GenAI im Arbeitsalltag: Top-Management sagt Ja!

Das C-Level hat die Vorteile von generativer KI schneller erkannt als die Mitarbeitenden. Insgesamt wird die neue Technologie in Österreich nur sehr zögerlich angenommen – die wichtigsten Ergebnisse aktueller Studien zu diesem Thema im Überblick. [...]

Trotz der hohen Potenziale, die in der Nutzung von GenAI gesehen werden, stuft fast die Hälfte der Unternehmen ihre eigene Implementierung und Nutzung als unreif ein. (c) Pexels
Trotz der hohen Potenziale, die in der Nutzung von GenAI gesehen werden, stuft fast die Hälfte der Unternehmen ihre eigene Implementierung und Nutzung als unreif ein. (c) Pexels

Generative KI (GenAI) ist im Arbeitsalltag angekommen – doch Management und Mitarbeitende haben sehr unterschiedliche Sichtweisen auf den Einsatz, die Erwartungen und den Nutzen. Das belegt die aktuelle GenAI-Studie des IT-Dienstleisters adesso, an der insgesamt 778 Führungskräfte und Mitarbeitende aus der DACH-Region teilnahmen. Die Studienautoren haben drei Aspekte herausgestrichen.

Erkenntnis Nummer Eins: GenAI ist das tägliche Arbeitswerkzeug des C-Levels. 29 Prozent der Führungskräfte greifen sogar mehrmals täglich auf die verschiedenen Tools zurück. Als Vergleich: Im mittleren Management sind es nur zwölf Prozent und bei den Mitarbeitenden elf Prozent, die GenAI ebenso häufig zu Rate ziehen. Damit hat sich der Arbeitsalltag für die Geschäftsführerebene nach eigenen Angaben deutlich stärker verändert als für alle anderen.
Erkenntnis Nummer Zwei: Falsche Vorstellungen führen zu falschen Hoffnungen. ​Wie die Studie zeigt, hat das Management ganz allgemein deutlich geringere Erwartungen an GenAI. Insbesondere bei der erhofften Zeitersparnis durch den Einsatz solcher Tools gibt es signifikante Unterschiede zwischen den Hierarchieebenen: Während sich 92 Prozent der Mitarbeitenden eine spürbare Entlastung versprechen, teilen nur 69 Prozent der obersten Führungsebene und 68 Prozent des mittleren Managements diesen Optimismus. Offenbar sehen Führungskräfte GenAI eher als Ergänzung oder Unterstützung im Arbeitsalltag und weniger als Werkzeug, das ihnen Aufgaben komplett abnimmt.

Erkenntnis Nummer Drei: Der Realitätscheck zeigt ein differenziertes Bild​. Obwohl die Mitarbeitenden die größten Hoffnungen in den Zeitvorteil durch GenAI setzen, profitiert vor allem das Top-Management davon. Jede dritte Führungskraft auf C-Level spart nach eigenen Angaben durch den Einsatz der Technologie mehr als fünf Stunden Arbeitszeit pro Woche. Im mittleren Management sind es nur 13 Prozent und bei den Mitarbeitenden sogar nur fünf Prozent, die von solch signifikanten Zeiteinsparungen berichten. Entsprechend zufrieden zeigt sich die oberste Führungsriege: 35 Prozent der Manager auf C-Level sehen ihre Erwartungen an GenAI in allen Punkten erfüllt, im Gegensatz zu 19 Prozent bei den Führungskräften auf der mittleren Ebene und 16 Prozent bei den Mitarbeitenden.

„Das Thema GenAI ist zur Chefsache geworden“, kommentiert Tim Strohschneider, Head of GenAI der adesso SE. „Nicht nur, dass Unternehmen darüber nachdenken, wie und wo sie mit ChatGPT & Co. ihre Arbeitsabläufe optimieren können. Jeder dritte Manager auf C-Level nutzt diese Tools auch mehrmals täglich, um sich Hilfe oder Anregungen zu holen. Der Rest der Firma ist deutlich zurückhaltender. Dieser unterschiedliche Umgang ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass viele hinsichtlich GenAI nicht ausreichend geschult sind: Wer nicht weiß, wie die Technologie richtig eingesetzt wird, kann ihr Potenzial nicht ausschöpfen.“

KI noch nicht verankert

Deloitte zeichnet mit der Studie AI Trust Survey, für die das Unternehmen über 500 österreichische Führungskräfte befragt hat, ein etwas anderes Bild. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Großteil der Unternehmen sich zögerlich verhält. Bei 64 Prozent der Unternehmen kommt die Technologie noch gar nicht zum Einsatz. 44 Prozent davon haben auch in näherer Zukunft keine Absicht, sie zu implementieren. Nur ein kleinerer Anteil der Unternehmen ist offen gegenüber der Technologie: Fast ein Viertel testet derzeit den Einsatz der Technologie, 13 Prozent nutzen sie schon regelmäßig.

„GenAI ist bisher noch wenig in der österreichischen Wirtschaft verankert“, sagt Evrim Bakir, Managing Partnerin bei Deloitte Österreich. „Wenn man bedenkt, dass das Thema bereits vor rund zwei Jahren Fahrt aufgenommen hat, gehen die Unternehmen noch sehr zögerlich vor. Das sollte sich dringend ändern, denn vor allem angesichts einer drohenden Rezession werden sonst wichtige Wachstumspotenziale liegen gelassen.“

Damit GenAI letzteres voll entfalten kann, ist das Vertrauen der Anwender und Anwenderinnen das Um und Auf. Doch genau das fehlt bei einem Viertel der Befragten oder ist schwach ausgeprägt. „Vor allem offene Fragen betreffend Datenschutz sowie Verantwortung und Haftung bei fehlerhaften KI-Entscheidungen bereiten Sorgen. Die mangelnde Transparenz bei Entscheidungsprozessen sowie unbekannte gesellschaftliche Auswirkungen sind ebenfalls nicht vertrauensfördernd“, betont Bakir.

Mohamed Omran, Partner bei Deloitte Österreich, fügt hinzu: „Die vorherrschende Skepsis der Unternehmen darf keinesfalls unterschätzt werden. Es liegt jetzt an der Politik, die Bedenken ernst zu neh­men und Antworten auf die noch offenen Fragen zu geben.“
Auch der EU AI Act, der am 1. August in Kraft trat, habe in diesem Zusammenhang nicht die erwünschte Wirkung erzielt. Lediglich zehn Prozent seien der Meinung, dass die neue Regulatorik die richtigen Rahmenbedingungen bereitstellt, die einen sicheren Umgang mit GenAI erlauben. „Hier gilt es von Seiten der Politik definitiv nachzuschärfen. Denn nur, wenn die Rahmenbedingungen und Spielregeln klar sind, können Unternehmen sich wirklich auf die Implementierung in ihren Organisationen fokussieren“, so der Deloitte-Experte.

Kreative Fähigkeiten

Mangel an Vertrauen besteht auch beim Reifegrad der GenAI-Implementierungen, so eine Roland Berger-Studie. Führungskräfte erwarten zwar deutliche Verbesserungen in Effizienz und Qualität durch GenAI, doch es besteht ein großer Nachholbedarf in organisatorischer Vorbereitung und Reife. „Der richtige Zeitpunkt für den Einsatz von GenAI ist jetzt, aber viele Unternehmen sind noch nicht bereit für diesen Schritt“, sagt Gundula Pally, Managing Partner Roland Berger Österreich. „GenAI ist mehr als ein Hype. Wir befinden uns in einer Zeit der Transformation durch Technologie. Das betrifft alle Branchen. Wer nicht vorausschauend plant und rechtzeitig reagiert, läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Denn die Geschwindigkeit und das Ausmaß der Veränderungen sind beispiellos.“

Die Befragten sprechen GenAI über sämtliche Unternehmensbereiche hinweg enorme Potentiale hinsichtlich Automatisierung und Qualitätssteigerung zu. In Sachen Kundenbeziehungen, Vertrieb und Marketing liegt Automatisierung auf Platz eins: 93 Prozent der Befragten sehen hier moderate bis große Chancen für GenAI. Darauf folgen Service- und Support-Funktionen (90 Prozent) und auf einem geteilten dritten Platz mit jeweils 83 Prozent Forschung und Entwicklung, Qualitätskontrolle und Einkauf, Lieferkettenmanagement und Logistik. Hinsichtlich Qualitätssteigerung liegt ebenfalls der Bereich Kundenbeziehungen, Vertrieb und Marketing (87 Prozent) vorne. Grund dafür ist, dass diese Funktionen in der Regel kreative Fähigkeiten, ein nuanciertes Verständnis von Sprache und gute Schreibkenntnisse erfordern – Fähigkeiten, die GenAI immer stärker bietet. Auf den Plätzen zwei und drei folgen Forschung und Entwicklung und Qualitätskontrolle (84 Prozent) sowie Service- und Support-Funktionen (82 Prozent).

Erfahrungen sammeln

Trotz der hohen Potenziale, die in der Nutzung von GenAI gesehen werden, stuft fast die Hälfte der Unternehmen ihre eigene Implementierung und Nutzung als unreif ein. Nur 19 Prozent bewerten den Status des eigenen Unternehmens als reif. Besonders am Anfang stehen die Sektoren Transport, Infrastruktur und Öffentliche Hand sowie Industrie & produzierendes Gewerbe. Hier schätzen die Befragten den Einsatz von GenAI nur zu sechs Prozent, respektive vier Prozent als ausgereift ein. Weiter vorangeschritten in der digitalen Transformation sind die Branchen Finanzen und professionelle Dienstleistungen sowie Gesundheitswesen und Konsumgüter, da sie vergleisweise früh Cloud-Computing und Big Data vorangetrieben haben.

Sobald GenAI alle Funktionen im ganzen Unternehmen betrifft, rechnen 55 Prozent der Befragten mit einer hohen Auswirkung. Besonders betroffen ist dabei der Sektor Finanzen und professionelle Dienstleistungen, gefolgt von Gesundheitswesen und Konsumgüter, Transport, Infrastruktur und Öffentliche Hand, sowie Industrie & produzierendes Gewerbe.

Die Diskrepanz zwischen erkannten Möglichkeiten und der tatsächlichen Implementierung stellt eine zentrale Herausforderung für Unternehmen dar und verdeutlicht einen hohen Handlungsbedarf, so die Roland Berger-Studie.

„Es ist für Unternehmen sinnvoll, praktische Erfahrungen mit GenAI zu sammeln und gleichzeitig die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um Potenziale der Technologie voll auszuschöpfen. Entscheidend sind eine klare KI-Strategie, geeignete Governance, eine zukunftsfähige Infrastruktur sowie eine flexible, unternehmensweite Datenintegration. GenAI verändert Karrierepfade, Unternehmensbereiche und auch unser Verständnis von Führung“, sagt Gundula Pally abschließend.

Der Artikel erschien in der Ausgabe transform! 03/2024.


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