Der E-Government Benchmark 2024 Insight Report weist deutliche Verbesserungen bei der Bereitstellung von Online-Diensten aus. Bei der grenzüberschreitenden Nutzung gibt es jedoch Luft nach oben. Wenig überraschend: Die Bedeutung von KI wächst auf allen Verwaltungsebenen. [...]
Die Studie E-Government Benchmark 2024 insight report, die die Mitgliedstaaten der EU27, die Länder der Europäischen Freihandelsassoziation sowie die sieben EU-Beitrittskandidaten abdeckt, zeigt, dass die Regierungen in den letzten vier Jahren erhebliche Fortschritte bei der Bereitstellung von Online-Diensten für ihre Bürger gemacht haben. Die Gesamtleistung der EU27 liegt bei 76 von 100 Punkten, eine Steigerung um fünf Punkte im Vergleich zu vor zwei Jahren. Österreich hat sich dabei um ganze 16 Punkte auf 82 verbessert.
Die europäischen Spitzenreiter sind Malta (97 Punkte) und Estland (92), die ihre Führungsposition halten konnten, dicht gefolgt von Luxemburg und Island (je 90 Punkte). Weitere Top-Länder der Europäischen Union sind Finnland (88), Litauen (86), Dänemark (85), die Niederlande (85), Lettland (85) sowie Schweden und Österreich (je 82).
Insgesamt wird die Nutzerfreundlichkeit mit 96 Punkten weiterhin am besten bewertet. Die deutlichste Verbesserung ist jedoch bei der Transparenz (Anstieg von 71 auf 77 Punkte) sowie den grenzüberschreitenden Diensten (Verbesserung von 66 auf 72 Punkte) zu verzeichnen. Der Report zeigt auch, dass die EU auf dem besten Weg ist, das Ziel der digitalen Dekade zu erreichen, nämlich die flächendeckende Verfügbarkeit von öffentlichen Online-Diensten, die unabhängig von Land und Dienstanbieter einheitlich und leicht zugänglich sind.
Grenzüberschreitende Nutzung
Der Report zeigt, dass 91 Prozent der von zentralen Regierungsbehörden angebotenen Dienstleistungen online verfügbar sind. Auf lokaler Ebene von Städten und Kommunen liegt dieser Anteil bei 71 Prozent. Dieser Unterschied hat sich jedoch in den letzten vier Jahren deutlich verringert.
Eine deutliche Diskrepanz besteht auch bei der nationalen beziehungsweise grenzüberschreitenden Nutzung von E-Government-Diensten. Nationale User können auf 88 Prozent aller angebotenen Dienste digital zugreifen. Bei Nutzern, die Anfragen über nationale Grenzen hinweg stellen, ist dies jedoch nur bei 56 Prozent der Dienste der Fall – dies entspricht einem Unterschied von 32 Prozentpunkten. In den letzten vier Jahren hat sich diese Differenz von 35 Prozentpunkten leicht verringert. Dennoch stoßen grenzüberschreitende Nutzer immer noch auf zahlreiche Hindernisse, wenn sie Online-Dienste in Anspruch nehmen möchten. Um diesen Rückstand weiter aufzuholen, sollten lokale und regionale Behörden an der Verbesserung der technologischen Infrastruktur arbeiten, die für qualitativ hochwertige Dienstleistungen erforderlich ist, so die Studie.
Interoperabilität als Schlüssel zur Verbesserung
Architektonische Bausteine wie die eID und eSignatur können leicht in die Behördenwebseiten integriert werden, sodass die Dienste in ganz Europa einheitlicher und unabhängig von Land und Dienstanbieter sind. Mit dem Vorstoß in Richtung Interoperabilität und der Umsetzung des Interoperable Europe Act bewegt sich Europa auf eine nahtlose Interaktion zwischen digitalen Diensten und Daten auf verschiedenen Regierungsebenen sowie zwischen öffentlichen Verwaltungen und Unternehmen oder Bürgern zu.
„Wir nähern uns dem Meilenstein 2030, den die Europäische Kommission mit ihrem Programm für die digitale Dekade gesetzt hat“, sagt Martina Sennebogen, Vorstandsvorsitzende bei Capgemini in Österreich. Der E-Government Benchmark wird von Capgemini geleitet und gemeinsam den Partnern IDC und Politecnico di Milano durchgeführt. „Es ist ermutigend zu sehen, dass EU-Länder resilienten und souveränen digitalen Infrastrukturen Priorität geben, was barrierefreie Dienste und grenzüberschreitende Angebote verbessert. Der Interoperable Europe Act wird diese Entwicklung weiter vorantreiben und insbesondere die Umsetzung des europäischen Once-Only-Prinzips fördern, wodurch Verwaltungslösungen EU-weit wiederverwendet werden könnten. Dies ist besonders bei knappen Budgets und begrenzten Ressourcen vorteilhaft.“
Neben der Interoperabilität sind die Faktoren Datensouveränität und Cybersicherheit die zentralen Säulen bei der Bereitstellung von E-Government-Diensten.
Datensouveränität bedeutet für die Bürger bekanntlich, dass sie die Kontrolle über ihre persönlichen Informationen und ihre Privatsphäre haben. Das heißt, dass die Regierungen mehr Transparenz darüber schaffen müssen, welche Art von Daten sie über die Bürger haben und wie sie mit diesen Daten umgehen. Der Indikator für die Transparenz personenbezogener Daten des E-Government-Benchmark zeigt, dass die Bürger bei fast 9 von 10 Portalen in der EU27 ein hohes Maß an Zugang zu ihren personenbezogenen Daten und deren Verwaltung haben und Verstöße melden können. Bei weniger als 60 Prozent der Portale sind die Nutzer in der Lage zu überprüfen, wer auf ihre Daten zugegriffen hat und zu welchem Zweck.
Der Schutz vor Bedrohungen der Cybersicherheit ist eine wichtige politische Priorität der EU, die für die Aufrechterhaltung widerstandsfähiger digitaler Lieferketten und Infrastrukturen unerlässlich ist. Der Indikator für Cybersicherheit des E-Government-Benchmark zeigt, dass die Cybersicherheitskapazitäten in allen EU-Ländern stark verbesserungsbedürftig sind. Trotzdem erhielten 50 Prozent aller Sicherheitskriterien eine gute Note. Nichtsdestotrotz zeichnen sich die besten Unternehmen im Bereich der Cybersicherheit dadurch aus, dass sie über aktive Maßnahmen zur Sensibilisierung verfügen und Instrumente und Tools zur Verbesserung der Widerstandsfähigkeit und Sicherheit bereitstellen.
Bedeutung von KI
Die wachsende Bedeutung von KI-relevanten Aktivitäten und Operationen in der EU hat verschiedene regulatorische Auswirkungen. Insbesondere im Hinblick auf die Souveränität müssen KI-Modelle so gestaltet werden, dass sie die Werte der EU widerspiegeln. Als neuer Indikator wurden in der Datenerhebung des E-Government-Benchmark 2022/2023 die KI-Chatbot-Fähigkeiten auf Portal-Websites in der EU27 erfasst. Bei den fünf gemessenen Bereichen (regelmäßige Geschäftsvorgänge, Einleitung eines Verfahrens für geringfügige Forderungen, Umzug, Verkehr, Gesundheit) bieten 29 Prozent der Portale eine Live-Support-Funktion mit KI-Funktionen an, wobei die Portale für regelmäßige Geschäftsvorgänge den höchsten Prozentsatz an KI-Funktionen aufweisen.
Prof. Dr. Dr. Björn Niehaves weist in seiner Kolumne auf www.egovernment.de Cui Bono: Wer sind die Gewinner des KI-Einsatzes in der Verwaltung? auf die Harvard-Studie Field Experimental Evidence of the Effects of AI on Knowledge Worker Productivity and Quality hin: KI habe positive Auswirkungen auf die Verwaltungen selbst. Obwohl die Studie auf Unternehmensberater und -beraterinnen fokussiert, können die Ergebnisse auf den Bereich der Wissensarbeit in der öffentlichen Verwaltung übertragen werden. „Und die Ergebnisse sind beeindruckend: So erledigten KI-Nutzer 12,2 Prozent mehr Aufgaben, waren 25,1 Prozent schneller und in puncto Qualität 40 Prozent besser als ihre Kollegen ohne KI-Unterstützung. Dies bedeutet eine signifikante Reduzierung von Kosten und Bearbeitungsdauern, bei gleichzeitigem Anstieg der Qualität – ein Traum für jede Verwaltungseinheit.“
Besonders beeindruckend sei der KI-getriebene Produktivitätsanstieg bei geringer qualifizierten Mitarbeitenden, der mit einem Plus von 43 Prozent zu Buche schlägt. „Selbst bei hochqualifizierten Kräften wird im Rahmen der Studie eine Leistungssteigerung von 17 Prozent durch KI-Nutzung verzeichnet. Somit bietet KI Vorteile für alle Ebenen der Belegschaft, und angesichts der Herausforderungen des demografischen Wandels sowie des Fach- und Arbeitskräftemangels kann sie einen entscheidenden Beitrag leisten“, so Niehaves.
Digitalrat gefordert
Was die Grundlage für heimisches E-Government, die Digitalagenden Österreichs, betrifft, so schlägt die Universität Wien in einer Studie vor, einen Digitalrat einzurichten, der als Koordinierungs- und Beratungsstelle agieren soll. Derzeit sind die Aufgaben auf acht verschiedene Ressorts aufgeteilt. Die verantwortlichen Personen würden in „Fach-Silos“ arbeiten und nicht ausreichend miteinander kooperieren, so die Studienautoren bei der Präsentation.
Der wenig überraschende Grund dafür: Die Behördenlandschaft in Österreich ist historisch gewachsen und stark fragmentiert. „Die arbeiten eher nebeneinander als miteinander. Will man technologischen Fortschritt, braucht man aber Miteinander“, sagt Katja Hutter von der Universität Innsbruck. Um aus diesen „vertikalen Fach-Silos auszubrechen“, brauche es die institutionelle Bündelung der Digitalkompetenzen. Der Digitalrat solle als „Weiterentwicklungskörper“ mit „Experimentieranspruch“ dienen. In dieser Behörde soll eine Gruppe aus Experten und Expertinnen Stakeholder beraten. Ein anderes Team würde Förderprojekte planen und eventuell abwickeln. Eine dritte Gruppe wäre mit strategischen Planungsaufgaben für die Regierung tätig und würde Beratungs- und Koordinationsfunktionen für Entscheidungsgremien bereitstellen. Die vierte Einheit soll Regulierungsaufgaben wahrnehmen, das heißt auch mit Entscheidungs- und Durchsetzungsbefugnissen ausgestattet werden.
Die Digitalisierung solle in der Verwaltung dafür genutzt werden, die Effizienz zu steigern und Verwaltung transparenter zu gestalten, so Claudia Plakolm, Staatssekretärin für Digitalisierung, Jugend und Zivildienst, bei der Studienpräsentation. E-Government sei in Österreich auf einem guten Weg: Mehr als 2,6 Millionen Menschen nutzen die ID Austria, rund 600.000 digitale Führerscheine, 300.000 digitale Zulassungsscheine und 220.000 digitale Altersnachweise wurden geladen. Insgesamt gibt es derzeit etwa 220 digitale Verwaltungsservices. Damit liege man innerhalb der EU im Spitzenfeld. Luft nach oben sieht Plakolm bei der digitalen Aktenführung – vor allem in der Justiz.
Der Artikel ist ursprünglich in der Ausgabe transform! 02/2024 erschienen.
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