Das „Über IT reden“-Können wird zukünftig eine notwendige Voraussetzung für Führungsjobs sein. Aber auch in der IT selbst hat die Sprachkompetenz zugenommen. [...]
Worüber man nicht reden kann, darüber kann man nicht gemeinsam entscheiden. Wichtige IT-Entscheidungen müssen jedoch gemeinsam von Business und IT getroffen werden – strategische IT-Entscheidungen sogar in der Geschäftsleitung. Und wenn Unternehmen die digitale Transformation konsequent umsetzen wollen, dann müssen sie irgendwann auch ihre Geschäftspartner in die Entscheidungen miteinbeziehen.
Andernfalls, wenn wie früher die Entscheidungen an die IT-Abteilung oder einzelne IT-Fachkräfte delegiert werden, passieren Fehlentscheide oder die für den Erfolg notwendigen Maßnahmen werden nicht getroffen. Sprachlosigkeit wirkt wie eine Mauer quer zur Digitalisierungsautobahn.
In den letzten Jahren hat sich die Situation allerdings wesentlich verbessert. Wir haben substanzielle Fortschritte beim Reden über IT gemacht. Die Sprachentwicklung zieht sich durch alle Funktionen und Hierarchie-ebenen – von der Geschäftsleitung über die Führungskräfte in Business und IT bis zu den Fachkräften. Konnten bis vor Kurzem nur wenige CEOs über digitale Transformation mitdiskutieren, so können heute immer mehr sogar bei IT-Entscheiden mitreden.
Das heißt, sie kennen nicht nur die Begriffe und Konzepte der Nutzung von IT – etwa „digitale Zwillinge“ oder „kundenorientierte Geschäftsökosysteme“ –, sondern sie verstehen sogar die für das Design, den Bau und den Betrieb von IT wichtigen Konzepte, zum Beispiel „Unternehmensarchitektur“ oder „Scrum“.
Selbst in traditionellen Wirtschaftssektoren, beispielsweise in der Landwirtschaft, engagieren sich Führungskräfte dafür, dass die Personalabteilung Weiterbildungen in Computational Thinking ermöglicht. Die Zeit, da IT-Entscheidungen Sache der IT-Abteilung waren, erscheint wie eine ferne Erinnerung, die allenfalls bei einigen etwas Wehmut auslöst. Häufiger wird die neue IT-Kompetenz in der Geschäftsleitung aber als echte Bereicherung wahrgenommen, die das Commitment zum Unternehmenserfolg stärkt.
Abschied von Geheimsprachen
Auch in der IT selbst hat die Sprachkompetenz zugenommen. Der Gebrauch von Muster-Sprachen verbreitet sich stark. Dass Hersteller gerne eigene Pattern-Begriffe erfinden, trübt diesen Fortschritt nur unwesentlich. Denn dank der verbesserten Sprachkompetenz hat der Erfahrungsaustausch unter IT-Architekturverantwortlichen heute ein viel höheres Niveau als noch vor wenigen Jahren.
Bisweilen gibt es Rückschläge, beispielsweise wenn Unternehmen akzeptieren, dass mit IT-Architekturbildern gearbeitet wird, die nur ein ganz kleiner Kreis von Eingeweihten interpretieren kann. Man stelle sich zum Vergleich vor, die Pläne von Hochhäusern könnten nur irgendwelche Bergmönche lesen. Das wäre bizarr – und es sollte auch in der IT nicht akzeptiert werden.
In Summe überwiegt jedoch der Trend zu verständlicherer Kommunikation. Es wird immer öfter mit aussagekräftigen Architekturbildern und mit klarer Sprache kommuniziert. Das ist eine gute Nachricht für die Menschheit, für die Wirtschaft und für die Informatik. Die einzige Sorge ist, dass die öffentliche Verwaltung mit dieser Entwicklung nicht mitkommt. Der politisch-administrative Komplex funktioniert nach eigenen Regeln. Eine davon ist – nicht überall, aber in vielen Bereichen –, dass man die Sprache der IT nicht spricht, weil man für höhere Werte steht. So wie einst Louis XIV.
*Reinhard Riedl beschäftigt sich mit digitalen Ökosystemen und leitet das transdisziplinäre Forschungszentrum «Digital Society» an der Berner Fachhochschule.
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