Die Möglichkeiten und Grenzen von ChatGPT im Customer Service

Von IT-Fachzeitschriften über die großen Nachrichtenmagazine bis hin zu Fernsehreportagen und Radiosendungen: Kaum ein anderes Technologiethema hat jüngst einen derartigen Nachrichtenhype ausgelöst wie ChatGPT. [...]

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Foto: Alexandra_Koch/Pixabay

Im Folgenden werden die neuen Möglichkeiten, aber auch die Grenzen von ChatGPT beim Einsatz im Kundenservice beleuchtet. Das Fazit: generative KI ist derzeit nur so gut wie der Mensch, der sie steuert. Es kommt auf den Use Case an.

ChatGPT- erste Experimente im Customer Service

Ende März 2023 kündigte die Helvetia Versicherung an, künftig ChatGPT einzusetzen, um Kundenfragen zu Versicherungen und Vorsorge zu beantworten. Clara heißt die Chatbot-Dame, die im Rahmen eines Live-Experiments Auskunft gibt. Und in der Tat liefert die digitale Assistentin auf den ersten Blick vernünftige Antworten.

Wichtig ist dabei, dass die Software auf definierte Web-Inhalte von Helvetia zurückgreift und nur allgemeine Inhalte beauskunftet, keine kritischen Themen. Auf mögliche Fehler des neuartigen Service weist die Helvetia-Website ausdrücklich hin.

Denn Versicherungen gehören zu den Branchen, bei denen für den Customer Service ein ehernes Gesetz gilt: Die Antwort oder Lösung für sensible Bereiche muss immer verlässlich und qualitätsgesichert sein. Im vorliegenden Fall bringt die Antwort des Systems den Fragesteller kaum weiter.

Sie greift die Frage nicht direkt auf, sondern verweist auf eine allgemein formulierte Website. Auf das Alter als Kriterium wird nicht eingegangen. Außerdem bleibt außer Betracht, dass der Fragesteller aus Deutschland kommt, aber in der Antwort auf Schweizer Rahmenbedingungen Bezug genommen wird.

Insgesamt ist die Antwort auf die spezifische Frage unbefriedigend – ein Service Agent hätte besser und individueller beraten.

Viele Stichproben und Versuche haben in den letzten Monaten gezeigt, dass es die KI-Chatbots mit der faktischen Korrektheit ihrer Antworten nicht immer ganz genau nehmen. Persönlichkeiten, die zufällig denselben Nachnamen tragen, werden durcheinandergebracht, die Wahlen in der Türkei auf ein Zukunftsdatum gesetzt, deren Ergebnisse jedoch bereits halluziniert usw.

Aber: trotz aller Unzulänglichkeiten lernt generative KI über menschliches Feedback extrem schnell dazu. In der Version 4 von ChatGPT, die im März 2023 vorgestellt wurde, konnten viele Fehler ausgeräumt werden.

Trotz deutlicher Verbesserungen in der Aussagequalität bleibt das Grundproblem bestehen, dass das System mit den Texten arbeitet, die verfügbar sind und daraus die „stochastisch wahrscheinlichste Antwort“ zu einer bestimmten Anfrage generiert.

Themen, zu denen sich nur wenige Texte finden lassen, werden daher von der KI mit höherer Wahrscheinlichkeit inkorrekt beantwortet als Bereiche, die im Internet viel diskutiert werden.

Dabei ist auch die Aktualität ein Problem. So lässt sich eine defekte Sicherung laut KI an einem durchgebrannten Draht oder einer verfärbten Glassicherung erkennen. Während dies an sich korrekt ist, entspricht es jedoch bei weitem nicht mehr den Sicherungstypen, mit denen moderne Häuser und Wohnungen heutzutage ausgestattet sind – über die jedoch weniger Informationen im Internet zu finden sind. Wie aber lässt sich ChatGPT vor diesem Hintergrund nutzbringend einsetzen?

ChatGPT kann Chatbot-Services ergänzen

Chatbots im Kundendienst werden normalerweise auf Websites oder in den sozialen Medien genutzt. Sie greifen auf eine verifizierte Wissensdatenbank zurück. Bei Bedarf können sie Themen durch Rückfragen eingrenzen, um so bessere Antworten zu liefern. Für den internen Kundenservice der IT können Chatbots hingegen direkt auf dem Desktop oder den mobilen Geräten der Benutzer eingesetzt werden.

Dies bietet einen entscheidenden Vorteil: Der Chatbot kann die zur Lösung eines Problems notwendigen Aktionen direkt selbst ausführen, anstatt nur Antworten zu finden und zu liefern. Die Möglichkeiten sind nahezu grenzenlos: vom Leeren des Browser-Caches, über das Wiederherstellen der Netzwerklaufwerke, die skriptgesteuerte Installation neuer Treiber bis hin zum Einrichten eines Druckers.

Und wo lässt sich ChatGPT im Kundenservice einsetzen? Wenn es um Textzusammenfassungen, die Textklassifizierung und die Generierung von Texten bei eng begrenzten, weniger kritischen Themen und konsistent aufbereiteten Inhalten geht, kann generative KI ihre Stärken ausspielen – zum Beispiel beim Nennen von Öffnungszeiten.

Auf die Frage „haben Sie am Mittwoch nachmittags geöffnet“, liefert das System nicht nur die Seite mit den Öffnungszeiten, sondern antwortet konkret: „Ja, wir haben am Mittwoch auch nachmittags von 14:00 bis 16:30 geöffnet.“

Denkbar ist auch das automatische Vermitteln von Ansprechpartnern. Nicht zuletzt nutzt ein internationales Möbelhaus ChatGPT derzeit, um die bestehenden Texte im Service an den konzernspezifischen „tone of voice“ anzupassen.

Und die Entwicklung bleibt dynamisch. Wenn es gelingt, die Technologie so weiterzuentwickeln, dass sich ihre hohe Leistungsfähigkeit mit echtem Sprachverständnis und einer zuverlässigen Wissensbasis koppeln ließe, dann wären verlässliche Aussagen möglich.

Eine Maschine die mit hoher Wahrscheinlichkeit klassifizieren kann, worum es in einer Frage geht, bei Bedarf Rückfragen stellt, herausfindet, welche Daten sie dafür benötigt, diese sucht und daraus die passende Antwort generiert, inklusive verlässlicher Quellengabe – dies wäre in der Tat ein Meilenstein in die richtige Richtung.

Multibot-Architektur kann ChatGPT integrieren

Da ein einzelner Chatbot nur begrenzte Funktionen abdecken kann, entwickelte USU aus einem Forschungsprojekt heraus das Konzept von miteinander vernetzten Chatbots – eines „Bot Universe“.

Ein Musikorchester ist ein gutes Bild, um die Technik-Idee für das Zusammenarbeiten verschiedener Chatbots zu beschreiben. Nach der Devise „allein stark, zusammen unschlagbar“ werden mehrere unterschiedliche Chatbots auf Basis einer Multibot-Architektur zusammengeschaltet und können so auch komplexe Aufgaben lösen.

Durch die einfache Erstellung kleiner, übersichtlicher und wiederverwendbarer Chatbots ist es so möglich, mit geringem Aufwand leistungsfähige Dialogsysteme zu bauen.

USU hat mit “Bot Universe” ein Konzept entwickelt, welches das Zusammenarbeiten verschiedener ChatBots erlaubt.

Dr. Thomas Gerick, USU Software AG

Das Konzept zu  Bot Universe unterteilt Chatbots in zwei Rollen, Experten- und Lead-Bots. Dabei liefern die Expertenbots Informationen zu bestimmten Fachthemen, der Lead-Bot (= der Dirigent, um im Bild zu bleiben) fungiert als Moderator und weist dem Anwender den für sein Anliegen passenden Experten-Bot zu (der auf seinen Einsatz als Solist wartet).

Durch die beschriebene Architektur lassen sich auch ein oder mehrere ChatGPT-Bots sehr einfach integrieren. Die Inhalte für ein solches „diverses“ Bot-Team werden über eine Wissensdatenbank gemanaged. Erste Service-Organisationen setzen dieses Bot-Netzwerk inklusive ChaTGPT bereits erfolgreich ein. Auf die weitere Entwicklung generativer KI darf man gespannt sein.

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