Datensouveränität und digitale Souveränität

Selbstbestimmt im digitalen Raum handeln und entscheiden zu können, wird für Unternehmen und Privatleute immer wichtiger. [...]

Foto: NiekVerlaan/Pixabay

Mit Edward Snowden rückten Begriffe wie Datensouveränität und digitale Souveränität in den Fokus der Öffentlichkeit. Im Jahr 2013 enthüllte der Ex-Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA die enge Zusammenarbeit von Technologieriesen wie Amazon, Apple, Facebook, Google oder Microsoft mit den Überwachungsbehörden.

Der Whistleblower konnte beweisen, dass die NSA mit ihrem Internet-Spionagesystem Prism Hunderte Millionen Menschen in den USA und rund um den Globus überwachte – ohne Genehmigung und ohne Anlass.

Die NSA erhielt damit umfassenden Zugriff auf die Daten von Privatpersonen: E-Mails, Chats, Fotos, Videos, gespeicherte und übertragene Daten, Video­konferenzen. Es handelte sich um einen massiven Eingriff der US-Regierung in die Privatsphäre und die Grundrechte aller Menschen und in die Freiheit des Internets.

Ziel = Selbstbestimmung

Als Reaktion darauf entstand der Ruf nach Datensouveränität und dem Recht, selbstbestimmt entscheiden zu können, was mit den eigenen Daten geschieht. Ergebnisse sind etwa die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) von 2016 und die Reform des IT-Sicherheitsgesetzes in Deutschland von 2021. Letztere hat zum Ziel, die Kontrolle über kritische Infrastrukturen nicht an fremde Staaten abzugeben.

Das grundsätzliche Problem dabei ist, dass die Digitalisierung zu einem rasanten Wachstum der verarbeiteten und ausgewerteten Daten geführt hat. Für den Einzelnen ist es kaum oder gar nicht mehr nachvollziehbar, wo und von wem die eigenen Daten genutzt werden.

Das schränkt die selbstbestimmte Kontrolle darüber stark ein. Hinzu kommt die Konzentration auf die Plattformen der großen US-Tech-Konzerne, die Märkte und Services dominieren und so die Wahlfreiheit bei der Nutzung digitaler Dienste einschränken.

„Mit nur wenig Übertreibung lässt sich von einem digital gestützten Kolonialismus sprechen“, heißt es dazu in einem Positionspapier des Bayerischen Forschungsinstituts für Digitale Transformation (bidt).

Aufgabe der Politik sei es, durch politischen Einfluss und Schaffung geeigneter rechtlicher Rahmenbedingungen für die digitalisierte Welt der Monopolbildung entgegenzutreten und Konkurrenz zuzulassen.

Was meint Digitale Souveränität?

Eine allseits akzeptierte Definition von digitaler Souveränität oder Datensouveränität gibt es nicht. „Datensouveränität ist eine Untermenge von digitaler Souveränität. Wenn ich nicht digital souverän bin, kann ich auch nicht datensouverän sein.

Souveränität bedeutet Entscheidungsmacht und ist das Gegenteil von Fremdbestimmung“, erklärt beispielsweise David Schönwerth, Referent für Data Economy beim Digitalverband Bitkom.

Digitale Souveränität ist ihm zufolge die Möglichkeit, im digitalen Raum unabhängig und selbstbestimmt handeln und entscheiden zu können sowie frei zwischen unterschiedlichen Anbietern, Services und Plattformen wählen zu können.

Für ihn verfügt ein Staat über digitale Souveränität, wenn er über den Einsatz digitaler Technologien auf seinem Staatsgebiet frei entscheiden kann und nicht ungewollt von anderen Staaten oder ausländischen Konzernen abhängig ist. Es geht Schönwerth um Wahlfreiheit für Infrastrukturen und Plattformen von europäischen Anbietern und vertrauenswürdigen Partnern.

„Digitale Souveränität ist aber nicht mit digitaler Autarkie zu verwechseln. Es geht also nicht darum, alle digitalen Technologien in Deutschland oder Europa komplett selbst zu entwickeln oder außereuropäische Hersteller oder Komponenten auszuschließen. Wettbewerb ist hier unverzichtbar. Ziel ist es, hierzulande und in Europa innovative und konkurrenzfähige Produkte und Technologien zu entwickeln, um, wo nötig, die Abhängigkeit zu minimieren. Es sollte immer möglich sein, mit vertrauenswürdigen Partnern zusammenzuarbeiten und auch deren Produkte zu nutzen“, so David Schönwerth.

„Datensouveränität ist eine Untermenge von digitaler Souveränität. Wenn ich nicht digital souverän bin, kann ich auch nicht datensouverän sein. Souveränität bedeutet Entscheidungsmacht und ist das Gegenteil von Fremdbestimmung.“

David Schönwerth – Referent für Data Economy im Bereich AI & Big Data beim Bitkom

Auch Matthias Zacher, Senior Consulting Manager bei IDC, sieht digitale Souveränität als eher politisch gelagerten Begriff auf Staatsebene und Datensouveränität als Teilmenge davon: „Datensouveränität bezieht sich mehr auf Unternehmen und einzelne Personen und meint die selbstbestimmte Kontrolle über die eigenen Daten sowie deren Erhebung, Speicherung, Nutzung und Verarbeitung. Datenschutz hingegen konzentriert sich ausschließlich auf den Schutz personenbezogener Daten.“


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