anders laufen sollte. Wenn Ihnen also das Tempo der SSD wichtig ist, sollten Sie auf jeden Fall zu einem Modell mit 512 GB SSD oder mehr greifen.
Das richtige Netzteil für Fast Charge
Erfreulicherweise stehen beim Kauf im Apple Store zwei Netzteile zur Auswahl, zwischen denen ohne Aufpreis gewählt werden kann. Beide Netzteile lassen sich außerdem für je 60 Euro separat erwerben.
35W Dual USB-C Port Power Adapter. Dieses Netzteil liegt unserem Testgerät bei.
Seine Bestückung mit zwei USB-C-Anschlüssen erlaubt zum Beispiel das gleichzeitige Laden eines iPhones. Dabei erhält jedes Gerät so viel Leistung, wie es braucht. Werden 20 Watt + 15 Watt angefordert, werden diese auch geliefert. Werden hingegen 20 Watt + 40 Watt verlangt, werden diese auf 2×17.5 Watt reduziert und gerecht verteilt. Die Ladung der Geräte dauert allerdings länger.
67W USB-C Power Adapter. Dieses Netzteil ist deutlich grösser, liefert mehr und kommt mit nur einem USB-C-Anschluss.
Das Wichtigste aber: Das neue MacBook Air ist das erste Apple-Notebook, das Fast Charge unterstützt. Gemäß Apple wird damit die Batterie innerhalb von 30 Minuten auf bis zu 50 Prozent geladen. Fast Charge wird nur von diesem Netzteil unterstützt. Kraft und Tempo oder Kompaktheit und Flexibilität: Mit solchen Fragen könnte man sich stundenlang unterhalten.
Der M2
Wie bereits erwähnt, ist der Apple M2 exakt derselbe, wie jener im MacBook Pro. Technisch gesehen bietet er eine 8‑Kern-CPU mit 4 Performance- und 4 Effizienz-Kernen.
Dazu kommt eine um 35 Prozent schnellere 10‑Kern-GPU und die Neural Engine mit 16 Kernen. Apple erwähnt in diesem Zusammenhang erstmals auch eine Speicherbandbreite von 100 GB/s: eine glatte Verdoppelung im Vergleich zum M1.
Der M2 fährt natürlich die neusten Apple-Technologien auf, die Bestandteil der Media-Engine sind. Dazu gehört die native Wiedergabe von 8K-Videos im H.264- oder HEVC-Format, eine hardwarebeschleunigte Kodierung und Dekodierung von ProRes-Medien und eine verbesserte Neural Engine, die mit 15,8 Billionen Operationen pro Sekunde über 40 Prozent schneller ist als jene im M1.
Bei der Videoverarbeitung verspricht Apple außerdem einen Leistungszuwachs von 40 Prozent gegenüber dem M1 oder sogar das sechsfache Tempo gegenüber dem letzten MacBook Pro mit Intel-CPU.
Außerdem wird der maximale RAM von 16 GB beim M1 auf 24 GB angehoben. Allerdings erstaunt es mich immer wieder, dass mein M1 mit 16 GB nicht kleinzukriegen ist, selbst wenn ein Dutzend Anwendungen aller Couleur gleichzeitig geöffnet sind.
Die aktuellen Standardmodelle bieten 8 GB RAM, wahlweise aber auch 16 GB (+220 Euro) oder 24 GB (+440 Euro).
Die eigentlichen Vorzüge des M2
Wo also punktet das neue MacBook Air mit M2 gegenüber einem M1-Gerät? Für die allermeisten Anwender sind die Unterschiede nicht so erschlagend, wie es suggeriert wird. In den letzten Monaten hatte ich einige hochpotente Geräte auf dem Tisch, etwa das phänomenale MacBook Pro mit 14 Zoll oder den Mac Studio, der fast alle Profis glücklich macht.
Mein aktueller Arbeitsrechner, ein kleiner Mac mini mit M1, fühlt sich allerdings fast genauso schnell an, wie seine muskelstrotzenden Brüder. Denn einerseits ist der M1-SoC immer noch sehr schnell, dem M2 zum Trotz. Jede Aufgabe in InDesign oder Photoshop wird ohne Murren erledigt.
Das gilt erst recht für Büro-Anwendungen und andere Fingerübungen. Denn es gibt eine Grenze der Reaktionsfreude: nämlich dann, wenn eine Aufgabe ohne spürbare Verzögerung erledigt wird.
Zum anderen sind der M1 und der M2 für bestimmte Kraftakte gezüchtet worden: vor allem für die Videoverarbeitung und den Videoexport, aber auch für K.I.-Aufgaben, die sich auf die Neural Engine stützen. Gerade die Neural Engine wird bei der Bildverarbeitung für die breite Masse immer wichtiger, wenn clevere Effekte und Funktionen auf die Bildanalyse angewiesen sind.
Doch so erfreulich diese Zuwächse für die Profis auch sind: Der «gewöhnliche Anwender» ohne Ambitionen in der Videoverarbeitung spürt davon nicht so viel, wie das beeindruckende Datenblatt vermuten lässt.
Kaufberatung und Fazit
Das MacBook Air wirkt so elegant wie schon lange kein Mac mehr vor ihm. Es ist darüber hinaus schnell, robust und arbeitet in Ermangelung eines Lüfters zu jeder Zeit unhörbar leise. Das Comeback des MagSafe-Anschlusses bildet das Sahnehäubchen.
Mit der Wahl dieses Kleinods kann unmöglich etwas falsch gemacht werden – es sei denn, die Drosselung des M2 muss unbedingt verhindert werden oder man pflegt eine schräge Affinität zur Touch Bar.
Die einzige echte Konkurrenz
Das neue MacBook Air würde also eine uneingeschränkte Kaufempfehlung verdienen – wenn Apple nicht das MacBook Air mit M1 und seinem klassischen Design im Sortiment behalten hätte. Im fehlt zwar der MagSafe-Stecker und die Kamera ist von vorgestern. Doch wer darüber hinwegsehen kann, findet hier eine interessante Alternative.
Das MacBook Air mit M1, 8 GB RAM und 256 GB SSD kostet gerundet 1020 Euro. Das neue M2-Modell mit gleich viel RAM und SSD kostet 1300 Euro, also 280 Euro mehr. Das alte Basismodell kommt außerdem mit 7 statt mit 8 Grafikkernen – aber das sollte exakt niemanden interessieren, der sich zur Zielgruppe dieser Mac-Linie zählt.
Wenn das Geld also knapp ist oder einfach nicht so viel für ein MacBook Air ausgegeben werden soll, dann wird das M1-Modell zu einer reizvollen Alternative, das keine großen Kompromisse abverlangt.
Für das eingesparte Geld gibt es eine schicke Notebook-Tasche, ein zweites Netzteil, zusätzlichen iCloud-Speicher für die nächsten Jahre und ein paar Kilogramm Studentenfutter, falls die Studenten von heute so etwas noch essen.
Fazit
Das neue MacBook Air ist ein Gerät zum Verlieben. Lesen Sie den Test zum MacBook Pro mit M2 und seinen Vorzügen – aber mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit ist es dieses Gerät, das Sie zum ständigen Begleiter machen wollen.
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