35 Jahre Softwarepark Hagenberg: Interview mit Bruno Buchberger

Vor 35 Jahren wurde der Softwarepark Hagenberg gegründet. Zu diesem Anlass haben wir mit dem Gründer Bruno Buchberger über seine bahnbrechende Arbeit am Softwarepark Hagenberg gesprochen. [...]

Bruno Buchberger (© Alexsandra Pawloff)

Wie fühlt es sich an, 35 Jahre nach den Anfängen im Schloss in Hagenberg auf Ihre Lebensleistung zurückzublicken?

Erstes spontanes Gefühl ist große Freude, dass so vieles aufgegangen ist. Im Jahr 1989 zog ich mit 25 jungen Leuten in das Schloss ein, heute sind es mehr als 100-mal so viele und die Dynamik ist ungebrochen. Das zeigt deutlich, dass der Gründungsgedanke von damals auch heute noch aktuell ist: Ein Ort, der Forschung, Ausbildung und Wirtschaft im Bereich eines Zukunftsthemas – in unserem Fall Software – zusammenbringt, um eine „Kernschmelze“ zu erzeugen.

Ein fast ebenso spontanes Gefühl ist jedoch Unbehagen darüber, dass der Softwarepark sein volles Potenzial bei Weitem noch nicht ausgeschöpft hat. Kürzlich habe ich eine detaillierte, systematische Analyse mit Handlungsempfehlung verfasst.

Daraus möchte ich nur zwei Punkte hervorheben: Erstens ist und bleibt die Grundlagenforschung die treibende Kraft im Herzen des Softwareparks. Die JKU sollte die Gelegenheit erkennen, im Softwarepark als wissenschaftliche Kraftquelle stärker präsent zu sein.

Zweitens, das innovative Feuer für die Zukunft liegt im zielgerichteten Aufbau einer großen internationalen Community junger Talente vor Ort. Dieser Aspekt wurde bisher vernachlässigt. Aus diesem Grund haben Professor Tom Henzinger (ein ehemaliger Student von mir und Mitbegründer von ISTA) und ich kürzlich einen Vorschlag zur Gründung eines „Austria College“ entwickelt. Ich werde mich darum bemühen, diese Idee schrittweise in den Institutionen zu etablieren.

Können Sie uns ein wenig über die Anfänge im Schloss in Hagenberg erzählen? Gab es bestimmte Herausforderungen oder Anekdoten, die Sie teilen möchten?

Der Startpunkt im Schloss Hagenberg im Jahr 1989 markierte für mich keineswegs den Anfang. Bereits seit 1974 war mein Forschungsinstitut RISC (Research Institute for Symbolic Computation) durch systematische Arbeit in seinem Bereich weltweit führend. Die US-amerikanische National Science Foundation beispielsweise sagte damals über RISC: „There is no comparable institution in the US.“

Die Entscheidung des damaligen Landeshauptmanns, Dr. Josef Ratzenböck, mir 1989 das Schloss Hagenberg zur Verfügung zu stellen, schuf den Rahmen für unbegrenzte Entwicklungsmöglichkeiten in den Bereichen Forschung, Ausbildung und Wirtschaft. Das Erlebnis im Schloss war der Anfang einer jungen, internationalen Gemeinschaft von Wissenschaftsbegeisterten, darunter vor allem viele Ph.D.-Student:innen.

Fast immer befanden wir uns im „Home Office“, wobei das „Home“ das „Castle“ war. Das war eine völlig andere Atmosphäre als heute. Sogar am Samstagabend brannte in vielen Fenstern des Schlosses noch Licht, und wir arbeiteten und lebten gemeinsam im Schloss.

Wir waren uns bewusst, dass alle weiteren Schritte – die Entwicklung des Softwareparks, die Anziehung von Unternehmen, die Gründung der Fachhochschule, die Einrichtung des Software Competence Centers usw. – von uns selbst ausgehen mussten.

Es ging nicht darum, vorgefertigte „Programme“ umzusetzen, sondern ständig neue Aspekte zu erfinden und die vielen Akteure in der (ober-)österreichischen Landschaft der „ppp“ (Public Private Partnership) zur Zusammenarbeit zu motivieren. An dieser Stelle könnte ich viele Einzelpersonen, Institutionen und Unternehmen lobend erwähnen, die begeistert zur Entwicklung des Softwareparks beigetragen haben.

Stellvertretend für sie alle – und hoffentlich ohne diejenigen zu vernachlässigen, die nicht genannt werden – möchte ich hier nur den damaligen Wirtschaftslandesrat Dr. Christoph Leitl erwähnen. Er hat die Begeisterung in wichtige politische Entscheidungen umgesetzt und war der Erste in Oberösterreich, der bewusst Technologie in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik gestellt hat.

Seit den Anfängen hat sich der Softwarepark Hagenberg enorm weiterentwickelt. Was, glauben Sie, waren die Schlüssel zum Erfolg?

Von außen betrachtet war der Anfang, wie bereits erwähnt, scheinbar „bescheiden“. Jedoch war die wissenschaftliche Stärke des RISC als Kern und Ausgangspunkt des Softwareparks selbst nach heutigen Maßstäben enorm. Ein Beispiel hierfür ist die Auswahl von RISC durch den damals führenden Wissenschaftsverlag Academic Press, um das erste internationale wissenschaftliche Journal im Bereich der „Symbolic Computation“ (heute ein Teil der „Artificial Intelligence“) aufzubauen. Somit war und ist RISC weltweit der Anlaufpunkt für den gesamten wissenschaftlichen Output auf diesem Gebiet.

Es muss immer wieder betont werden: Eine Spitzenposition in der Wissenschaft ermöglicht nahezu alles, was man sich an wirtschaftlichen und bildungsbezogenen Effekten wünschen kann. Allerdings müssen zwei weitere Faktoren berücksichtigt werden: Erstens müssen die Wissenschaftler den Willen und die Fähigkeit haben, auf die Wirtschaft zuzugehen und die gesamte „Technologiekette“ von der Wissenschaft über die Technologie bis hin zur Wirtschaft und zur gesellschaftlichen Wohlfahrt im Auge zu behalten sowie aktiv mit Impulsen zu versehen und zu begleiten.

Zweitens: Selbst die besten äußeren Bedingungen sind nutzlos, wenn der „geistige Brennstoff“ für Innovation fehlt – und das sind die jungen Talente im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Wie bereits erwähnt: Dieser „Brennstoff“ kann nur durch internationale Anstrengungen in ausreichendem Maße gewonnen werden.

Das Verharren im eigenen österreichischen Umfeld ist zu wenig. Am RISC standen ausländische Talente immer im Mittelpunkt, jedoch gibt es im gesamten Softwarepark noch Luft nach oben in diesem Bereich.

Schauen wir in die Zukunft: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen und Chancen für den Softwarepark Hagenberg in den nächsten Jahren?

Die erste Herausforderung besteht darin, dass die verschiedenen Facetten des Softwareparks – die einzelnen Unternehmen, die verschiedenen Zweige der Fachhochschule, das RISC, das Gymnasium usw. – die jeweils hervorragend funktionieren, wieder intensiv miteinander interagieren und sich als Teil eines größeren Ganzen sehen müssen.

Zweitens ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Softwarepark wieder eine starke Führung erhält, die in der Lage ist, diese Facetten zusammenzuhalten und vor allem neue, zukunftsträchtige Facetten zu entwickeln und umzusetzen.

Drittens – und ich betone dies bewusst erneut – wird der Erfolg des Softwareparks davon abhängen, ob es gelingt, junge internationale Talente in großer Zahl nach Hagenberg zu ziehen und dort zu halten. Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass insbesondere diese letzte Forderung enorme zusätzliche infrastrukturelle, organisatorische und soziologische Anstrengungen erfordern wird.

Sie kommen auch mit 82 Jahren nicht zur Ruhe. An welchem Projekt arbeiten Sie derzeit?

Ich könnte jeden Tag dreimal füllen, da mich unterschiedliche Interessen begeistern: Erstens natürlich die Forschung. Zweitens die Mitwirkung an der Zukunftsgesellschaft durch Bücher, Vorträge, Konzepte usw. (siehe dazu mein neuestes Buch „Wissenschaft und Meditation: Auf dem Weg zur bewussten Naturgesellschaft“). Drittens mein „Bookie Mountain Jazz Trio“.

Ich spreche hier nur kurz über mein Kerninteresse, die Forschung: Die Situation der Mathematik, Informatik usw. ist heute aufregender denn je. Das Potenzial des „Automatisierens des Denkens“ (eine Definition für das, was Mathematik im Kern ist) wird im Zeitalter von ChatGPT, autonomem Fahren usw. plötzlich der breiten Öffentlichkeit bewusst.

All diese Anwendungen erfordern die Erfindung immer komplexerer Algorithmen. Symbolic Computation kann auch als die Erfindung von Algorithmen zur Erfindung von Algorithmen beschrieben werden. Dies ist auch eine Anwendung der mathematischen Verfahren des „Maschinellen Lernens“, das oft als „Künstliche Intelligenz“ bezeichnet wird.

In meiner aktuellen Forschung beschäftige ich mich damit, wie diese beiden Ansätze – Symbolic Computation und Machine Learning – zusammengebracht werden können, um das Erfinden von Algorithmen (im einfachsten Fall als „Programmieren“ bezeichnet) immer stärker zu automatisieren.

Kurt Gödel (österreichischer Mathematiker, 1906–1978) hat diese Entwicklung bereits 1931 vorausgesagt (zehn Jahre, bevor der erste Computer gebaut wurde) und gleichzeitig bewiesen, dass diesem Prozess der Automatisierung nach oben keine Grenzen gesetzt sind. Ich bin glücklich, Teil dieser Denkbewegung zu sein.

Was würden Sie jungen Menschen raten, die in Ihre Fußstapfen treten möchten und in der Welt der Softwareentwicklung erfolgreich sein wollen?

Mein Rat lautet: „Befassen Sie sich von den tiefsten Grundlagen der Software (formaler Logik) bis zu den extremsten Anwendungen. Dann werden Sie bei jeder neuen ‚Welle‘ immer wieder ganz vorne dabei sein können und immer ein spannendes Leben haben.“

Dann habe ich noch einen Rat auf der „Meta-Ebene“: „Hören Sie aufmerksam zu, wenn ältere Leute Ratschläge erteilen, und vergessen sie sie sofort wieder!“


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