Menschen kreieren ihren digitalen Zwilling selbst - diese und andere Prognosen wagt Gartner in seinem Hype Cycle 2020. Lesen Sie, welche Technologien Gesellschaft und Wirtschaft verändern werden. [...]
Gartner Hype Cycle: Composite Architectures
Bei diesem Trend geht es um IT-Infrastrukturen in Unternehmen, die künftig aus Komponenten zusammengesetzt sein sollen. Diese Architektur soll Unternehmen modularer machen und den Verantwortlichen helfen, schneller auf veränderte Business-Anforderungen reagieren zu können. Flexibilität und Agilität seien die entscheidenden Fähigkeiten, sagen die Gartner-Analysten. Folgende Technologien können den Betrieben dabei helfen:
Das „Composable Enterprise“ hat seine Business-Modelle, seine technologische Architektur sowie seine Organisation und sein Partner-Ökosystem weitgehend modularisiert. Die Grundlage bildet dabei ein Anwendungsdesign, das Applikationen als Bausteine aus kundenspezifisch verpackten Geschäftsfunktionen gruppen- oder sogar nutzerspezifisch bereitstellt. Die Grundprinzipien sind so weit nichts Neues: Modularität, Effizienz, laufende Verbesserungen sowie Innovation sind Gartner zufolge in den meisten Organisationen bekannt und teilweise auch schon gelernt. Die Herausforderung liegt eher darin, den damit einhergehenden Kulturwandel flächendeckend in den Organisationen zu verankern. Es geht also um Mitarbeiterverhalten und Mindset. Der Wechsel von starren, aber vertrauten Unternehmensstrukturen hin zu einer sich kontinuierlich wandelnden und verbessernden Organisation ist die Herausforderung – für viele Unternehmen eine große Barriere.
Einen Weckruf, hier aktiver zu werden, gab es durch die Coronakrise. Die Notwendigkeit, das eigene Unternehmen widerstandsfähiger gegen Krisen zu machen, zwang die Verantwortlichen, die Art und Weise, wie sie ihre Geschäfte abwickeln, grundlegend zu hinterfragen. Die Analysten positionieren Composite Architectures auf dem Hype Cycle Technologie kurz vor dem Gipfel der Erwartungen und rechnen mit einer Produktivitätsreife bereits in zwei bis fünf Jahren.
Die technische Grundlage bieten sogenannte Packaged Business Capabilities (PBCs). Das sind Gartner zufolge gekapselte Softwarekomponenten, die eine klar definierte Geschäftsfähigkeit abbilden. PBCs beinhalten Merkmale von Microservices (Kapselung und domänengesteuertes Design) wie auch von monolithischen Anwendungen (in sich geschlossen und fokussiert auf einen klaren Geschäftsbeitrag). Sie sind jedoch stärker geschäftsorientiert als erstere und anpassungsfähiger als letztere.
Große Business-Anwendungen werden künftig als Baugruppen solcher PBCs ausgeliefert, glauben die Analysten. Mit Hilfe spezieller Tools könnten sich Anwender aus diesen Building Blocks die für sie passenden Applikationen zusammensetzen. Zentrale Komponenten solcher Architekturen sind Sets mit vorkonfigurierten Schnittstellen sowie Low-Code-Entwicklungsumgebungen. Angesichts der Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie glaubt Gartner, dass sich die PBC-Idee schnell weiterentwickeln und ausbreiten wird.
Data Fabric
Eine weitere zentrale Komponente solcher zusammensetzbarer Architekturen ist eine Data Fabric. Darunter versteht Gartner ein alternatives Designkonzept für das Datenmanagement. Es basiert auf einer Kombination verschiedener Tools, bestimmter Prozesse sowie den notwendigen Skills der Mitarbeiter. Gerade hinsichtlich des Daten-Handlings stünden viele Unternehmen im Zuge ihrer digitalen Transformationen vor immer größeren Herausforderungen. Die Zahl der Datenquellen und Datentypen wächst, genauso wie das Datenvolumen und die Komplexität in Sachen Integration. Gleichzeitig steigt die Anforderung, möglichst in Echtzeit Einsichten aus den Daten zu gewinnen, um Geschäftsentscheidungen zu unterstützen.
Im Grunde genommen geht es bei der Data Fabric darum, mit Hilfe von Metadaten das Volumen zu bändigen und in den Griff zu bekommen sowie mit Hilfe von Data Pipelines die Datenflüsse im Unternehmen richtig zu lenken. Da diese Aufgaben manuell kaum zu bewältigen sind, empfehlen die Analysten den Anwendern, dafür Machine Learning und Automatisierungstechniken einzusetzen. Es müssten dynamische Datenstrukturen geschaffen werden, von starren Punkt-zu-Punkt-Verbindungen in der Datenintegration müssten sich die Betriebe lösen. Dabei könnten auch Techniken wie Datenkataloge und Daten-Virtualisierung helfen.
Während die Data Fabric auf den Gipfel im Hype Cycle zusteuert, entwickeln sich Technologien wie Private 5G und Low-Cost Single-Board-Computer für den Netzwerkrand (Edge) gerade erst. Diese Edge-Systeme basieren auf System-on-Chip (SoC-)Lösungen und sind darauf ausgelegt, ganz bestimmte Aufgaben in Maschinen, Fahrzeugen oder Fabrikanlagen zu lösen. Vorrangig geht es darum, Daten schon dort vorzuverarbeiten und zu analysieren, wo sie entstehen. Dieser Markt entwickelt sich gerade. Viele Unternehmen experimentieren aktuell mit Produkten von Nvidia oder dem beliebten „Raspberry Pi“. Fehlende Standards und Security-Features stehen einer breiten Adaption jedoch noch im Weg.
Um die Edge-Systeme ins Firmennetz einzubinden, bietet sich laut Gartner Private 5G als Private Mobile Network (PMN) an. Gerade im Zuge von Industrie 4.0 und dem Internet of Things dürfte der neue Mobilfunkstandard mit seinen höheren Bandbreiten neue Möglichkeiten eröffnen. Vor allem Autobauer wie Volkswagen und BMW arbeiten mit Hochdruck daran, 5G als zentrale Vernetzungstechnik in ihren Produktionshallen zu implementieren.
Um Daten in Edge-Systemen analysieren zu können, braucht es die dafür notwendige Intelligenz. Gartner spricht hier von Embedded AI und Tiny Machine Learning. Dabei handelt es sich um leichtgewichtige Analytics-Funktionen, die auch mit weniger ausgeprägten Rechenressourcen am Netzwerkrand zurechtkommen. Teilweise sind die Chiparchitekturen bereits für diese AI- und ML-Komponenten optimiert. Der Vorteil der lokalen Datenanalyse liegt drin, dass die Daten nicht erst in ein Data Center übertragen werden müssen. Das verringert die Latenzzeiten und erhöht die Effizienz in den Anlagen. Ein klassischer Business Case ist Predictive Maintenance. Die Gartner-Analysten gehen davon aus, dass sich in den kommenden Jahren etliche weitere Anwendungsszenarien eröffnen, beispielsweise im Bereich Smart Cities und Smart Buildings.
Be the first to comment