Von Mitfahrgelegenheiten bis hin zur umgekehrten Einbettung der IT: CIOs entwickeln neue Ansätze, um die Kluft zwischen Business und IT zu überbrücken. [...]
Würden Sie sich wünschen, dass Business-Entscheider und IT besser kooperieren, gemeinsam an Projekten arbeiten und Informationen vollständig austauschen? Wenn es Ihnen wie den meisten IT-Führungskräften geht, lautet die Antwort eindeutig: ja. Zu den Vorteilen einer engeren Zusammenarbeit zwischen Business und IT gehören Projekte, die genauer auf die Unternehmensziele abgestimmt sind, ein besseres Change-Management und eine höhere Akzeptanz für neue Initiativen.
Und nicht nur das: Eine gute Zusammenarbeit mit den Fachabteilungen ist eine überlebenswichtige Fähigkeit für IT Leader von heute. 2021 zeigte eine Studie von Gartner, dass mehr Technologen für Funktionen außerhalb der IT als innerhalb der IT rekrutiert wurden. Inzwischen sind benutzerfreundliche, Cloud-basierte, No-Code- oder Low-Code-Lösungen verfügbar, so dass technisch versierte Business-Mitarbeiter einen Großteil ihrer IT selbst verwalten können, ohne auf Hilfe angewiesen zu sein.
„CIOs stehen vor einer echten Herausforderung“, sagt Darren Topham, Senior Director Analyst bei Gartner. „Sie können es sich nicht mehr leisten, den gesamten IT-Bestand managen zu wollen. Es muss eine Form der Zusammenarbeit mit anderen Bereichen geben.“
Es liegt auf der Hand, dass eine bessere Kooperation von Business und IT für die meisten Führungskräfte hohe Priorität besitzt. Doch wie lässt sich das in der Praxis umsetzen? Im Folgenden berichten fünf IT-Führungskräfte über die Strategien, die sich für sie bewährt haben.
Tipp 1: Mitfahrgelegenheiten
Dieser Ansatz hat verschiedene Namen und Ausprägungen. Aber immer geht es darum, dass IT-Mitarbeiter systematisch beobachten, wie ihre Business-Kollegen ihre Arbeit verrichten, welche Tools sie verwenden und wie Dinge verbessert werden könnten.
Als Darren Person vor drei Jahren als globaler CIO zum Marktforschungsunternehmen The NPD Group kam, wollte er wissen, wie die Arbeit in den Abteilungen abläuft. „Ich habe festgestellt, dass viele, die auf C-Suite-Ebene einsteigen, nie wirklich verstehen, wie ein Unternehmen tatsächlich funktioniert“, sagt er.
Das gelte sowohl für IT-Mitarbeiter, die sich auf die Technologie eines Unternehmens konzentrieren, als auch für Führungskräfte der obersten Ebene, die in der Regel weit vom Tagesgeschäft entfernt sind. Weil NPD ein Datenunternehmen ist und CIO Person die Datenarchitektur beaufsichtigt, „gehört mir die Fabrik“, sagt er. „Deshalb hielt ich es für besonders wichtig, dass ich verstehe, wie es tatsächlich funktioniert.“
Person stellte fest, dass Mitarbeiter offener mit ihm sprachen und er einen besseren Einblick in ihre täglichen Herausforderungen gewinnen konnte, wenn er in ihre Büros ging und sie bei ihrer Arbeit beobachtete. Er fand das Vorgehen so nützlich, dass er es zu einem Programm mit dem Namen „Day in the Life“ formte. Heute durchlaufen alle neu eingestellten NPD-Mitarbeiter dieses Programm. Es besteht aus einer Kombination von Videos, Meetings und (vor der Pandemie) Besuchen in den Büros.
Die Teilnehmer verbringen ein paar Stunden bis zu mehreren Tagen damit, zu lernen, wie die verschiedenen Bereiche des Unternehmens funktionieren. Vor allem viele neue Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen von NPD durchlaufen das Programm gemeinsam, berichtet der CIO: „So entsteht auch ein engeres Verhältnis zu Kollegen, mit denen man normalerweise nicht zusammenarbeiten würde.“
Tipp 2: Eingebettete IT
Eine Möglichkeit, um sicherzustellen, dass die IT-Abteilung die Bedürfnisse einer Abteilung oder eines Geschäftsbereichs vollständig versteht, besteht darin, einen IT-Experten in das Business-Team zu integrieren. Er oder sie kann immer noch der IT unterstellt sein, oder alternativ über die Abteilung berichten, aber eng mit der IT zusammenarbeiten.
Dieser Ansatz hat sich bewährt, sagt Prithvi Mulchandani, Vice President of IT Business Applications beim Softwarehersteller Deltek. „Wir haben im gesamten Unternehmen Teams mit Namen wie Customer Care Operations oder Financial Systems. Sie berichten nicht an den CIO, sondern an den CFO, den Chief Customer Officer usw. Es handelt sich um Teams aus eher technischen Mitarbeitern, die aber im Business angesiedelt sind.“
Diese Personen werden von den Geschäftsbereichen eingestellt, oft in Absprache mit der IT-Abteilung. „Zu ihren Aufgaben gehören in der Regel die Bereitstellung von Tier-One-Support für die User, das Erstellen von Berichten und die Erfüllung von Analyse- und Datenanforderungen der Anwender“, sagt er. „Sie stemmen auch traditionellere IT-Projekte, zum Beispiel wenn wir ein Problem mit einem bestimmten Geschäftsprozess haben und herausfinden wollen, ob es eine Lösung gibt, die wir kaufen und implementieren können.“
Tipp 3: Umgekehrte Einbettung der IT
Obwohl die Einbindung von IT-Experten in die Geschäftsbereiche üblicher ist, haben einige IT-Führungskräfte Erfolg mit der umgekehrten Strategie: der Einbindung von Fachkollegen in die IT. „Ich habe jemanden aus dem Finanzteam in mein Team geholt, der keine Ahnung von IT hatte“, sagt Mike Vance, Executive Vice President of Professional Services beim Technologieberatungsunternehmen Resultant.
„Diese Person ist jetzt Scrum Master bei einer großen Versicherungsgesellschaft. Vance hat diesen Ansatz oft angewandt, indem er IT-Verbindungsleute aus anderen Abteilungen wie der Personalabteilung einstellte.
„Die Aufgabe besteht darin, sicherzustellen, dass man genau versteht, was das Unternehmen erreichen will, und dies dann an die IT-Abteilung weitergibt“, erläutert Vance. „Denn das ist die Lücke, die immer entsteht. IT-Verbindungsleute sind bereits durch ihre Kontakte im Business glaubwürdig, da sie von dort kommen und mit den Funktionen und Herausforderungen der Fachabteilung bereits vertraut sind.
Tipp 4: Funktionsübergreifende Teams
Zu den effektivsten Methoden zur Zusammenarbeit zwischen Fachabteilungen und IT gehören funktionsübergreifende Teams. Diese bringen IT-Fachleute mit Experten aus anderen Bereichen des Unternehmens zusammen, um gemeinsam an einem Projekt oder einer Initiative zu arbeiten. Die Dauer der Zusammenarbeit könne von einem Monat bis zu drei Monaten oder einem Jahr reichen, so Topham.
Dieser Ansatz werde immer populärer und formalisierter. Unternehmen begönnen damit, funktionsübergreifende Teams in ihre Organigramme aufzunehmen und ihre Aktivitäten zunehmend zu orchestrieren, um sicherzustellen, dass Mitarbeiter mit bestimmten Fähigkeiten zur richtigen Zeit und am richtigen Ort zur Verfügung stehen.
Tipp 5: Schulungen für Mitarbeiter außerhalb der IT
Eine der besten Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zwischen Business und IT zu verbessern, besteht darin, Nicht-IT-Mitarbeiter weiterzubilden. Aus diesem Grund bieten viele Unternehmen Schulungsprogramme an, in denen IT-Mitarbeiter ihren Business-Kollegen etwas über die IT-Systeme beibringen, mit denen das Unternehmen arbeitet.
Diese können von einfachen „Lunch and Learn“-Sitzungen bis hin zu formellen Schulungsprogrammen reichen, wie etwa beim Versicherungsriesen Liberty Mutual, der ein internes Programm zur Vermittlung von technischen Kenntnissen für seine nicht in der IT tätigen Mitarbeiter entwickelt hat.
„Es handelt sich um einen richtigen Lehrplan, der mit einem zweitägigen Grundlagenprogramm beginnt“, berichtet CIO Andrew Palmer. „Ursprünglich haben wir mit unseren 100 Top-Führungskräften begonnen, aber wir haben das Programm erweitert.“ Seit dem Start im Jahr 2019 hätten rund 1.000 Führungskräfte von Liberty Mutual das Programm absolviert. Vor kurzem beschloss das Unternehmen, das äußerst beliebte Programm umzukehren und Kurse zum Versicherungsgeschäft für IT-Mitarbeiter zu entwickeln.
Tipp 6: Teilnahme an Firmen-Events und -Programmen
Pierre-Luc Bisaillion, CIO von AppDirect, war zuvor CIO bei der Cirque du Soleil Entertainment Group, dem Verwaltungsorgan des berühmten Zirkusunternehmens in Montreal, Kanada. Die 120-köpfige IT-Abteilung betrieb die Anwendungen, die das Unternehmen am Laufen hielten, wie zum Beispiel ERP- und HR-Systeme. Als Bisaillion seine Stelle antrat, fand er eine IT-Abteilung vor, die ein neues Image brauchte. „Die IT-Abteilung befand sich in einer eher schwierigen Situation: Die IT im Keller und das WiFi funktioniert nie. Also keine sehr stolze Kultur.“
Der CIO machte sich daran, die Dinge zu verbessern, indem er die IT-Abteilung umstrukturierte. Wo zuvor die Mitarbeiter nach ihren spezifischen Funktionen gruppiert waren, etwa als Business-Analysten, Projektmanager oder Entwickler, schuf er dedizierte Delivery Teams, die diese Funktionen zusammenbrachten, um einen bestimmten Bereich des Unternehmens zu bedienen, zum Beispiel die Personalabteilung, die Finanzabteilung oder die Kreativabteilung. Dies führte zu einer wesentlich größeren Transparenz, klareren Verantwortlichkeiten und einer Priorisierung der Projekte.
Gleichzeitig wollte Bisaillion etwas tun, um das Ansehen der IT-Abteilung innerhalb des Unternehmens und ihr Selbstwertgefühl zu verbessern. Halloween stand vor der Tür, eine Zeit, in der die Unternehmensgruppe immer eine Kostümparade um das Hauptgebäude veranstaltete. „Sie können sich vorstellen, dass Halloween bei Cirque du Soleil ein sehr wichtiges Ereignis ist, das in der gesamten Organisation gefeiert wird“, sagt er. Er beschloss, dass die IT-Abteilung in vollem Umfang an der Parade teilnehmen sollte. Das Feedback aus anderen Abteilung war beeindruckend.
„Die IT-Abteilung stand nun im Mittelpunkt des Interesses, und zwar nicht nur als das Team, das WiFi bereitstellt“, sagt Bisaillion. Allmählich wandelte sich die Einstellung gegenüber der IT und die Zusammenarbeit mit den Fachbereichen verbesserte sich. „Unsere Initiative hat nicht sofort alles geändert“, erinnert sich der CIO. „Aber sie öffnete die Tür für den Aufbau von Beziehungen.“
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation cio.com
*Minda Zetlin ist Autorin für Business-Technologie und Co-Autorin von The Geek Gap: Why Business and Technology Professionals Don’t Understand Each Each Each Other und Why They Need Each Other to Survive. Sie schreibt regelmäßig für die Medienmarken CIO und Computerworld.
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