Lange wurde es heiss diskutiert, jetzt ist es da: Was taugt der Nachfolger des S7 Edge aus Südkorea? Wir haben es genau untersucht. [...]
Über kein Handy wurden im Vorfeld des Erscheinens so viele Gerüchte und Bilder gestreut wie über das Galaxy S8 von Samsung. Dies ist natürlich einerseits der Marktstellung der mächtigen Südkoreaner geschuldet – hat Samsung mit seinen Telefonen doch einen weltweiten Marktanteil von fast 23 Prozent. Aber auch das Desaster mit den brennenden Akkus des Phablets Galaxy Note 7 wollte man vergessen machen.
Auch deshalb stand das 6,2 Zoll große Galaxy S8 Plus mehr im Fokus als gedacht. Der Begriff Plus ersetzt übrigens die Bezeichnung Edge, wobei die Bauform des S8 Plus mit den abfallenden, abgerundeten Kanten sehr an das Edge erinnert.
Hält man das S8 Plus zum ersten Mal in der Hand, realisiert man, dass bei Geräten dieser Grösse die Haptik einen noch wichtigeren Stellenwert einnimmt, als das bei Smartphones ohnehin bereits der Fall ist. Und da darf man beim S8 Plus bereits zwiegespalten sein: Das Telefon fühlt sich fraglos edel an, obwohl Samsung auf Glas und Alu auf der Rückseite verzichtet und eine Hartplastikverschalung angebracht hat. Allerdings stellt sich das Material der Hinterseite bald als recht glatt und nicht rutschfest heraus. Dies kann Durchschnittsnutzer vor Probleme stellen, da man den Halt des Geräts deswegen mit einem Finger sicherstellen muss. An eine einhändige Bedienung ist daher nicht zu denken, es sei denn, die Finger haben eine Spannweite von 30 Zentimetern. Entsprechend unglücklich ist deshalb die Positionierung des Fingerabdruckscanners, nämlich auf dem oberen Viertel der Rückseite, neben der Kamera. Nebst einigen Schwierigkeiten mit der Erreichbarkeit, läuft man auch Gefahr, allzu oft versehentlich die Kameralinse zu treffen.
Auf der Pro-Liste steht dafür die Optik: Das Telefon macht was her. Auf herausstehende Linsen oder ein farblich abgehobenes Linsengehäuse hat man lobenswerterweise verzichtet. Vielmehr erstrahlt unser Testgerät in tiefem Schwarz, sowohl auf der Rück- als auch auf der Vorderseite. An den Rändern ist das Smartphone gänzlich kantenfrei und auch die Ränder oben und unten am Display sind lediglich einige Millimeter breit. Zwischen Swipe-down-Menü (in dem man z.B. WLAN oder Flugmodus aktiviert) und der obersten Reihe installierter Apps auf dem Start-Bildschirm gibt es also einen angenehmen Abstand, sodass das alte «“wipe-down-statt-App-Start“-Problem hier kein Problem darstellt. Interessant ist auch der virtuelle Homebutton, der drucksensitiv ist. Der Samsung-typische Homebutton fiel ja bekanntlich dem «Infinite Display»-Plan zum Opfer, sodass jetzt ein Fingertipp auf den unteren Drittel des Displays den Druck auf den alten Homebutton ersetzt.
Dass sich aber das haptische Feedback des virtuellen Homebuttons dennoch anfühlt, als habe man tatsächlich eine mechanische Taste betätigt, mutet zwar ungewohnt an, vermittelt aber ein angenehm nostalgisches Gefühl. Apropos Nostalgie: Samsung folgt dem Trend des schlanken Smartphones zwar, jedoch nicht so sehr, dass dabei die Klinkenbuchse dranglauben musste. Als Audio-Enthusiast freut mich das.
Gesichtserkennung ist besser als ihr Ruf
Das Einrichten des Geräts funktioniert wie immer Schritt für Schritt und ist einfach verständlich. Speziell fällt hier natürlich die Gesichtserkennung auf, die Unbefugte vom Missbrauch des Smartphones abhalten soll. Bereits nach kurzer Zeit wurde diese Funktion allerdings als unsicher und unausgereift kritisiert.
Dieser Schelte können wir uns an dieser Stelle nicht anschliessen, im Gegenteil: Die Registrierung des Konterfeis klappt sogar mit verschiedenen Winkeln (z.B. im Sitzen). Es ist also nicht nötig, das Gerät gerade vors Gesicht zu halten und die Augen aus den Höhlen zu drücken (und dies dann bei jedem Entsperren wiederholen zu müssen). Auch der Versuch, den Scanner mit einem Foto des registrierten Gesichts zu täuschen, schlug fehl. Als berechtigt stellte sich jedoch die Lichtkritik heraus: Gibt es keine oder nur ungenügende Hintergrundbeleuchtung, schlägt die Identifikation öfter fehl
.
Kamera, Display, Hardware – vom Feinsten
Ist das Gerät fertig eingerichtet, tritt die Handhabung etwas in den Hintergrund. Auch wenn die in üppiger Zahl vorinstallierte Software (mit unterschiedlichem Nützlichkeitsgrad) ein wenig Unwillen hervorgerufen hat, überwiegt das Positive. Vor allem das Display gibt Grund zur Freude: die messerscharfen Bilder mit satten, intensiven Farben (ohne Kitsch) und gut sichtbare Unterschiede bei Farbverläufen entlocken dann und wann ein fröhliches Jauchzen – Amoled sei Dank. Darüber hinaus sorgt die „Always on“-Technologie dafür, dass das Phone auch im Standby-Modus Auskünfte zu Ladestand und Uhrzeit zu geben vermag. Weiter macht sich auch die Power des Smartphones bemerkbar: Die Reaktion auf Eingaben erfolgt extrem schnell, die Apps sind innert Sekundenbruchteilen gestartet und auch z.B. der Bildaufbau bei HD-Content auf Netflix erfolgt schnell und sauber trotz unterschiedlich gutem Netzempfang (teilweise auch mit 3G).
Hilfreich sind auch das WLAN-Modul (AC-Standard) und ein Bluetooth-Modul, das bereits mit Version 5.0 ausgestattet ist. Dass dies nicht nur eine subjektive Wahrnehmung ist, zeigen auch die Resultate der Benchmarks von AnTuTu, Geekbench und 3DMark, die das Smartphone zweimal auf Rang 1 platzieren und einmal in die erweiterte Spitze (siehe Messwerte in den Screenshots).
Insbesondere die Werte der in europäischen S8-Geräten verbauten Exynos-CPU holt Punkte. Unterschiedliche Gefühle löste der Akku, beziehungsweise die Ladetechnik aus. Letztere vermochte mit der Schnellladetechnik zu begeistern (90 Minuten von 0 auf 96 Prozent Ladestand), während uns die Gerüchte über die Wiederaufbereitung des Note-7-Akkus dem Akku selbst zunächst mit Skepsis begegnen liessen. Allerdings grundlos: Der 3500-mAh-Akku hielt im Dauertest gute 9:30 h aus.
In die Riege der positiven Merkmale reiht sich auch die Kamera ein: Neben einem schnellen Start fallen die kurze Auslösezeit sowie der starke Bildstabilisator auf. Auch profitieren die fotografischen Endprodukte von einem schnellen Autofokus, so wird sehr schnell nachgeschärft. Entsprechend ansprechend sind die Bilder, die so erzeugt werden können. So kann das S8 Plus auch mit dem Huawei P10 oder dem iPhone gut mithalten (siehe Bildervergleich). Die zahlreichen Filter, Zeitlupe, Hyperlapse-Mode und RAW-Optionen runden die starke Kamera ab.
Bixby kommt gut – Samsungs Registrierungswahn nervt
Mit hohen Erwartungen gesegnet geht auch Assistent Bixby ins Rennen. Dieser kriegt sogar einen eigenen Button auf der linken Seite. Mit «Hello Bixby» lässt er sich aber auch per Stimme wecken. Dank Bixby soll nicht nur der Assistent selber, sondern auch alle kompatiblen Apps vollständig stimmgesteuert werden können. Auch ist er eine smarte Schnittstelle: So soll er, wenn er einen Sprachbefehl nicht verstanden hat, selbstständig die geöffneten Apps absuchen und so Rückschlüsse zum Sprachbefehl ziehen können. Ein weiteres Feature ist das Erkennen von Gegenständen vor der Kameralinse. So kann man, bei aktivierter Kamera, Bixby starten. Dieser scannt das Objekt im Fokus ein und zeigt, wo dieses Objekt käuflich erwerbbar ist (oder entsprechendes Zubehör).
Das Ganze nennt sich Bixby Vision. Bixby bietet auch Inhalte an, die dem Ort des Aufenthalts, dem Wetter oder der Uhrzeit angemessen sind. Wirklich smart. Auch in administrativer Hinsicht – z.B. bei Kalendereinträgen, macht er einen guten Job. Zwei Dinge dämpfen die Freude aber erheblich: Zum einen funktionieren viele Features (noch) nicht auf Deutsch, zum andern geht uns unser digitaler Assistent mit seinem permanenten Flehen, man möge doch einen Samsung-Account einrichten, gehörig auf die Ketten.
Fazit
Es besteht kein Zweifel: Das S8 Plus ist ein technisch überragendes Smartphone. Hardware stark, Kamera toll. Auch in Sachen Features legen die Südkoreaner vor – spätestens, wenn Bixby dann ein wenig Deutsch versteht. Allerdings gibt es einige Kleinigkeiten – z.B. Fingerprint, Bloatware, Samsung-Account –, die in der Summe für einen halben Stern Abzug sorgen. Dennoch ein tolles Gerät und gerade für Note-Enthusiasten ein prima Ersatz – wenn auch der Preis von 899 Franken keinen Budget-Kauf darstellt.
*Der Autor Florian Bodoky ist Redakteur von PCTIPP.
Be the first to comment