Der CIO und die Kunst der Nachhaltigkeit

Die Aluminiumbranche lebt bereits seit Jahrzehnten die Kreislaufwirtschaft. Welche Auswirkungen das auf die IT der Hammerer Aluminium Industries (HAI) hat, schildert der CIO Hermann Kaineder im Gespräch mit transform! [...]

DI Hermann Kaineder, MBA, ist CIO der Hammerer Aluminium Industries Holding GmbH. (c) HAI
DI Hermann Kaineder, MBA, ist CIO der Hammerer Aluminium Industries Holding GmbH. (c) HAI

Laut dem Sustainability Report 2022 sieht sich Hammerer Aluminium Industries – kurz HAI – als „Hidden Champion der Aluminiumindustrie“. „Wir bieten nachhaltige Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette für Transport, Bau & Industrie.“ Ein erklärtes Ziel sei es, „durch ständige Innovation die Nachhaltigkeit von Aluminiumerzeugnissen kontinuierlich zu steigern. Damit soll Aluminium als Rohstoff von Produkten bekannter Anwendungsfelder noch nachhaltiger und leistungsfähiger werden, aber auch für neue Anwendungsfelder zur Verfügung stehen“, so der Report. Dass man auf dem richtigen Weg ist, zeigt etwa die Auszeichnung „EY Entrepreneur Of The Year Österreich“ in der Kategorie „Nachhaltigkeit & Greentech“, die im letzten Jahr der HAI-CEO Rob van Gils erhalten hat.

Der CIO des Unternehmens, das 2007 gegründet wurde, ist Hermann Kaineder. „Da es sich bei Aluminium um einen sehr wertvollen Stoff handelt, ist es üblich, Aluminiumprodukte zu rund 80 Prozent aus recyceltem Schrott zu erzeugen. Das ist Kreislaufwirtschaft pur, die hier seit Jahrzehnten gelebt wird“, sagt er im Gespräch mit transform! „Die Herausforderung besteht unter anderem darin, ein Lieferantennetzwerk aufzubauen. Wir haben Mitarbeiter, die auf der Suche nach ›gutem Schrott‹ viel unterwegs sind. Die Aufnahme der Daten beginnt schon bei der Ankündigung einer Anlieferung. Aus meiner Sicht sind die Themen Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft – aber auch KI – für die Digitalisierung ein Katalysator. Je besser ich bei den Daten end-to-end bin, um so besser bin ich bei der weiteren Verarbeitung. Das geht nur, wenn ich digitalisiert bin. Das ist genau der Grund, warum der Eigentümer dahinter ist, Daten besser – das heißt zum Beispiel durchgängiger – in den Griff zu bekommen. Es ist auch der Grund, warum wir den Digital HAIway gestartet haben.“

Hinter dem Wortspiel verbirgt sich ein Prozess- und ein IT-Standardisierungsprojekt: „Wir haben bereits ein CRM-System neu eingeführt, um die Kette zum Kunden zu schließen. Ein weiteres Projekt, das kurz vor dem Go-live ist, ist die Einführung eines Dokumentenmanagementsystems. Wir haben zudem ein Projektmanagement-Tool eingeführt und wir bilden jetzt alle unsere Prozesse in SAP Signavio ab. Wir gehen ganz generell weg von Dokumenten hin zu Daten. Microsoft Excel produziert auch Dokumente, die IT-technisch nicht wirklich gut verarbeitbar sind. Wir haben außerdem Workday live genommen, ein Mitarbeiterdatenmanagement-System.“

Das Gründungsjahr 2007 klingt nach dem Traum, die IT auf der grünen Wiese zu planen und umzusetzen. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Die HAI ist das Ergebnis einer Herauslösung aus der AMAG Austria Metall AG. Der Walzteil ging an die Constantia, ein Teil ist bei der Familie Hammerer geblieben, woraus die HAI entstanden ist. „Das heißt, dass man auch die IT-Systeme von dort übernommen hat. Die AMAG war bereits SAP-Kunde zu einem Zeitpunkt, als die SAP noch nicht in Österreich vertreten war. Wir haben eine lange gemeinsame Geschichte, die man auch am IT-System sieht. Dieses wurde immer wieder technisch migriert, aber nie richtig neu aufgesetzt.“ Folglich unternimmt das Team rund um Hermann Kaineder eine SAP S/4HANA-Neueinführung. „Ein Ziel ist es, nach Jahrzehnten des Customizings zum Standard zurückzugehen. Das Customizing war notwendig, weil das Standardsystem in der Vergangenheit von Haus aus nicht die Fähigkeiten hatte, die es heute besitzt.“

Vom Anbieter in die Kundenwelt

Bevor Kaineder mit dem Informatik-Studium begann, hatte er eine kaufmännische Ausbildung absolviert. Informatik war damals sehr technisch, es gab dazu keine Alternative. Parallel zum Studium übte er ab den späten 1980er-Jahren Support-Tätigkeiten bei Management Data aus, einem führenden Systemhaus in Österreich. 1997 wurde Hermann Kaineder Geschäftsführer dieses Unternehmens. 2004 wechselte er auf die Kundenseite und war zuerst bei der Voestalpine, dann bei der AMAG Austria Metall AG und schließlich bei der HAI Gruppe, wo er die Rolle des CFO ausübte. Es folgten 12 Jahre als Geschäftsführer bei der Siemens Industry Software GmbH. „Ein tolles Unternehmen, das phantastische Technologie entwickelt. Ich wäre von dort nicht weggegangen, wenn mich nicht der Gedanke gereizt hätte, zum Abschluss meiner Karriere dorthin zu wechseln, wo ich unmittelbaren Einfluss auf den Standort habe, an dem ich lebe. Das ist bei HAI in Ranshofen der Fall, wo mich die Dynamik, mit der das Unternehmen weiterentwickelt wird, fasziniert.“

Der Welt der Industrie stand bei Kaineder früh auf der Interessensagenda. „Es geht etwa um die Frage, mit welchen Modellen ich ein produzierendes Unternehmen digitalisiere. Die Idee ist nicht neu, Stichwort CIM – Computer Integrated Manufacturing. Doch in den 1980er-Jahren hatte man weder die Rechnerleistung, noch die Speicherkapazität, um etwa einen digitalen Zwilling zu bauen. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten ist das möglich. Heute sind wir in der Lage, Produkte und ganze Fabriken zu digitalisieren, indem ich ein digitales Abbild schaffe und damit all das simuliere, was ich in der Realität tun möchte. Man kann etwa Automobile oder Flugzeuge mit allen möglichen Materialeigenschaften mit allen grafischen Möglichkeiten in einem System dokumentieren. Es ist heute möglich, Crash-Tests virtuell durchzuführen. Ich kann zudem Produktionsabläufe, Durchlaufzeiten oder Änderungen in der Produktion simulieren. Welche Auswirkungen hat etwa der Einsatz einer leistungsstärkeren Maschine? Was bedeutet das für den gesamten Durchsatz meiner Anlagen?“

Integrative Königsdisziplin

Hermann Kaineder war eigenen Angaben zufolge in vielen Unternehmen unterwegs und hat in Zuge dessen zwei Vorgehensweisen in Sachen Digitalisierung identifiziert. „Es gibt Firmen, die das beste Tool für den jeweiligen Bereich nutzen, aber keine Strategie dahinter haben. Das ist nicht unbedingt gut, weil man damit viele Inseln schafft. Es gibt weiters Unternehmen, die verstanden haben, dass es notwendig ist, vertikal zu integrieren. Sie sorgen dafür, dass die richtige Information zur richtigen Zeit am richtigen Arbeitsplatz ist.“

Die Königsklasse sei die horizontale Integration: „Die grundlegende Frage ist: Wie komme ich von einer Kundenanforderung zu einem Produktionsauftrag, der sicherstellt, dass die richtige Norm, das richtige Programm zur richtigen Zeit dort ist, wo das Teil produziert wird? Hier gilt es zu überlegen, welche Business-Objekte im Unternehmen vorhanden und wie diese zu managen sind, damit diese im gesamten Unternehmen nur jeweils einmal existieren und alle Mitarbeiter zugreifen können. Die horizontale Integration ist die schwierigste, weil sie nicht nur eine Abteilung betrifft, sondern in der Regel das gesamte Unternehmen. Firmen müssen bereit sein, in dieses Thema zu investieren, da es oft mit dem Wechsel von Systemen verbunden ist.“

Wachstumsherausforderung

Auf die Frage, wo sich HAI selbst auf der digitalen Reise befindet, antwortet der CIO: „Wir stehen vor einer Wachstumsherausforderung. Das heißt, dass wir teilweise den Bedarf, den es auf dem Markt gibt, nicht restlos bedienen können. Gerade durch das Thema Elektromobilität sind die Anforderungen an Aluminium sehr stark gestiegen. Das Unternehmen hat massiv in Assets investiert, also Maschinen und Anlagen, um dadurch zu wachsen. Gleichzeitig sind wir mit dem Problem konfrontiert, dass wir nicht die Mitarbeiter bekommen, die notwendig sind, um das Wachstum zu bewältigen. Das heißt, dass wir anders arbeiten müssen. Wir sind gezwungen, unter anderem Suchzeiten zu verringern und die Daten automatisiert durchs Unternehmen zu führen.“

Bekanntlich steigt die Produktivität mit der Größe linear, die Komplexität aber exponentiell. „Diese Komplexität gilt es zu managen. Und das geht nur mit Automatisierung und mit Digitalisierung als Basis. Das war der Treiber dafür, den Digital HAIway zu starten. Wir müssen smarter arbeiten, um mit den Anforderungen mitzuwachsen.“

Das bedeutet nichts anderes, als dass die IT eine zentrale Säule der Wachstumsstrategie ist. Vor diesem Hintergrund hat Hermann Kaineder seinen Verantwortungsbereich folgendermaßen definiert: „Die IT ist ein Teil der Business-Strategie. Bevor ich gekommen bin, gab es vier Themen auf der Strategie-Agenda der HAI. Nun ist ein fünfter Punkt hinzugekommen: Digitalisierung mit dem Anspruch, jene Systeme zu finden, die uns erlauben, das Wachstum zu bewältigen, ohne überproportional in Mitarbeiter zu investieren, die wir ohnehin nicht bekommen. Das Business hat den Anspruch an die IT gestellt, dass wir fähig werden, mitzuwachsen. Die IT definiert keine Projekte, das sind alles Business-Projekte. Daher gibt es für jedes Projekt einen Business-Projektleiter, den wir aus der IT heraus mit einem IT-Projektleiter unterstützen. Dieser nimmt dem Business-Projektleiter gewisse Themen vor allem auf der technischen Seite ab.“

Die oben genannten Projekte sind mittelfristig, sie laufen bis 2027. Gleichzeitig gilt es, auf aktuelle Entwicklungen smart zu reagieren. Etwas, woran Kaineder gerade intensiv arbeitet: „Ich versuche intern zu vermitteln, welchen Einfluss aktuelle Entwicklungen wie KI auf die Business-Seite ausüben. Ich bin froh, dass die Einstellung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hervorragend ist. Sie kommen oft mit Ideen, was man verbessern kann. Es ist eine tolle Zusammenarbeit mit dem Business.“

Und ist die viel genannte Smart Factory ein konkretes Ziel? Die volle Ausbaustufe der Smart Factory ist es, dass auch das Produkt cyber-physisch ist. Das ist bei uns noch nicht der Fall. Wir produzieren technologisch sehr anspruchsvolle Komponenten, aber noch keine, die selbst Intelligenz besitzen etwa Sensorik. Dies wird einmal in der Autoindustrie wichtig, ist aber aktuell kein Thema.

Ich glaube, dass die Smart Factory mit vielen Herausforderungen verbunden ist. Damit sich etwa ein Produkt durch die Produktion bewegt, braucht es alle relevanten Daten. Das bedeutet sehr viel Organisationsaufwand. Gleichzeitig bin ich überzeugt, dass sich die technischen Grundlagen mit den heutigen Mitteln realistisch bewältigen lassen“, sagt Hermann Kaineder abschließend.


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