12 Technologie-Trends für 2021

Die Covid-19-Pandemie beeinflusst auch die IT-Trends im Jahr 2021. Dabei werden sich Veränderungen viel schneller vollziehen als noch vor der Krise, prognostiziert das Beratungshaus Cloudflight. [...]

Mensch und Gesellschaft, Ökonomie und Umwelt sind mehr denn je Treiber von Technologie-Trends (c) pixabay.com

Aus der zweiten Corona-Welle heraus fühlt sich ein Ausblick auf 2021 eher wie ein Sprung ins Jahr 2030 an. Die IT-Landschaft wird sich ebenso radikal verändern wie unser Umgang mit Technologie. Wer hätte noch vor einem Jahr gedacht, dass selbst Finanzdienstleister von einem Tag auf den anderen Mitarbeiter ins Home-Office schicken?

Mensch und Gesellschaft, Ökonomie und Umwelt sind mehr denn je Treiber von Technologie-Trends. Es lohnt sich daher, einen Bezug zwischen diesen Faktoren herzustellen. In kaum einem Jahr haben sich die äußeren Umstände so radikal gewandelt wie während der Covid-19-Pandemie. Deshalb wird sich auch die Akzeptanz oder Ablehnung bestimmter Technologien so sprunghaft verändern, wie wir es sonst nur binnen fünf oder zehn Jahren erleben. Also: Willkommen im Jahre 2030!

Das Marktforschungs- und Beratungshaus Cloudflight sieht für 2021 die folgenden Trends:

Trend 1: Technologie-Akzeptanz polarisiert die Gesellschaft

Genauso wie politische Meinungen zunehmend auseinandergehen, wird es sich mit der Akzeptanz von digitaler Innovation verhalten. Ein Teil der Gesellschaft wird digitale Dienste im Alltag viel intensivier nutzen, ein anderer Teil wird dies zunehmend ablehnen. Der technologieaffine Teil wird Risiken abwägen und eingehen, während der andere Teil Technologien verteufeln und deren Einsatz möglichst verhindern wird.

Hier entwickeln sich extreme Weltanschauungen, die sich mit Verschwörungstheorien vermischen. So verliert Deutschland gegenüber Nachbarländern wie den Niederlanden kontinuierlich an Kaufkraft für digitale Innovation aus dem eigenen Land. In der Vergangenheit hat man oft mit fertigen Pilotversionen einer Software (MVPs) für die Akzeptanz von Nutzern geworben. Dies wird im anbrechenden Jahrzehnt schwieriger, wenn es viele mögliche Nutzer kategorisch ablehnen, diese Produkte überhaupt anzuschauen und auszuprobieren.

Unternehmen müssen deshalb in ihrer Zielgruppe nicht nur Business-Cases und Requirements, sondern explizit gesellschaftliche Akzeptanzkriterien vor der Produktentwicklung erforschen. Erstmals wird es Zielgruppen geben, die bewusst keine Autos online kaufen oder bewusst moderne Finanzdienstleister meiden, die die Finanzen ihrer Kunden mithilfe künstlicher Intelligenz optimieren.

Trend 2: Datenschutzbedenken und Föderalismus blockieren die Digitalisierung

Auch wenn eine gesunde Skepsis gegenüber globalen Anbietern angebracht erscheint, ist nicht jeder Cloud-Dienst gleich kriminell, nur weil er aus den USA oder China kommt. Hier gilt es, genau hinzuschauen, Verträge, Sicherheitsmaßnahmen und Zertifizierungen zu verstehen sowie die Geschäftsmodelle der Anbieter zu hinterfragen. Viele Datenschützer tun dies nicht und bremsen die Digitalisierung, indem sie alle globalen Dienste verbieten.

Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass Europa kaum noch Exportchancen für eigene Digitaldienste hat, da 2021 jeder Staat seinen eigenen Datenschutz als den Besten ansieht. Deshalb erreichen auch gute Ansätze wie Gaia-X nicht die nötigen Skaleneffekte, um zu Exportschlagern zu werden.

Trend 3: Corona-Verlierer reagieren mit neuen Geschäftsmodellen

Ohne Zweifel wird das wirtschaftliche Überwinden der Corona Pandemie das dominante Thema des nächsten Jahres, wenn nicht der ganzen 20er Jahre. Sowohl Verlierer als auch Gewinner in der Krise beschleunigen die Technologie-Entwicklung.

Jedes Unternehmen, das von Corona existenziell getroffen wurde, muss sich neu erfinden, weil die Pandemie auch 2021 noch allgegenwärtig sein wird. So werden aus Restaurants Lieferdienste mit Onlinebestellung oder aus Eventveranstaltern kommerzielle Streaming Plattformen. An die Stelle der vormaligen Investitionen tritt die As-a-Service Economy, um das Risiko in der unsicheren Wirtschaftslage zu beherrschen.

Sie berechnet nicht nur den Kunden Leistungen entsprechend ihres Verbrauchs, sondern erlaubt es auch Unternehmen, alle nötigen Ressourcen je nach Bedarf zu skalieren. Der Lieferdienst würde also beispielsweise seine Fahrzeuge nicht mehr kaufen oder leasen, sondern pro Kilometer oder Lieferung an den Fahrzeughersteller zahlen (Equipment-as-a-Service).

Das gilt natürlich auch für die IT. Deshalb erwartet Cloudflight ein weiteres Sterben von unternehmenseigenen oder regionalen Rechenzentren und ein überproportionales Wachstum bei globalen Public-Cloud-Anbietern (Hyperscaler) wie AWS, Microsoft Azure, Google Cloud, Alicloud und Tencent. Historisch kann man beobachten, dass massiver Kostendruck in der US-Wirtschaft stets ein Wachstumstreiber für Amazon Web Services war.

Der europäischen Wirtschaft ging es in den vergangenen Krisen aber immer noch so gut, dass sie keine radikalen Veränderungen an ihrer IT wagte. Das wird jetzt anders! Weil ein Teil der europäischen Wirtschaft besonders hart von der Pandemie getroffen wird und die Hyperscaler zugleich die EU-Anforderungen an Privatsphäre erfüllen, werden wir 2012 in Europa erstmals den gleichen Effekt erleben wie in den USA 2013, 2015 und 2018.

Trend 4: Corona-Gewinner investieren in ihren Technologievorsprung

Man darf in der Pandemie nicht vergessen, dass einige Branchen stark davon profitieren. Dazu gehören die Online Retailer, Logistiker, Lieferdienste und alle, die etwas mit Schutzkleidung und Hygieneartikeln zu tun haben. Auch in der IT-Branche boomen die Videodienste, Netzwerkkomponenten-Anbieter und Telekommunikations-Unternehmen. Sie alle investieren die Gewinne im Jahr 2021 massiv in Business Modell- und Technologieentwicklung, um sich für die neue Wettbewerbslage nach Corona vorzubereiten.

Die sogenannte Circular Economy wird bei den Business Modellen eine wichtige Rolle spielen und beispielsweise im B2B-Bereich neue Pfand- und Verpackungslösungen hervorbringen, die mithilfe von IoT-Tracing Mehrwerte erbringen. Insgesamt schaffen es die Corona Gewinner, sowohl in nachhaltige als auch in disruptive Technologie zu investieren. Beispielsweise werden noch intelligentere Müllsortieranlagen mehr Upcycling von Rohstoffen ermöglichen. In weniger dicht besiedelten Gebieten kommen die ersten Lieferdrohnen als Prototypen zum Einsatz. Im Folgejahr 2022 werden sie produktiv genutzt.

https://itwelt.at/news/die-wichtigsten-it-trends-2021-2/

Trend 5: Marktführer schreiben ihre Business-Software selbst

Getrieben von den Corona-Gewinnern wird sich die Softwarelandschaft in Unternehmen weiter verändern. Durch Branchenführer wie Otto oder Lidl wurde in den vergangenen Jahren ein Trend angestoßen, den man eher aus der Finanzbranche kennt. 2021 hinterfragen immer mehr Unternehmen die Kosten der Einführung und Wartung von ERP-Softwarepaketen und entwerfen alternative Business-Software auf Basis von Open-Source-Plattformen oder Plattform-as-a-Service Diensten der Hyperscaler.

Trend 6: Hard- und Software: Appliances zerbrechen

In vielen Bereichen wie der Automotive-Branche, aber auch in Consumer-Produkte kam die Software traditionell zusammen mit der Hardware „embedded“ von einem Hersteller. Während sich Hardware kontinuierlich und langsamer entwickelt, macht die Software in 2021 Jahr die größeren Sprünge. Viele OEMs versuchen deshalb, Software selbst zu entwickeln, beispielsweise Volkswagen mit seinem CarOS.

Andere beziehen Software von spezialisierten Partnern, zum Beispiel Daimler über seine Partnerschaft mit Google/Waymo. Trotzdem braucht man weiterhin viel Erfahrung, Rechenleistung und Steuergeräte, um Systeme für die harten Bedingungen in Fahrzeugen oder Industrieanlagen zu bauen. Zulieferer wie Bosch oder Continental haben eine schwierige Dekade vor sich, in der sie sich durch eigene Softwareinnovationen in einem neuen Ökosystem behaupten müssen.

Trend 7: Software Stack Eruption – Daten sind die neue Software

Die Rolle der Software mit ihrer Qualität und Funktionalität wird 2021 zunehmend von Daten abgelöst. Hier entwickelt sich eine ganze Klasse von Datenprodukten, Datenmanagement-Plattformen, Datenentwicklungs-Plattformen, Datenvirtualisierungs-Plattformen oder bereits fertigen Trainingsdaten für die gängigen Machine-Learning-Algorithmen. Die OpenAI Initiative zeigt uns, dass sich Algorithmen durch entsprechende Datenmengen weiterentwickeln müssen.

Das reine Datensammeln bringt keinen Durchbruch, zugleich stößt die Programmierung nur mit Simulationen ohne reale Daten in der neuen Dekade an ihre Grenzen. Entscheidend ist deshalb das schnelle Sammeln von Lerndaten in ausreichender Menge und in guter Qualität. Die traditionelle Software außerhalb von Machine Learning und künstlicher Intelligenz wird immer stärker zur Commodity und durch eine Orchestrierung von PaaS-Services abgelöst. Darüber hinaus nehmen Software-Services den Platz der IT-Infrastruktur ein. Die klassische Infrastruktur mit Compute-Diensten wird weiter abstrahiert und nimmt eher die Rolle des bisherigen Netzwerkes ein.

Software Stack Eruption – Data is the new Software (c) Cloudflight

Diese „Software Stack Eruption“ wird zusätzlich stimuliert vom Trend zu „Infrastructure-as-Code“, aber auch von einem Machine-Learning-basierten Infrastruktur-Management. Hierbei beschreibt ein Code oder eine künstliche Intelligenz anstelle eines Menschen dynamisch die notwendige Infrastruktur für bestimmte Anwendungen.

Trend 8: Hybrid- und Multi-Cloud – Fast Forward to PaaS

Private und Public Clouds oder mehrere Public Clouds gleichzeitig für eine Applikationslandschaft zu nutzen, wurde viel diskutiert, ist aber operativ eher die Ausnahme. 2021 wird dies zur Norm. Dabei hilft die Abstraktion der verschiedenen Cloud-Infrastrukturen mit dem Container Management auf Basis von Kubernetes. Ebenso spezielle Software Frameworks wie Googles Anthos oder Microsofts Azure Arc, die hinsichtlich der Einsatzszenarien und ihrer Reifegrade jedoch noch Nachholbedarf haben. 2021 werden Anwender zudem hybride PaaS-Dienste nutzen.

Dies sind Softwaredienste, die transparent über mehrere Hyperscaler eine integrierte Management Umgebung anbieten. Ein Beispiel ist die kürzlich angekündigte Version von MongoDBs Datenbank-Dienst Atlas. 2021 werden sich die Private Clouds nahtlos wie ein weiterer Public-Cloud-Provider in die PaaS-Management-Tools einfügen.

Trend 9: IoT wird zur physischen Oberfläche von „Anywhere Computing“

IoT wird in 2021 nicht nur eine Mainstream-Technologie, es etabliert sich auch als äußerer Rand des Edge Computings. Auch wenn es noch lange dauert, bis alle bestehenden Industrieanlagen online sind, wird ab 2021 praktisch keine neue Maschine und kein Auto mehr gebaut, das nicht eine Online-Option bei der Bestellung besitzt. Dabei löst sich der Sonderstatus von IoT Devices auf.

Alle Public Cloud Hyperscaler werden 2021 das gesamte Spektrum von Public Cloud bis Edge-Computing anbieten. Es erstreckt sich über Cloud Regionen, kleinere lokale Instanzen, Mini-Instanzen in den Telco-Netzen, verschiedene Formen von Edge-Computing in Unternehmen bis hin zu Betriebssystemen auf sehr kleinen IoT-Devices. Edge-Computing ist aber keine Insel mehr, sondern integrierter Bestandteil einer größeren Topologie. Diese Entwicklung machte es erheblich einfacher, autonome Fähigkeiten „am Edge“ mit großen Datenmengen und KI-Prozessen in der Public Cloud zu verknüpfen. Damit ist der Weg für autonome Robotik und autonome Fahrzeuge im großen Stil geebnet.

Trend 10: Der 5G-Mobilfunk floppt weiter in Deutschland

Obwohl die Telekommunikations-Unternehmen extrem profitabel sind, wird auch 2021 keine flächendeckende 5G-Versorgung erreicht, die mit unseren Nachbarländern vergleichbar ist. Die Gründe dafür sind nach wie vor die falsche Regulierung und politischer Lobbyismus. Größere Unternehmen investieren deshalb teilweise in 5G-Campusnetze als Alternative oder Ergänzung zu Wifi-Infrastrukturen.

Der beschriebene Megatrend der „Software Stack Eruption“ beschreibt das Momentum für künstliche Intelligenz und Machine Learning. Diejenigen Unternehmen, die frühzeitig Strategien zum kundenübergreifenden Sammeln von Lerndaten entwickelt haben, sind jetzt auf der Zielgeraden:

Trend 11: Im Jahr 2021 gehen 30 Prozent der AI/ML-Projekte in DACH in den produktiven Betrieb

Damit ist die Zeit der erfolglosen Piloten und MVPs Vergangenheit. Diese Entwicklung erstreckt sich über alle Bereiche, B2B und B2C. Im Consumer-Markt erreichen Realtime-Übersetzungs-Apps den Durchbruch, sobald man wieder mehr reisen kann. Autonomes Fahren schafft es in Europa auch 2021 noch nicht auf das Niveau wie in den USA und China. Hierzulande sind die rechtlichen Bedenken noch lange nicht ausgeräumt und blockieren Innovationen auf öffentlichen Straßen. Klar definierte Zulassungsbestimmungen der EU und auditierbare Tests für autonome Fahrzeuge sind überfällig.

Trend 12: Voice ist das neue Mobile

Es hat fast zehn Jahre gedauert, bis sich die Nutzung von Smartphones und Tablets von Content-Webseiten über E-Commerce bis hin zu ERP-Systemen durchgefressen hat. Ähnlich disruptiv, aber viel schneller kommt nun „Voice-as-UI“ als neue Form der User-Experience voran. Zunächst nur beschränkt einsetzbar und aus dem Consumer-Bereich kommend, entwickeln sich Voice-Interfaces so schnell, dass sie bestimmte Nutzerinteraktionen im professionellen Bereich schlagartig überholen werden.

Auch wenn es für eine künstliche Intelligenz inzwischen egal ist, ob sie mittels natürlicher Sprache oder über Text mit Menschen kommuniziert, findet die natürliche Sprache eine schnellere Nutzerakzeptanz. Dies wird sich durch den Corona-bedingten Bedarf an „Touchless-UIs“ weiter verstärken. Textbasierte Chatbots bleiben weiter hinter den Erwartungen zurück.

*Stefan Ried ist Principal Analyst bei Cloudflight.


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