Die IT tickt jetzt mit Nachhaltigkeit

Fälle, in denen sich Rechenzentrums-Mitarbeiter an Server-Racks geklebt hätten, sind bislang nicht bekannt. Dennoch: Nachhaltigkeit spielt eine zunehmend wichtige Rolle in der IT-Branche. Fast kein Anbieter, der heute nicht mit 1A-sauberen Umweltthemen hausieren ginge. Nur: ein klimaneutrales Rechenzentrum, lokal oder in der Cloud, ist so wahrscheinlich wie eine Dampflok ohne Rauch. [...]

Wenn es gelingt, den CO2-Wert in etwas Handfestes zu übertragen, lassen sich viel mehr Leute mitnehmen. So braucht die Natur beispielsweise knapp 1.000 Bäume, die pro Jahr die zwölf Tonnen CO2 wieder aus der Luft filtern können. Sinnvoll kann zum Beispiel ein sich täglich aktualisierendes Dashboard sein, so dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Nachhaltigkeitsprojekte und deren Auswirkungen verfolgen können. (c) malp/stock.adobe.com

Nachhaltigkeit spielt eine wichtige Rolle in der IT-Branche, da sie dazu beiträgt, die Umweltbelastung zu reduzieren und Ressourcen zu schonen. Viele Unternehmen setzen auf energieeffiziente Technologien und versuchen, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Das ist punktuell löblich. Auch die Entwicklung von umweltfreundlichen Produkten, Versandoptionen, Rücknahmen und Dienstleistungen sind ein wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit in der IT. Dass die Schräglage eines einzigen Schiffes aus Fernost die gesamte Lieferkette nach Westen lahmlegt, konnte auch keiner der Nachhaltigkeits-Apologeten ahnen.

Aber wir bauen eben aus guten Gründen keine Bananen in der Uckermark an. Digitale Lösungen könnten dazu beitragen, den Ressourcen-Verbrauch in vielen Branchen zu reduzieren, theoretisch und punktuell. Freilich auf Kosten eines erhöhten Stromverbrauchs und oft ungenutzter Abwärme. Strom, den wir auch aus Fracking, europäischen Kraftwerken oder wahlweise Kriegsgebieten beziehen.

Nachhaltigkeit als Fail

Fangen wir also einfach mal umgekehrt an: IT-Nachhaltigkeit bringt für Unternehmen einige Nachteile mit sich, ehe man ins allgemeine Marketing-Tralala verfällt:

  • Kosten: Die Umstellung auf nachhaltige IT-Systeme und -Prozesse kann mit höheren Kosten verbunden sein, insbesondere in der Anfangsphase.
  • Komplexität: Nachhaltige IT-Systeme und -Prozesse können komplexer sein als herkömmliche Systeme und erfordern möglicherweise zusätzliche Schulungen und Ressourcen.
  • Technologische Herausforderungen: Die Umstellung auf nachhaltige IT-Systeme und -Prozesse erfordert die Einführung neuer Technologien, die eventuell noch nicht ausgereift sind oder nicht vollständig kompatibel mit vorhandenen Systemen sind.
  • Einschränkungen: Nachhaltige IT-Systeme und -Prozesse können Einschränkungen in Bezug auf Funktionalität und Leistung haben, die möglicherweise nicht für alle Unternehmen oder Anwendungen geeignet sind.
  • Abhängigkeit von Dritten: Die Umstellung auf nachhaltige IT-Systeme und -Prozesse erfordert die Zusammenarbeit mit Dritten, wie beispiels- weise Energieversorgern oder Recycling-Unternehmen, was zu Abhängigkeiten und Unsicherheiten führen kann.

Nachhaltigkeit als Win

Aber um unnötigen Klebstoffverbrauch in Rechenzentren zu verhindern: Es gibt gute Ansätze. Dazu gehört beispielsweise die Energieeffizienz von IT-Produkten und -Dienstleistungen, die Verwendung von umweltfreundlichen Materialien und die Reduzierung von Abfall und Emissionen. Auch die Förderung von Recycling und die Verwendung erneuerbarer Energien sind Aspekte der Nachhaltigkeit in der IT.

Auch die Langlebigkeit der Produkte und Third-Party-Management dürfen genannt werden. Ein Cisco-Switch tut seinen Dienst bestimmt 15 Jahre. Im Server- und Storage-Bereich ist das sicher anders, aber nicht fundamental. Je nach Anforderung, aber sicher nicht im 5-Jahres-Rhythmus, den nicht die Hardware vorgibt, sondern die Support-Konditionen des Anbieters.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter und Kunden für das Thema sensibilisieren und gemeinsam an nachhaltigen Lösungen arbeiten. Die IT-Branche ist eine der größten Verbraucherinnen von Energie und Ressourcen weltweit. Die Herstellung von Hardware, die Nutzung von Rechenzentren und die Entwicklung von Software erfordern große Mengen an Energie und Materialien. Um die Umweltbelastung zu reduzieren, muss die IT-Branche deshalb nachhaltiger werden:

  • Kosteneinsparungen: Durch den Einsatz von energieeffizienten Techno- logien und die Reduzierung von Abfall und Emissionen können Unternehmen Kosten einsparen.
  • Imagegewinn: Unternehmen, die sich für Nachhaltigkeit engagieren, verbessern eventuell ihr Image und werden als verantwortungsbewusst wahrgenommen.
  • Wettbewerbsvorteil: Unternehmen, die sich für Nachhaltigkeit engagieren, heben sich von der Konkurrenz ab und erlangen einen Wettbewerbsvorteil.
  • Mitarbeitermotivation: Nachhaltigkeit kann dazu beitragen, dass Mitarbeiter stolz auf ihr Unternehmen sind und sich mit dessen Werten identifizieren.
  • Umweltschutz: Durch den Einsatz von energieeffizienten Technologien und die Reduzierung von Abfall und Emissionen leisten Unternehmen einen Beitrag zum Umweltschutz.
  • Gesellschaftliche Verantwortung: Unternehmen haben eine gesellschaftliche Verantwortung und können durch Nachhaltigkeit dazu bei- tragen, dass die Gesellschaft insgesamt nachhaltiger wird.

Insgesamt bietet IT-Nachhaltigkeit also doch eine Vielzahl von Vorteilen, die sowohl für Unternehmen als auch für die Gesellschaft und die Umwelt von Bedeutung sind. Auch gesetzliche Vorgaben und Standards, wie beispielsweise die EU-Ökodesign-Richtlinie, können ein wichtiger Treiber sein.

Nachhaltigkeit als Hype

Darüber hinaus gibt es durchaus die Möglichkeit, sich als nachhaltiges Unternehmen zu positionieren und dadurch Kunden zu gewinnen. Technologische Fortschritte und Innovationen tragen ebenfalls dazu bei, nachhaltige Lösungen in der IT zu entwickeln, umzusetzen und vor allem zu kommunizieren. Wer Fridays for Future oder Die letzte Generation für sich gewinnt, hat schon seine Fachkräfte der Zukunft sicher.

„Viele Unternehmen betrachten Nachhaltigkeit immer noch als zusätzliche Kostenquelle und nicht als Mehrwert. Das bedeutet, dass viele Unternehmen nicht erkennen, dass nachhaltige Initiativen langfristig Kosten einsparen, Effizienz schaffen und einen Wettbewerbsvorteil bieten können.“

Randeep Sanghera, Head of Sustainability bei IONOS

SAP möchte bis 2025 klimaneutral sein, IBM bis 2030 und Amazon bis 2040. Microsoft will bis 2030 sogar klimapositiv sein, das heißt mehr CO2 abbauen, als erzeugen. Apple hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu sein und seine Produkte voll- ständig aus recycelten Materialien herzustellen. Hehre Ziele, jedoch weiß ja keiner, ob das Paket von einem der tausenden Subunternehmer mit Diesel-Transporter an- oder ausgeliefert wird. Oder gar von einer Kuh mit Blähungen. Die Deutsche Telekom (2021) und Google (2020) haben ihre ursprünglichen Zeitziele bereits verfehlt. Und Siemens – naja, wir wollen kein Bashing betreiben.

Es gibt verschiedene Ansätze, um Nachhaltigkeit in der IT zu fördern. Dazu gehört beispielsweise die Verwendung von erneuerbaren Energien für den Betrieb von Rechenzentren, die Entwicklung von energieeffizienten Hardware-Komponenten und die Förderung von Recycling und Wiederverwendung von Elektronik-Produkten.

Auch die Entwicklung von Software kann nachhaltiger gestaltet werden, beispielsweise durch energieeffiziente Algorithmen und Programmierpraktiken. Zudem tragen digitale Lösungen dazu bei, den Ressourcen-Verbrauch in anderen Branchen zu reduzieren, beispielsweise durch die Digitalisierung von Prozessen und die Förderung von Home-Office-Arbeitsplätzen.

Wirtschaftlicher Druck vs. Umweltschutz

Insgesamt spielt Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle in der IT-Branche, um die Umweltbelastung zu reduzieren und eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. Gleichzeitig steht der wirtschaftliche Druck meist im Vordergrund und verschiebt die Prioritäten. „Es ist durchaus üblich, dass Unternehmen in Zeiten wirtschaftlichen Drucks die Nachhaltigkeit nicht als Priorität betrachten“, sagt Randeep Sanghera, Head of Sustainability bei IONOS. „Allerdings zeigt dies auch, dass viele Unternehmen Nachhaltigkeit immer noch als zusätzliche Kostenquelle betrachten und nicht als Mehrwert. Das bedeutet, dass viele Unternehmen nicht erkennen, dass nachhaltige Initiativen langfristig Kosten einsparen, Effizienz schaffen und einen Wettbewerbsvorteil bieten können. Es gibt Beispiele dafür, wie nachhaltige Initiativen zu Einsparungen führen können: Maßnahmen zur Energieeffizienz oder Investitionen in Solaranlagen vor Ort. Diese Investitionen helfen Firmen dabei, ihre Energiekosten zu senken und die Energieversorgung zu sichern.“

„Gerade erst hat der Weltklimarat Alarm geschlagen: Ohne sofortige Reduzierung der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen wird das Ziel, unter 1,5 Grad der durch Menschen verursachten Erderwärmung zu bleiben, bereits in den 2030er-Jahren verfehlt werden.“

Tim van Wasen, Geschäftsführer bei Dell Technologies

Einsparungen betreffen jedoch nicht nur den Bereich der Umwelt. Investitionen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder in eine inklusive Unternehmenskultur können die Fluktuation reduzieren, Recruiting-Kosten senken sowie besseres Personal gewinnen. „Während es also auf den ersten Blick logisch erscheint, in Krisenzeiten kurzfristig Kosten einzusparen, kann dies mittel- und langfristig tatsächlich zu Schaden führen“, argumentiert Sanghera.

„Gerade erst hat der Weltklimarat Alarm geschlagen: Ohne sofortige Reduzierung der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen wird das Ziel, unter 1,5 Grad der durch Menschen verursachten Erderwärmung zu bleiben, bereits in den 2030er-Jahren verfehlt werden“, ergänzt Tim van Wasen, Geschäftsführer bei Dell Technologies. Seiner Ansicht nach befinden wir uns also an einem kritischen Punkt. Greenwashing werde nicht mehr funktionieren und von allen Stakeholdern – ob nun Kunden, Mitarbeitende, Investoren oder Politik – künftig zu Recht abgestraft. Die IT- Branche kann und müsse auch Verantwortung übernehmen.

Nachhaltigkeit betrifft gesamtes Unternehmen

Werden interne Prozesse nicht angepasst oder umgestellt, scheitern Nachhaltigkeitsprojekte meist schon nach kurzer Zeit. Teilweise auch, weil Manager oder Mitarbeiter keinen Sinn darin sehen und das Thema der Nachhaltigkeit als negative Beeinflussung ihrer Arbeit wahrnehmen. Oliver Oehlenberg, EMEA Field CTO bei Riverbed, kann da aus eigener Erfahrung sprechen: „Vor der Pandemie bin ich recht viel durch Europa mit dem Flugzeug gereist. Viele Manager verbinden das emotional mit ihrer Arbeit, aber auch mit ihrer Wichtigkeit. Das Flugzeug ist quasi das Statussymbol wie früher der große Dienstwagen. Nachdem die Flugpreise nach Corona in die Höhe gegangen und gleichzeitig die Zuverlässigkeit und die Services der Airlines drastisch gesunken sind, bin ich zuerst testweise auf die Bahn umgestiegen. Auch wenn die Bahn nicht immer pünktlich ist, habe ich diese mittlerweile für mich entdeckt. Ja, sie braucht teilweise vielleicht ein oder zwei Stunden länger als das Flugzeug – inklusive Checkin, Sicherheitskontrolle und Taxi – aber früher war für mich das Reisen mit dem Flugzeug tote Zeit. Ich hatte kaum Gelegenheit, meinen Laptop auszupacken und zu arbeiten. Meine Arbeitstage mit dem Zug sind viel produktiver und die Reisekosten geringer. Aus meiner Erfahrung ist es wichtig, dass Nachhaltigkeit auch im Management anfangen muss und vorgelebt werden muss. Versuchen Unternehmen, Nachhaltigkeitsprojekte von unten zu treiben ohne das volle Commitment des Managements, scheitern sie.“

Dell-Manager van Wasen sieht es ähnlich: „Die Mitarbeitenden spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, neue Prozesse im Unternehmen zu etablieren. Werden sie nicht eingebunden, kommen Projekte nicht so schnell voran, wie sie es könnten – oder scheitern sogar komplett. Zudem sollte kein Betrieb auf den Ideenreichtum und damit das Innovationspotenzial seiner Belegschaft verzichten. Wir haben beispielsweise mit Eureka eine Plattform etabliert, auf der Mitarbeitende ihre Nachhaltigkeitsideen einbringen können. Sehr erfolgreich sind auch unsere Employee Resource Groups, in denen sich Teammitglieder mit gemeinsamen Interessen oder Fachgebieten zusammenschließen, um Themen, die ihnen wichtig sind, voranzutreiben. Herausgekommen sind bereits viele tolle Ideen, etwa für die Verwendung neuer Materialien beim Produktdesign.“

IT-Branche muss nachhaltig vorangehen

„Die IT-Branche trägt eine große Verantwortung in Bezug auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz“, mahnt Ionos-Manager Sanghera. „Wir konzentrieren uns beispielsweise darauf, den CO2-freien Betrieb unserer Rechenzentren um unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Ein zentraler Hebel dabei ist die Verwendung von erneuerbarer Energie. Wir setzen uns für jedes Rechenzentrum Energieeffizienzziele (PUE-Werte), die durch regelmäßige Investitionen in Retrofitting und Upgrades erreicht werden. Das nachhaltigste Rechenzentrum in Worcester (UK) dient als Modell für den nachhaltigen Bau von Rechenzentren. Dort setzen wir auf Solarpanels und Bio-Kraftstoffe für den CO2-armen Betrieb. Zudem haben wir die Gebäudehülle mit kohlenstoffneutralem Stahl errichtet. Um die Biodiversität zu stärken, wurde zum Beispiel auch im Umfeld des Rechenzentrums ein Insektenhotel angelegt. Dank der Investition in solche Technologien und Maßnahmen betreiben wir unsere Rechenzentren seit 2018 im Regelbetrieb bezogen auf Scope 1 & 2 CO2-neutral.“

Genauso wichtig wird es sein, an den kleinen, alltäglichen Stellschrauben zu drehen und die Belegschaft und Bevölkerung dafür zu sensibilisieren. Nur so lässt sich die notwendige Akzeptanz erreichen. Bereits einfache Konfigurationsänderung in der IT tragen zur Nachhaltigkeit bei: „Dazu gehört beispielsweise, Desktop-PCs und Laptops automatisch in den Ruhezustand zu versetzen, wenn die Mitarbeiter nicht länger als 15 Minuten mit dem Rechner arbeiten“, erklärt Riverbed-Manager Oehlenberg. „Die Mitarbeiter können den Rechner recht schnell aufwecken, um an der Stelle weiterzuarbeiten, wo sie aufgehört haben. Wenn die IT dies aber einfach umsetzen würde, ohne die Mitarbeiter mitzunehmen, würde die Akzeptanz in das IT-System sehr schnell sinken und die Maßnahme hinterfragt werden. Zeigt man allerdings vorab auf, dass das Unternehmen zusammengerechnet für über 550.000 Stunden innerhalb von 90 Tagen an Leerlaufzeiten des Arbeitsplatzes aufkommen muss, wenn die Mitarbeiter den Arbeitsplatz verlassen, und, dass das über das Jahr betrachtet über zwölf Tonnen an CO2 durch den Stromverbrauch erzeugt, steigt das Verständnis für solche Maßnahmen.“

Wenn es gelingt, den CO2-Wert in etwas Handfestes zu übertragen, lassen sich viel mehr Leute mitnehmen. So braucht die Natur beispielsweise knapp 1.000 Bäume, die pro Jahr die zwölf Tonnen CO2 wieder aus der Luft filtern können. Sinnvoll kann zum Beispiel ein sich täglich aktualisierendes Dashboard sein, so dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Nachhaltigkeitsprojekte und deren Auswirkungen verfolgen können.

* Der Autor Michael Baumann ist Redakteur bei speicherguide.de.


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