Nach dem Hype um Kryptowährungen rückt die Blockchain immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit. Expertinnen und Experten diskutierten bei einer Veranstaltung der Plattform „Digital Business Trends“ (DBT) in Wien mögliche Einsatzgebiete sowie Vor- und Nachteile der Blockchain-Technologie. [...]
„Blockchain-Technologien sind potenziell disruptiv und werden sich in vielen verschiedenen Bereichen durchsetzen, über Kryptowährungen kann ich das nicht sagen“, so Stefan Schulte von der Technischen Universität (TU) Wien. Diese könnten in Zukunft nur noch als ein möglicher Anwendungsfall unter vielen gesehen werden, auch wenn sie die öffentliche Wahrnehmung noch dominieren. Blockchains – eine Art digitales Register, in dem alle Daten einer Transaktion verschlüsselt gespeichert werden – hätten in den vergangenen Jahren aber sowohl von der Industrie als auch in der Forschung immer mehr Aufmerksamkeit erhalten.
Zu Recht, denn es gebe zahlreiche sinnvolle Einsatzgebiete. Als Beispiel nannte Schulte digitale Zertifikate, etwa zur Authentizitätsprüfung von Zeugnissen. Er bekomme bei Stellenausschreibungen Bewerbungen aus aller Welt, bei den angefügten Dokumenten sei aber nicht nachvollziehbar, ob sie gefälscht seien oder nicht. Nachtelefonieren koste viel Zeit und sei auch in Hinblick auf den Datenschutz nicht empfehlenswert. „Hier kann eine Blockchain helfen“, erklärte Schulte. An der Uni Basel und an der Frankfurt School of Finance & Management greife man schon darauf zurück.
Impfstoffe und Diamanten tracken
Ein weiterer interessanter Anwendungsfall sei die Nachverfolgbarkeit von Gütern. So würde die NGO Denominator Group Impfstoffe mittels Blockchain tracken – von der Herstellung über den Transport bis zum Einsatzort. Das sorge für eine klare Nachvollziehbarkeit. Das Unternehmen Everledger wiederum mache den Weg von Diamanten durch die Gravur von mikroskopisch kleinen Codes transparent. Schulte sieht aber auch kritische Bereiche: Blockchains könnten bei der Übermacht eines Teilnehmers sehr wohl manipuliert werden und außerdem mache die Anwendung in vielen Einsatzgebieten einfach keinen Sinn. Nämlich dort, wo ohnehin Vertrauen herrsche, man sich beispielsweise auf den Staat verlässt.
Die Blockchain sei im Businessbereich ein Gamechanger, meint auch Christian Minarovits von IBM Österreich. Allerdings dürfe der Netzwerkcharakter nicht unterschätzt werden, sonst sei ein Misserfolg vorprogrammiert. „Man muss sich gründlich überlegen, wer daran teilnehmen soll und welche Anreize dafür angeboten werden. Blockchain ist ein Team-Sport“, verwies der Experte auf die Optimierung des „Kuschelns entlang der Wertschöpfungskette“.
Stark engagieren würden sich vor allem Industrien, deren Geschäftsmodell durch die Blockchain stark bedroht seien, etwa Banken oder Energieunternehmen. In Österreich gebe es aber auch Projekte im Bereich elektronische Identitäten, um beispielsweise den Führerschein auf das Handy zu bringen. Schweden würde versuchen, 100 Mio. Euro pro Jahr einzusparen, indem Immobilientransaktionen im Grundbuch über eine Blockchain abgebildet werden. Derzeit seien dafür 31 Prozesse notwendig, von denen 24 Teilnehmer – Notare, Behörden und dergleichen – profitieren. „Die Blockchain ist jedenfalls gekommen, um zu bleiben“, so Minarovits.
Vernetzung verlangt neue Lösungen
Es gebe spezifische Einsatzgebiete, in denen die Blockchain mehr Sicherheit und Funktionalität biete als andere digitale Techniken, ist auch Gabriele Bolek-Fügl vom Wirtschaftsprüfer und Steuerberater BDO Austria überzeugt. Da Betrugsfälle im Internet und die Vernetzung stark zunehmen würden, seien neue Lösungsansätze nötig, die für eine höhere Transparenz sorgen. „In wenigen Jahren wird man vermutlich Unternehmen, die nur private Datenbanken haben, nicht mehr genug Vertrauen entgegenbringen, als dass sie als Geschäftspartner interessant sind“, so Bolek-Fügl. Derzeit würden aber noch viele Pilotprojekte eingestellt, weil die Einsatzgebiete nicht passen oder negative Nebenwirkungen entstehen.
Ja, es hätten sich Grenzen der derzeitigen Technologien in Bezug auf Geschwindigkeit, Effizienz, Sicherheit und Nutzen gezeigt, meint auch Harald Gold vom IT-Dienstleister DXC Technology Austria. Werthaltig vorzugehen dauere eben länger, weil es auch um die Zusammenführung mit der Bestands-IT, die Ausbildung der Mitarbeiter, User-Experience und den Aufbau einer Plattform gehe. Dennoch sei das Disruptionspotenzial der Blockchain gewaltig. Die Gemeinde Zug in der Schweiz arbeite beispielsweise an einem System, wie Wahlen und Abstimmungen fälschungssicher abgewickelt werden können. „Hier bekommt man die sofortige Rückmeldung: Meine Stimme ist angekommen.“
Auch im Energiebereich gibt es massive Umbrüche. Die dezentrale Produktion – PV-Anlagen und Windkraft – mit bestehenden Energiesystemen zu verknüpfen, ist schwierig. Blockchain & Co. bieten hier neue Möglichkeiten, erklärte Kai Siefert von Wien Energie. Deshalb habe man Herkunftsnachweise für erneuerbare Energien entwickelt. „Die Blockchain kann dem Strom ein Mascherl geben. Wir machen nachvollziehbar, wo er verbraucht wird“, so Siefert.
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