Verkehrte Welt: Das neue MacBook Pro gilt als Einsteigergerät – aber lässt den alten Profis keine Chance. [...]
Wer oder was ist Apple? Für viele Anwender handelt es sich dabei um jenes Unternehmen, das den Mac baut. Alle anderen Apple-Produkte sind Nebenschauplätze. Ich würde nur mit größtem Widerwillen vom iPhone auf ein Android-Gerät umsteigen. Aber von macOS auf Windows? Nein, danke, das war’s dann mit Computern; ich werde jetzt Gärtner und verdiene endlich eine goldene Nase. (Wenn Sie jemals einen Gärtner verdungen haben, dann wissen Sie, dass das todernst gemeint ist – oder zumindest die Stelle mit der goldenen Nase.)Doch Apple verdient mit dem iPhone so furchtbar viel Geld. Letztes Jahr generierte es einen Umsatz von mehr als 142 Milliarden US-Dollar – und das war noch nicht einmal sein bestes Jahr. Der Mac steuert hingegen je nach Quartal gerade noch 10 Prozent bis 15 Prozent zum Umsatz bei. Sogar das iPad spült mehr Geld in die Kassen. Viele Mac-Anwender fürchteten deshalb, dass die ikonische Rechenmaschine in der Planung der Kalifornier irgendwann keine Rolle mehr spielt.
Doch dieses Thema ist vom Tisch. Mit dem Umstieg auf die eigenen M1-CPU sind Dinge möglich geworden, die wir vor wenigen Monaten als Utopie abgetan hätten («Mal sehen, in fünf Jahren vielleicht?») Stattdessen stellt der Chip die Mitbewerber bloß, allen voran Intel. Der M1 hat dafür gesorgt, dass Apple praktisch über Nacht die Meute hinter sich liess und jetzt weit oben in der Nahrungskette steht, vermutlich sogar an der Spitze.
Der Mac steht wieder in der Sonne. Apple hat ihn nicht vergessen.
Das neue MacBook Pro
Insgesamt hat Apple in einem ersten Schwung drei Geräte mit M1-CPU veröffentlicht: einen Mac mini, ein MacBook Air und das MacBook Pro, das jetzt auf dem Prüfstand steht. Allen Leistungssprüngen zum Trotz muss man sich vor Augen halten, dass es sich hier um die Einsteigergeräte handelt: also um die kleinsten Konfigurationen, in denen die Intel-CPUs durch den eigenen M1 ersetzt wurden. Alle anderen Macs werden dann innerhalb der nächsten zwei Jahre schrittweise umgerüstet.
Wie wir noch sehen werden, ist die Leistung so ziemlich das letzte Problem der neuen «Einstiegsklasse». Alle drei Rechnertypen arbeiten mit derselben M1-CPU. (Nur das kleinste MacBook Air kommt mit sieben statt mit acht Kernen, aber das ist eine andere Geschichte.) Selbst die Gehäuse ist identisch; von außen betrachtet lässt sich zum Beispiel nicht feststellen, ob im MacBook Pro eine M1- oder eine Intel-CPU schlägt. Stattdessen unterscheiden sich die Einsteigermodelle bei der Ausstattung.
Anschlüsse. Im Vergleich zu den größeren MacBook-Pro-Modellen auf Intel-Basis bietet das M1-Gerät nur zwei Thunderbolt-Anschlüsse im USB-C-Format. An ihnen wird sämtliches Zubehör angeschlossen, vom externen Monitor über den SD-Card-Leser bis hin zum ausgewachsenen RAID. Die maximale Datenrate beträgt 40 Gbit pro Sekunde, wenn ein Thunderbolt-Gerät angehängt wird; über USB-C 3.1 sind es bis zu 10 Gbit pro Sekunde. Außerdem wird das Gerät über diese Anschlüsse auch geladen; welchen Port Sie dazu verwenden, ist egal.
Beide Anschlüsse befinden sich links; eine Verteilung auf beide Seiten wäre allerdings besser gewesen, etwa beim Laden oder wenn ein externes Display angeschlossen wird. Denn je nach Situation muss das Kabel etwas unschön um das Gerät herumgeführt werden.
Externe Displays. Der zweite Unterschied betrifft die Anzahl der Displays, die betrieben werden können. Das M1-Gerät steuert bei Bedarf ein weiteres Display mit einer Auflösung von bis zu 6K bei 60 Hz. Der Anschluss erfolgt direkt über USB-C oder über einen Adapter via VGA, HDMI, DVI oder Thunderbolt 2. Die Intel-basierten Modelle schaffen das ebenfalls; doch sie können auch mit zwei externen Displays umgehen, dann aber «nur» bis 4K und 60 Hz.
Der RAM und seine Folgen
Wie alle anderen M1-Geräte wird das Gerät wahlweise mit 8 GB oder 16 GB bestückt. Mehr geht zurzeit nicht. Die Intel-basierten MacBooks mit 13 Zoll lassen sich hingegen mit 32 GB bestücken, das 16-Zoll-Modell sogar mit 64 GB. Später wird es natürlich M1- oder M2-Geräte mit mehr RAM geben, doch im Jahr 2020 markieren 16 GB das Ende der Fahnenstange.
Allerdings lassen sich diese Werte nicht vergleichen, denn die «Unified Memory Architecture» ist im neuen MacBook Pro komplett anders konzipiert als der RAM in den Intel-basierten Geräten. Dabei darf der Aufbau nicht mit dem kompromissbehafteten «Shared Memory» verwechselt werden, bei dem sich meistens eine bescheidene Grafikkarte den RAM mit der CPU teilt.
Alles, was den Rechner ausmacht, befindet sich jetzt auf einem einzigen Chip (SoC, «System on Chip»). Auf ihm befinden sich die CPU, die Grafikeinheit und vieles mehr. Sie alle teilen sich einen superschnellen Speicherpool, das «Unified Memory». Was es hingegen nicht mehr gibt, sind überholte Bus-Architekturen oder Controller. Stattdessen greift jeder Rechenkern direkt auf diesen Speicherpool zu.
Daten werden also nicht länger hin und her kopiert, sondern stehen sofort jedem Baustein zur Verfügung, der sie braucht: Das kann zum Beispiel die Grafikeinheit sein, oder die Neural Engine. Dabei sind die Antwortzeiten extrem kurz, weil keine Daten von hüben nach drüben kopiert werden müssen.
Apple hat mit diesem abgekürzten Verfahren eine Menge Erfahrung, denn es kommt auch in den iPhones und iPads zur Anwendung: Dort werden die Apple-Geräte oft von der Android-Fraktion belächelt, weil sie vergleichsweise wenig RAM verbaut haben. Dass die iPhones schlussendlich doch schneller sind, wird damit erklärt, dass Apple im Gegensatz zu Google viel weniger Geräte unterstützen muss – vermutlich, weil es so bequem ist und plausibel klingt.
Energieverbrauch, Kühlung und Batterie
Das Chipdesign und die Fertigung in 5-nm-Strukturen, die eine Sensation für sich ist, sorgen auch dafür, dass der SoC sehr wenig Strom benötigt und dadurch auch sehr wenig Wärme produziert. Apple-Geräte waren seit dem ersten Macintosh schon immer extrem leise, weil Steve Jobs die Lüfter hasste. (Und wer tut das nicht?) Mit dem M1 treibt Apple die Sache auf die Spitze.
Das kleinere MacBook Air mit M1-CPU kommt ganz ohne Lüfter aus, was von einem gesunden Selbstvertrauen zeugt. Im MacBook Pro ist hingegen ein Lüfter verbaut, obwohl die CPU in beiden Modellreihen praktisch gleich schnell ist. Der Unterschied liegt darin, dass die CPU im MacBook Pro ihre Leistung über einen langen Zeitraum aufrechterhalten kann, während jene im MacBook Air irgendwann gedrosselt wird, um eine Überhitzung zu verhindern.
Allerdings ist die Sache halb so wild. Dem Vernehmen nach braucht es beim MacBook Air etwa eine halbe Stunde, bis die CPU gedrosselt werden muss. (Mir fehlen leider die technischen Mittel, um das nachzuprüfen.) Aber auch das geschieht nur dann, wenn die CPU während der ganzen Zeit unter Volllast gefordert wird, etwa bei einem umfangreichen Videoexport. Die reguläre Arbeit in einem Grafikprogramm oder einer Videoschnitt-Software (ohne Export) reicht dazu nicht aus.
Vor allem wurde das MacBook Pro im Test immer nur warm – aber nie heiß. Ich habe den Lüfter des MacBook Pro nie zu hören bekommen, sodass ich Apple einfach glauben muss, wenn sie sagen, dass einer verbaut wurde. Wenn das Gerät vor einem steht, wirkt es wie eine hochwertige Attrappe: Da ist ein Bild auf dem Monitor zu sehen, einige Fenster oder Grafiken; aber sonst geschieht nichts. Kein Säuseln. Kein Hinweis darauf, dass irgend etwas im Inneren arbeitet. Es blickt dich an wie eine stoische Hundeseele und wartet darauf, was als nächstes verlangt wird. Der Geräuschpegel ändert sich auch nicht, wenn Programme gestartet, Fotos retuschiert oder Videos geschnitten werden. In dieser Hinsicht fühlt sich das MacBook Pro wie ein iPad an, ist aber viel flexibler und wirkt manchmal ein wenig surreal.
Die Effizienz des SoC schlägt sich auf den Akkuverbrauch nieder – und hier sind die Daten einfach nur spektakulär. Voll aufgeladen, reicht die Laufzeit gemäß Apple bis zu 20 Stunden. Bei mir waren es vermutlich eher 15 Stunden, aber ich habe das Gerät nie bis zum letzten Prozent entladen.
Leistung
Die Leistung des SoC im MacBook Pro ist schwer in Worte zu fassen. Natürlich waren neue Prozessoren schon immer schneller als die vorherige Generation. Aber was wirkt hier für ein Zauber?! Zum Vergleich wurde ein iMac 5K aus dem Jahr 2019 hinzugezogen, mit einem Intel Core i9 (Achtkerner), 32 GB RAM und mehr, siehe hier:
Dem gegenüber steht das MacBook Pro mit M1 und 16 GB RAM:
Benchmark. Im Benchmark mit Geekbench 5 erreichte der iMac mit seiner nicht eben schwachen Intel-CPU einen Wert von 1238 Punkten in der wichtigeren Single-Core-Messung, während ihm das MacBook Pro mit 1729 Punkte gründlich auf die Parade regnete. Bei der Multicore-Messung schaffte der iMac immerhin 7754 Punkte, während das MacBook Pro mit 7540 Punkten abschloss. Kurz: Das Einsteiger-Notebook deklassiert den iMac, der erst 2019 mit der teuersten Intel-CPU gekauft wurde.
SSD. Beim SSD liefert Apple die übliche Kost ab, lies: Werte, von denen viele andere Notebooks nur träumen. Gemessen mit dem kostenlosen Disk Speed Test von Blackmagic erreichte das MacBook Pro beim Lesen und Schreiben über 2.7 GB pro Sekunde. Damit lässt sich gut arbeiten.
Rosetta 2
Bis jetzt wurde ein Thema unterschlagen: Der M1 ist eine völlig andere Prozessor-Architektur. Wie gut läuft also bestehende Software? Ich möchte das Thema hier nicht zu weit ausbreiten, denn in diesem Beitrag wurde eigentlich alles gesagt.
Kurz zusammengefasst: Die Portierung der bestehenden Anwendungen ist für die Entwickler ein Klacks, wenn die Software nach Apples Richtlinien programmiert wurde und als reine 64-Bit-Anwendung unter macOS 11 «Big Sur» läuft. Der Aufwand für die Portierung wird in solchen Fällen in Stunden gemessen. Darum erscheinen im täglichen Rhythmus neue, an den M1 angepasste Programme. Sie werden im Apple-Jargon als «Universal Binaries» bezeichnet: Darin enthalten sind sowohl der Code für Intel-Prozessoren, als auch jener für den M1. Irgendwann in einigen Jahren wird der Intel-Code dann verschwinden.
Programme, die diesen Status noch nicht erreicht haben, werden als «Intel» ausgewiesen. Sie werden durch den Emulator «Rosetta 2» für die M1-Architektur aufbereitet. Das klingt nicht sehr angenehm, denn eine Emulation war bis anhin die beste Garantie für einen massiven Leistungsverlust. Die praktischen Erfahrungen sind jedoch schnell geschildert: Es funktioniert fantastisch.
Die emulierte Software lief auf dem MacBook Pro mindestens so schnell wie auf dem oben erwähnten iMac, meistens aber schneller. Bei den Tests mit RAW-Dateien in Capture One 20 reagierte das MacBook so flüssig, dass von der Emulation nichts zu spüren war. Selbst Adobe InDesign – dem ich nicht weiter traue, als ich spucken kann – verhielt sich auf dem M1 sehr reaktionsfreudig und stabil und erkannte die Grafikkarte für die Beschleunigung des Bildaufbaus, ohne zu zucken.
Kurz, der M1 ist so unproblematisch, wie man ihn sich nur wünschen kann. Selbst «Big Sur» als Betriebssystem funktioniert nicht nur schneller; es zeigt auch keine seiner kleinen Macken, die am iMac regelmäßig am Nervenkostüm zupfen.
Nachteile
Das MacBook Pro ist eigentlich das perfekte Arbeitsgerät. Drei Punkte sind nicht ganz optimal gelöst: eine Geschmacksfrage, ein Sachzwang und eine Tatsache.
Touch Bar. Sie ist eine Frage des Geschmacks: Im Gegensatz zum MacBook Air kommt das MacBook Pro mit der Touch Bar – jenem Multitouch-fähigen Display über der Tastatur, die je nach Anforderung sein Aussehen ändert. Ich mag die Touch Bar überhaupt nicht und viele Diskussionen auf Reddit und in Foren zeigen, dass es anderen Leuten genauso geht. Andere finden sie toll, auch das muss erwähnt werden. Schön wäre es, wenn man das MacBook Pro auch ohne diese Einrichtung bestellen könnte. Doch weil das nicht möglich ist, würde ich allein deswegen zum MacBook Air greifen, weil es ohne diesen neumodischen Schnickschnack daherkommt.
Windows. Der M1 basiert auf der ARM-Architektur. Ein frei erhältliches Windows in einer ausgereiften ARM-Version gibt es aber nicht zu kaufen. Und so ist zu befürchten, dass das Microsoft-System bis auf Weiteres nur sehr langsam als Emulation läuft. Zurzeit sind alle Augen auf Parallels Desktop gerichtet, das sich in der Vergangenheit als die Lösung schlechthin gemausert hat, wenn es um die Virtualisierung von Windows geht. Aber inwiefern das in der nahen Zukunft funktioniert, wird sich erst noch zeigen.
Webcam. Die Webcam löst mit 720p auf und ist einfach nur schlecht. Apple bewirbt die Möglichkeiten des M1 auch damit, dass der Chip für bessere Tonwerte und Hauttöne bei Videochats sorgt. Das macht die Sache etwas besser, aber ändert nichts daran: Die Webcam ist immer noch schlecht und dieser feinen Maschine unwürdig.
Kaufberatung und Fazit
Das MacBook Pro ist das überlegene Notebook dieser Zeit. Ob es für Sie passt, ist an verschiedene Faktoren verknüpft. Reichen die Anschlüsse? Sind 16 GB RAM genug, wenn unzählige Musiktracks, Datenbanken oder extrem komplexe CAD-Dateien im Speicher gehalten werden müssen? Einige Fragen werden wohl erst nach dem Kauf beantwortet werden können.
Für «normale» Anwender (und damit sind auch Grafiker oder Videoproduzenten gemeint) ist das MacBook Pro jedoch eine hervorragende Wahl. Wenn die Software bis jetzt unter «Big Sur» lief, dann wird sie auch auf dem M1-Rechner funktionieren – nur deutlich schneller. Der Rechner reagiert unglaublich geschmeidig, wirkt dienstfertig, frisch und sorgt für jede Menge Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Die enorme Laufzeit wiederum erledigt den Rest: Wenn die Batterie am Morgen geladen ist, ist es fast nicht möglich, sie bis zum Ende des Tages zu entleeren.
Eigentlich stellt sich nur die Frage, wie gut das Gerät ausgestattet werden soll. Prüfen Sie auf Ihrem aktuellen Rechner, wie viel Speicher auf der Festplatte belegt ist und schlagen Sie die Hälfte als Reserve drauf, um die Größe der SSD zu bestimmen. (Bis 2 TB sind möglich.) Beim RAM empfehlen sich in jedem Fall 16 GB: Selbst, wenn Sie mit 8 GB auskommen, schmälert das den Wiederverkaufspreis.
Fazit
Das MacBook Pro läutet zusammen mit seinen M1-Geschwistern ein neues Zeitalter in der PC-Welt ein. Dazu kommt die hervorragende Kompatibilität, sodass Sie diese Bedenken getrost von der Liste der Einwände streichen können. Vom ersten Einschalten bis zum letzten Klick eines langen Arbeitstages fühlt sich das MacBook Pro einfach nur großartig an: Das Tempo, die Reaktionsfreude, das hervorragende Display und natürlich das unerreichte Trackpad machen dieses Notebook zur Wohlfühlzone für Stubenhocker und Arbeitstiere gleichermaßen. Dabei wirkt es eher wie ein Kumpel, der die ungeliebten Arbeiten aus dem Weg räumt, als wie eine Maschine, die unentwegt Stöcke zwischen die Speichen steckt. (Wir alle kennen dieses Gefühl.)Die M1-CPU ist die erste ihrer Art und wir dürfen für die nahe Zukunft noch sehr viel erwarten. Doch wenn Sie bereits hier und heute zuschlagen, haben Sie alles richtig gemacht.
Be the first to comment