Die Schattenkosten von KI-Investitionen und wie man sie sichtbar macht

In den vergangenen Jahren hat der Hype um künstliche Intelligenz zu Milliarden-Investitionen und großen Erwartungen geführt. Mittlerweile wächst jedoch die Skepsis in vielen Unternehmen, ob KI tatsächlich den erhofften Durchbruch bringt. Gründe hierfür liegen sowohl in den technischen Herausforderungen als auch in den versteckten Kosten, sogenannte Schattenkosten, die den Nutzen von KI nicht überdecken sollten. [...]

Verborgene Kosten dürfen den Nutzen von KI nicht überdecken. Entscheidend sind vollständige Kostenerfassung, saubere Strukturen, konsequente Überwachung und klare Wartungspläne. (c) stock.adobe.com/AngurHussain

Um nachvollziehen zu können, wie diese hohen Erwartungen entstanden sind, lohnt sich ein Blick auf die Entwicklung von KI. In den späten Neunzigerjahren und frühen 2000ern waren KI und Machine Learning für Laien schwer zugänglich. Man benötigte mehrere akademische Abschlüsse, Forschungserfahrung und tiefe technische Kenntnisse, um mit Modellen zu arbeiten. Heute sind KI und ML deutlich zugänglicher und wirken überzeugend in der Kommunikation. Sie sind für Nicht-Experten leichter nutzbar, was die Erwartungen an ihre Möglichkeiten stark erhöht hat. Dennoch zeigen sich Grenzen in ihrer Leistungsfähigkeit.

Trotz der Risiken wollen Unternehmen ihre Investitionen in KI ausbauen. Der Twilio-Report State of Customer Engagement 2025 zeigt, dass 97 Prozent der Firmen in den kommenden fünf Jahren mehr in KI investieren wollen. 77 Prozent planen dies bereits in den nächsten zwölf Monaten. Es ist daher entscheidend, versteckte Kosten zu erkennen, Erwartungen zu prüfen und den Weg zur produktiven Nutzung vorzubereiten.

Zwei Seiten versteckter KI-Kosten

Die versteckten Kosten lassen sich in technische und operative Faktoren unterteilen. Technisch wird KI oft mit klassischer Softwareentwicklung gleichgesetzt. Beide benötigen ähnliche Fähigkeiten, Werkzeuge und Prozesse. KI-Systeme brauchen jedoch eine deutlich speziellere Pflege und Wartung. Klassische Software erfordert nur gelegentliche Sicherheitsupdates oder Funktionsanpassungen. Sie arbeitet ansonsten stabil. Ein KI-Modell bildet jedoch den Zustand der Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt ab. Es wird mit Daten trainiert, die im Lauf der Zeit an Relevanz verlieren. In einigen Branchen geschieht dies über Monate oder Jahre. In kritischen Bereichen wie Betrugserkennung, Cybersicherheit oder Finanzmärkten kann dies innerhalb von Tagen oder Wochen auftreten.

Ein Beispiel ist ein Unternehmen für autonome Fahrzeuge. Falls ein Gesetz in Kalifornien das Rechtsabbiegen bei Rot verbietet, ist ein zentrales Datenelement plötzlich falsch. Dieses Element war ein grundlegender Bestandteil des Trainings und wird von den Fahrzeugen für sichere und komfortable Fahrten genutzt. Organisationen unterschätzen häufig die 20/80-Regel bei Technologie-Investitionen. Der Kauf oder die Lizenzierung machen nur einen kleinen Teil der Gesamtkosten aus. Einen viel größeren Anteil bilden Wartung, Schulung und Support. Bei KI verstärkt sich dieser Effekt. Da sich die Welt ständig verändert, muss die Qualität der Modelldaten regelmäßig überprüft werden. Ohne feste Wartungs- und Kontrollpläne sinkt die Leistung unbemerkt.

Operativ wollen viele Unternehmen KI zur Lösung zentraler, aber unklar definierter Probleme einsetzen. Beispiele sind die Optimierung der Logistik oder die Steigerung der Vertriebseffizienz. Oft fehlen jedoch klare Ziele und messbare Ergebnisse. Bei Firmen am Anfang ihrer KI-Nutzung verstärken organisatorische Schwächen dieses Problem. Es mangelt an definierter Governance und gemeinsamer Infrastruktur. Ein Beispiel: Erwachsene müssen nicht daran denken, sich die Zähne zu putzen, es gehört zur Routine. Kinder sind es nicht gewohnt und müssen daran erinnert und oft überzeugt werden. In ausgereiften Organisationen laufen wichtige Prozesse ebenso selbstverständlich ab. In weniger reifen Strukturen müssen sie dagegen aktiv eingeführt und durch ständige Wiederholung gefestigt werden.

Bei KI sind saubere Daten, gemeinsame Systeme, Modellpflege, kontinuierliche Überwachung, Sicherheitsmaßnahmen und Governance entscheidend. Vernachlässigung führt zu Problemen in der gesamten Strategie.

KI braucht Wartung

KI ist keine Technologie, die man einmal einrichtet und dann vergisst. Jede Investition muss von einem klaren Wartungs- und Kontrollplan begleitet werden. Dazu gehören Intervalle für das Nachtrainieren, messbare Kennzahlen zur Leistungsbewertung und festgelegte Schwellenwerte für Anpassungen.

Wer KI betreibt, häuft technische Schulden an. Diese entstehen durch den Aufwand, der nötig ist, um die Leistungsfähigkeit der Modelle zu erhalten. Ohne regelmäßige Anpassung wächst dieser Aufwand an und kann zu Kontrollverlust führen. Ähnlich wie bei Fahrzeugen ist daher eine planmäßige Wartung entscheidend: Ölwechsel und Kontrollen finden dort in festen Zeitabständen oder nach einer bestimmten Laufleistung statt. Bei KI gilt das gleiche Prinzip. Modelle sollten je nach Anwendungsbereich monatlich, vierteljährlich oder halbjährlich überprüft werden. Wenn Leistungswerte oder Kennzahlen unter eine festgelegte Baseline fallen, ist vorzeitige Wartung notwendig.

Erfahrungen aus früheren Technologiewellen

So bahnbrechend KI auch erscheint, sie ist nur ein Werkzeug. Auch frühere Technologien haben große Veränderungen ausgelöst. Die Einführung des Internets und der Aufstieg der Cloud sind Beispiele dafür. Solche Umbrüche lassen sich steuern, wenn die Herangehensweise stimmt:

  • Den Hype ignorieren. Testen und sich bewusst machen, dass KI nicht jedes Problem löst.
  • Offen bleiben. Akzeptieren, dass eine Lernkurve notwendig ist, um den maximalen Nutzen zu erzielen.
  • Ziele klar definieren. Nutzen, Wert und Veränderungen im Zeitverlauf messen.
  • Wissen, dass nicht alles bekannt ist. Flexibel und agil bleiben, Experimente anpassen und neue Kennzahlen verfolgen.

Verborgene Kosten dürfen den Nutzen von KI nicht überdecken. Entscheidend sind vollständige Kostenerfassung, saubere Strukturen, konsequente Überwachung und klare Wartungspläne. So bleibt der Weg zur produktiven Anwendung stabil.

* Zachary Hani ist, Head of AI, ML and Data bei Twilio.


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