Teure Generalisten oder wichtige Troubleshooter?

Full Stack Developer beherrschen Front- und Backend. Das macht sie zu teuren Stars der Softwareentwicklung. Lesen Sie, warum ihr Einsatz lohnt. [...]

Mit seinem breiten Wissensspektrum kann ein Full Stack Developer nahezu alle Tätigkeiten der Software-Entwicklung übernehmen und zugleich seinen Fachkollegen hilfreiche Tipps für die Umsetzung einzelner Aufgaben geben. Foto: pixabay.com

Full Stack Developer sind wie alle technischen Fachkräfte am deutschen Arbeitsmarkt derzeit Mangelware. Jedoch fällt es Unternehmen schwer, sich für diese Allrounder unter den Entwicklern zu entscheiden, da sie sich nicht sicher sind, ob sie diese wirklich benötigen und was sie das kosten wird. Doch was genau umfasst das Berufsbild des Full Stack Developers eigentlich, und sind Bedenken gegen solche Generalisten tatsächlich berechtigt?

Um es gleich vorwegzunehmen: Als Unternehmen auf die Kompetenz eines erfahrenen Full-Stack-Entwicklers zu verzichten, wäre in der heutigen Zeit ein schwerer Fehler. Diese Berufsgruppe lebt wie keine andere der Developer-Szene von ihrer Wissensbreite. Dieses Know-how erwirbt ein Full Stack Developer nicht nur in der Ausbildung, sondern baut es vielmehr im Laufe seiner Berufsjahre immer weiter aus. Auch Quereinsteiger sind in diesem Bereich nicht unüblich, denn dieser Entwicklertypus wächst mit seinen Aufgaben und eignet sich all jene Expertise an, die er später universell benötigt. Genau das macht ihn im IT-Team eines Unternehmens zum Teil der Lösung und nicht zum Teil des Problems.

Skills, die Full Stack Developer auszeichnen

Full Stack Developer sind mit Frontend- und Backend-Entwicklung vertraut. Sie dienen daher oft auch als Bindeglied zwischen beiden Bereiche. Idealerweise können sie mit allen gängigen Programmiersprachen umgehen und verfügen über grundlegendes Fachwissen in den Feldern

  • Servermanagement,
  • Datenbanken,
  • Software-Architektur,
  • Design,
  • Layout und
  • Testing.

Das gilt sowohl für die Web- als auch die mobile Entwicklung. Mit seinem breiten Wissensspektrum kann ein Full-Stack-Softwareentwickler nahezu alle Tätigkeiten der Softwareentwicklung übernehmen und zugleich seinen Fachkollegen hilfreiche Tipps für die Umsetzung einzelner Aufgaben geben. Noch öfter unterstützt er jedoch die Projektleitung – etwa bei der Analyse der Voraussetzungen für eine erfolgreiche Projektrealisierung. Das reicht von der Abschätzung des Projektzeitraums über die Auswahl passender Technologien bis zur Organisation der Testphase. Gerade diese – auch beratenden – Tätigkeiten erfordern neben reinem Fachwissen

  • eine hohe Motivation zur eigenen Weiterentwicklung und die Übernahme neuer Aufgaben,
  • eigenständiges Arbeiten,
  • Problemlösungskompetenz und
  • Teamfähigkeit.

Typischerweise hat auch der Generalist im Team der Softwareentwickler seine Stärken entweder im Front- oder im Backend. Die Unterscheidung zwischen Front- und Backend ist vor allem bei der Bewertung der Qualifikationen des Full Stack Developers relevant. Hier lohnt es sich, beide Bereiche getrennt zu betrachten, am besten in der klassischen Abstufung Junior/Intermediate/Senior/Team-Lead.

In der heutigen IT-Landschaft wird nicht erwartet, dass ein einzelner Mitarbeiter von Anfang an über alle erforderlichen Fähigkeiten verfügt. Wenn es aber um den schnellen Ausbau des Fachwissens geht, ist der Full Stack Developer vielen seiner Kollegen überlegen, denn genau das ist eine seiner Kernkompetenzen.

Full-Stack-Entwickler haben ihren Preis

Natürlich sind Entwickler mit solchen Berufsprofilen am Markt nicht günstig zu haben. Full-Stack-Entwickler rangieren an der Spitze der Gehälter unter den Fachkollegen – mit teils deutlichen Aufschlägen. Ein Grund, weshalb Unternehmen sich im Zweifel für den günstigeren Spezialisten entscheiden. Doch das ist zu kurz gedacht.

Vor zehn Jahren waren alle Web-Entwickler das, was man heute Full Stack Developer nennt, also verantwortlich für den gesamten Entwicklungsprozess des Front- und Backend einer App. Es folgte eine Phase immer stärkerer Spezialisierung. Doch nun dreht sich dieser Prozess wieder um, denn es wird deutlich, dass neben den vielen einzelnen Spezialisten, die ihren Bereich aus dem Effeff beherrschen, auch Generalisten gebraucht werden, um den Blick auf das große Ganze nicht zu verlieren.

Die Erfahrung zeigt, dass Full-Stack-Entwickler besonders in den folgenden Bereichen gefragt sind:

  • App Rapid Prototyping in kleinen Teams – zum Beispiel beim Definieren der Architektur oder als Vermittler zwischen den technischen Experten.
  • Ad-hoc-Ersatz für fehlende Spezialisten im Front- oder Backend.
  • Unterstützung bei Legacy-Systemen, die in das Gesamtprojekt integriert werden müssen, von denen viele jüngere Web-Entwickler wahrscheinlich nur noch den Namen des Systems kennen.

Full-Stack-Erfahrungsschatz verhindert Fehlentscheidungen

Full Stack Developer sind vielleicht nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts. Gerade bei der Entwicklung komplexer Systeme ist ihr Erfahrungsschatz ein Pfund, auf das kein Unternehmen in seinem IT-Team verzichten sollte. Sie bringen den Blick auf das große Ganze mit, wie ihn sonst nur Software-Architekten oder Chief Technology Officers (CTO) haben, kennen aber auch die Tücken der detaillierten Umsetzung einer architektonischen Vision.

Es ist also mehr als eine gute Entscheidung, wenn Unternehmen Full-Stack-Softwareentwickler beschäftigen, auf deren Kompetenz sie bei Bedarf zugreifen können. Sei es als interne oder outgesourcte Ressource. Betriebswirtschaftlich macht es Sinn, diese Generalisten als Investition zu betrachten. Eine Investition, die gepflegt werden sollte und deren Rat nicht hoch genug geschätzt werden kann. Hilft er doch, viele kostspielige Fehler zu vermeiden.

*Alexander Isaenco ist Technical Director bei WaveAccess Germany.


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