European Tech Insights 2021: EU-Bürger wollen KI statt Politiker

Wie halten es die Europäer mit moderner Technik wie KI oder Robotern? Eine internationale Studie zeigt, dass die Europäer teilweise ein hohes Vertrauen in Künstliche Intelligenz haben. [...]

Mit der Liebe zur KI ist es allerdings vorbei, wenn es um medizinische Diagnosen geht (c) pixabay.com

Um die Reputation europäischer Politiker ist es nicht gut bestellt: 51 Prozent der Europäer würden ihre Parlamentarier lieber durch einen KI-Algorithmus ersetzten. Dabei schwingt die Hoffnung mit, dass sich eine KI – wenn sie Zugriff auf die persönlichen Daten hat – besser um das Wohl der Bürger kümmert als die Politiker. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie European Tech Insights 2021. Im Rahmen der Studie befragte das Center for the Governance of Change der spanischen Universität IE 2.769 Teilnehmer in Estland, Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Polen, Spanien, Großbritannien, China sowie den USA.

KI – der bessere Volksvertreter?

Besonders wenig Vertrauen scheinen die Spanier in ihre Politiker zu haben. Dort könnten sich 66 Prozent einen KI-Ersatz vorstellen, gefolgt von den Italienern mit fast 60 Prozent und den Esten mit 56 Prozent. Im Vergleich dazu kommen die deutschen Politiker im Wahljahr 2021 noch mit einem blauen Auge davon: Lediglich 46 Prozent der Deutschen würden ihre Politiker durch Künstliche Intelligenz ablösen. Allerdings sollte sich die Politik davor hüten, sich angesichts dieses Ergebnisses zufrieden zurückzulehnen, denn bei der jüngeren Generation zeichnet sich ein anderes Bild ab. Europaweit würden 60 Prozent der 25- bis 34-Jährigen der KI gegenüber menschlichen Politikern den Vorzug geben.

Interessant ist dabei auch ein Blick nach China und in die USA. So könnten sich 65 Prozent der Chinesen vorstellen, ihre Politiker durch KI zu ersetzen. Ein Ergebnis, das allerdings aufgrund des dortigen Defacto-Einparteiensystems nicht weiter verwundert. Angesichts des letztens Wahlkampfes überrascht es dagegen eher, dass im fortschrittsgläubigen Amerika noch 60 Prozent der Befragten hinter ihren Politikern stehen und nur 40 Prozent eine KI präferieren würden.

Eine schallende Ohrfeige gibt es für die Politik auch bei der Frage, wie sie das verspielte Vertrauen wieder herstellen könnte. Sieht man von Schweden und China einmal ab, so wird in allen Ländern der Umfrage eine Abschaffung der Korruption als wichtigster Handlungspunkt genannt. Ebenfalls sehr wichtig ist für viele Europäer eine Reform des jeweiligen Wahlsystems. Lediglich Franzosen und Deutsche setzen hier einen anderen Schwerpunkt. Für sie stehen Online-Volksabstimmungen zu wichtigen politischen Entscheidungen auf Platz zwei der Agenda.

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Die Idee, wählen zu können, stößt bei 72 Prozent der Europäer auf Gegenliebe. Voraussetzung ist, dass die digitale Wahl zu hundert Prozent sicher ist. Selbst die oft als Technikmuffel verschrienen Deutschen können sich zu fast 70 Prozent vorstellen, ihre Stimme per Smartphone abzugeben, statt eine Wahlkabine aufzusuchen. In China ist sogar die überwältigende Mehrheit (81 Prozent) für Wahlen via Smartphone. Lediglich die US-Bürger sind hier im internationalen Vergleich zurückhaltender. Gerade einmal 58 Prozent halten eine Stimmabgabe per Smartphone für ein gute Idee. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass vielen Amerikanern noch die Erfahrungen der letzten Präsidentenwahl in den Knochen steckt, als Trump mit zahlreichen Prozessen und der Mär von der gestohlenen Wahl monatelang für Verunsicherung sorgte.

Lieber KI als Beamte, aber wenig Vertrauen in Roboter

Nachdem Spanier, Italiener und Esten schon ihre Politiker am liebsten durch eine KI ersetzen würden, überrascht es wenig, dass in diesen Ländern viele Bürger auch lieber Entscheidungen über die Auszahlung von Sozialhilfe sowie Visaanträge für das Arbeiten im Ausland lieber von einer KI als von einem Menschen bearbeitet sehen möchten. Europaweit vertritt etwa ein Drittel der Bevölkerung diese Ansicht. Selbst die Genehmigung von Hypothekendarlehen oder Gerichtsbeschlüsse per KI können sich ein Viertel der Europäer vorstellen.

Mit der Liebe zur KI ist es allerdings vorbei, wenn es um medizinische Diagnosen geht – lediglich zwölf Prozent der EU-Bürger wären hierzu bereit. Größer ist das Vertrauen in Doktor Digital dagegen im internationalen Vergleich in China: Dort würde knapp ein Drittel eine medizinische Diagnose lieber von der KI gestellt bekommen.

Deutlich weniger Vertrauen haben die Europäer dagegen in Dienstleistungen, die Roboter erledigen. Zwar kann sich noch ein Drittel der Befragten vorstellen, dass ein Roboter die Pakete liefert. Beim Gedanken daran, in einer Cafeteria die Bestellung bei einem Roboter aufzugeben, sinkt die Zustimmungsrate jedoch auf ein Fünftel. Noch schlechter ist es um die Zustimmung zu Robo-Taxis bestellt. Gerade einmal 15 Prozent würden sich von einem solchen Taxi nachhause bringen lassen. Und ein absolutes No Go ist in Europa der Gedanke, dass ein Roboter eine medizinische Untersuchung vornimmt. 92 Prozent der EU-Bürger setzen hier auf den menschlichen Arzt.

Wie in vielen Dingen spricht Europa hier jedoch nicht mit einer Stimme, so dass es etliche regionale Unterschiede gibt. So steht etwa der Roboter als Paketbote in Estland (78 Prozent), Polen (43 Prozent) oder Schweden (38 Prozent) hoch im Kurs. Und in den Niederlanden muss etwas bei den Servicekräften in den Cafeterien im Argen liegen, denn 30 Prozent würden hier die Maschine bevorzugen, während der im Rest der befragten EU-Länder die Werte zwischen 13 und 22 Prozent liegen.

Eine ähnliche Vermutung liegt bezüglich des Gesundheitswesens in Polen nahe. Während sich etwa in Deutschland oder Frankreich lediglich zwei oder vier Prozent eine medizinische Untersuchung durch einen Roboter vorstellen können, sind es in Polen fast 20 Prozent. Weltweit führend in Sachen Roboterakzeptanz sind wiederum die Chinesen, während Europäer und Amerikaner in etwa die gleichen Ansichten in Sachen Roboter haben.

*Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 


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