Google entzieht dem Mate 30 Installationsrechte

Huawei hat wohl das Nachinstallieren der Google-Apps beim Mate 30 selbst ermöglicht, und wird gleich sanktioniert: Google entzieht dem Spitzenmodell die «SafetyNet»-Zertifizierung. Google-Apps kommen nicht mehr aufs Smartphone. [...]

Katastrophe für den europäischen Markt: Huawei ohne Google-Dienste. (c) PCTIPP

Es ist keine Lösung in Sicht – zumindest nicht für Europa und weite Teile der Welt. Huaweis gesamte Mate-30-Serie sitzt dort in den Startlöchern, und keiner weiss wie lange noch. Warum? Weil das Spitzenmodel, als erstes Huawei-Handy, direkt von den Sanktionen der US-Regierung betroffen ist, und ab Start ohne Google-Dienste wie (Maps, Drive, Youtube etc.) oder auch Whatsapp respektive Instagram ausgeliefert wird. Aufgrund des ebenso fehlenden Play-Stores lassen sich die Apps auch nicht über diese Applikation nachinstallieren.

Keinerlei Zugeständnisse: Die US-Regierung wiederum bleibt hart und weicht keinen Zentimeter von ihrer Stossrichtung ab. Es kann sogar noch schlimmer kommen, denn neues Ungemach droht in eineinhalb Monaten: Denn am 19. November endet auch die dreimonatige Verlängerungsfrist, wie das «Deputy Assistant Secretary of State» (Teil des amerikanischen Aussenministeriums) auf eine Anfrage des Nachrichtendienstes Bloomberg bestätigte. Und die soll nicht nochmals verlängert werden. Huawei dürfte dann u.a. keine Hardware-Komponenten mehr von US-amerikanischen Firmen beziehen. Zudem denkt man, so Rob Strayer, Sprecher des entsprechenden Ministeriums, darüber nach, «gewisse Strafen für Verbündete einzuführen, die nicht beim 5G-Ausbau auf Huawei verzichten.»

Hintergrund: Das damals ausgehandelte Moratorium selbst ist wiederum hochbrisant. Denn Google selbst hatte gegen das Vorgehen der US-Regierung interveniert, und starke Sicherheitsbedenken geäussert, da ein sofortiges Stilllegen von Huawei-Geräten zur massiven Gefährdung der inneren Sicherheit führen könnte.

Huawei selbst hatte auf dem Launch-Event zum Mate 30 in München (19. September 2019) mitgeteilt, dass man den europaweiten Verkaufsstart der Mate-30-Reihe verschiebt, ihn aber noch unbedingt bis Ende 2019 durchführen will. Daran hat sich, das ist der aktuelle Status, nichts geändert. Vor allem aber muss man über diesen Event reden, und darüber, was passierte oder eben nicht.    

Der Reihe nach. Geplant war, dass man seitens Huawei im Rahmen der Neuvorstellung der Mate-30-Handys auch über den aktuellen Status quo, sprich Sanktionen, die Huawei betreffen, informiert. Das wurde zumindest so breit kommuniziert. Dazu berief man eigens rund 200 Journalisten zu einer Pressekonferenz ein, die noch am Morgen stattfand – also vor der eigentlichen Keynote, an der das Mate 30 vorgestellt wurde. Fragen waren, so wurde im Vorfeld mitgeteilt, nicht erlaubt.

Journalisten warteten gespannt auf die Rede von Walter Ji, Präsident der B2C-Sparte für Westeuropa. Doch was passierte? Anstatt die Medienschaffenden zu informieren, änderte man kurzerhand das Programm. Referiert wurde über die «erfolgreiche» Firmengeschichte von Huawei, im Anschluss wurde die Huawei-App StorySign (siehe auch hier), die Gehörlose helfen soll, lesen zu lernen, vorgestellt. Das soll keinesfalls (!!) die Wichtigkeit dieser Programme schmälern. Erwartet wurde natürlich aber etwas anderes. Im Nachhinein, so muss man es bewerten, liess Huawei eine Riesenchance fahrlässig liegen. Zurück blieben enttäuschte Journalisten, die sich, ums positiv auszudrücken, verwundert die Augen rieben.

Leider vermied es auch Huawei-Chef Richard Yu auf der nachfolgenden Keynote über die verzwickte Lage zu informieren, was zugegebenermassen nicht ganz einfach gewesen wäre.

Warum dieser Rückblick dennoch wichtig ist? Weil dies quasi der Anstoss dafür war, dass nach einer technischen Lösung gesucht wurde, die ein Nachinstallieren des Play-Stores (und damit sämtlicher Apps) ermöglicht. Tatsächlich gibt es mittlerweile einen Lösungsansatz. Doch dieser Eingriff, bei dem, kurz zusammengefasst, die Sicherheitsrichtlinien eines mobilen Gerätes (Mobile Device Management, kurz MDM) ausser Kraft gesetzt werden müssen, ist alles andere als marktreif, sicher und nicht für «jedermann» einfach umzusetzen. Heikel ist die Lösung insofern, als dass man eine Applikation eines Drittanbieters (!) installieren muss, die erst das Nachinstallieren von Googles Store-App ermöglicht.

Damit räumt man dieser App Narrenfreiheit auf seinem eigenen System ein. Schlicht ein No-Go, da man nicht weiss, was sonst so alles mitinstalliert wird. Ausserdem steht auch die Frage der weiteren Umsetzung von Sicherheits-Updates im Raum, die Google für bestehende Android-Installationen und Apps ausrollt.

Und: Was passiert, wenn eine neue Betriebssystem-Software von Google lanciert wird. Wie kommen dann solch ein System und dessen Apps damit zurecht? Auch hier könnten Probleme entstehen, die bei einer Neuinstallation dafür sorgen, dass Apps und auch Daten unbrauchbar werden. Google ist bei der Installation durchaus in der Lage, ein Mate-30-Handy zu erkennen, und folglich die Installation von Apps, ermöglicht durch eine Software eines Drittanbieters, erst gar nicht zuzulassen.

Update (2. Oktober 2019, 10:37 Uhr): Aktuell berichten verschiedene Blog-Webseiten, dass die App «LZ-Play», die das Nachinstallieren der Google-Dienste erst möglich macht, nicht mehr zum Download zur Verfügung steht.

Update (2. Oktober 2019, 16:02 Uhr): Huaweis Mate-30-Serie ist die «SafetyNet»-Zertifizierung von Google entzogen worden. Dieser Test wird bei der Installation von Apps durchgeführt. Wird er nicht bestanden, lassen sich Google-Dienste nicht mehr installieren. Auch Huaweis P30 Pro mit EMUI 10 soll durch den Test gefallen sein, laut dieser Webseite.

Update (3. Oktober 2019, 6:50 Uhr): Nach Angaben vom standard.at hat Huawei willentlich eine «Backdoor»-Schnittstelle in seiner Mate-30-Smartphone-Serie geschaffen, um überhaupt erst das Nachladen des Google-Play-Stores und entsprechenden Dienste zu ermöglichen. Das nötige, komplexe Vorgehen und die Kenntnisnahme dieser verborgenen Hintertür im System legt zudem den Verdacht sehr nahe, dass der chinesische Konzern von Anfang an Mitinitiator der App «LZPlay» war, die unter Zuhilfenahme dieser Backdoor das Nachinstallieren der Google-Apps ermöglichte. Die Webseite, auf der das Tool angeboten wurde, ist mittlerweile offline, nachdem die Nachricht im Web «die Runde machte». Von wem, ist unbekannt, wobei aller Wahrscheinlichkeit Huawei dafür in Betracht kommt. Zudem ist weder der Download der App mehr möglich, noch lassen sich Google-Apps mehr nachinstallieren. Huawei hat die Schnittstelle beim Mate 30 geschlossen. Google wiederum sieht das Vorgehen als klaren Verstoss an, und hat reagiert: Man hat der weltweiten Nummer zwei im Smartphonemarkt die «SafetyNet»-Zertifizierung für die komplette anstehende Mate-30-Reihe entzogen. Dadurch lassen sich nun selbst, sofern die Sanktionen von der US-Regierung zurückgenommen werden würden, keinerlei Google-Dienste auf der Smartphone-Serie installieren. Ein klarer Vertrauensbruch. Wie lange die Google-Sanktion Bestand hat, ist ungewiss.

China top: Bringen wir es gleich auf den Punkt: Kann damit die US-Regierung Huawei komplett zu Fall bringen? Nein! Aus Sicht von Huawei ist (West-)Europa zwar sehr wichtig, für das Überleben aber nicht matchentscheidend. Denn in China (Einwohnerzahl: ca. 1,4 Milliarden Menschen) wird das Mate 30 mittlerweile, allerdings in der 4G-Variante, nicht nur verkauft, sondern auch so gut, dass es dort bereits zu Lieferengpässen kommt. Zwar läuft auch hier Android als Betriebssystem. Ein Google-Play-Store respektive dessen Apps sind hier aber sowieso nicht installiert. Stattdessen kommen «lokale» Apps (abhängig von den einzelnen Provinzen) zum Einsatz, die natürlich nicht von dem Ausschluss betroffen sind. Ab November dieses Jahres will Huawei übrigens auch die 5G-Variante des Mate-30-Pros dort verkaufen.

Europa flop: Für Europa (Westeuropa, Einwohnerzahl: ca. 400 Millionen Menschen, Gesamteuropa: ca. 750 Millionen Menschen), Südamerika und auch Teile des asiatischen Raums sieht es hingegen nicht ganz so rosig aus. Zwar wird Huawei, mit grosser Wahrscheinlichkeit, das Mate 30 Pro Ende Oktober/Anfang November auch hier offiziell zum Verkauf anbieten. Wenn bis dahin keine Einigung im Handelsstreit gefunden wurde, dürfte das Smartphone im Markt aber kaum Chancen besitzen.

Zwar hat Huawei mit HarmonyOS (Betriebssystem-Software), seiner AppGalerie (Pendant zum Google Play Store) und verschiedenen Apps, die sich an die Google-Dienste anlehnen, ein eigenes Ökosystem im Köcher. Das alles besitzt aber (noch) nicht die Fülle und auch die nicht die Qualität einer entsprechenden Google-Infrastruktur – zumindest nicht aus Sicht des europäischen Marktes. Kurzum: Für eine Marktreife braucht es noch Zeit. Und genau darauf wird und muss Huawei, sofern sie dem Markt nicht fernbleiben, in Zukunft setzen.

Bei allen Problemen muss Huawei zudem auch aufpassen, dass der 5G-Smartphone-Zug in Europa nicht ohne sie Fahrt aufnimmt. Zwar hat man hier noch das Mate 20X (5G) erfolgreich (mit Google-Apps) lancieren können, da dies eben noch nicht von den Sanktionen betroffen war. Dennoch gibt es nicht nur einen mächtigen Leader, sondern auch ernstzunehmende Konkurrenten, die Huawei schnell in die Zange nehmen könnten. Die beiden wichtigsten Konkurrenten, wenn auch (noch) nicht richtig gefährlich für Huawei, sind OPPO und Xiaomi. Glaubt man dem «Grundrauschen», werden sie pünktlich zum Weihnachtsgeschäft neue und leistungsfähige (5G-)Modelle vorstellen, die es punkto Formfaktor (z.B. «Waterfall»-Design) sowie auch Leistungsfähigkeit der Hardware mit dem Mate-30-Pro-Familie aufnehmen können. Vor allem Xiaomi attackiert hier – nicht zuletzt wegen der Vorstellung des spannenden Xiaomi-Mi-Mix-Alpha-Smartphones und günstigen Smart-TVs Mi Smart TV 4S. Zudem hat der Hersteller auch Pläne bekannt gegeben, im Glattzentrum in Wallisellen bei Zürich den ersten Xiaomi-Shop zu eröffnen.

Ganz oben thront Samsung. Der südkoreanischer Hersteller bietet nicht nur ein hervorragendes Android-Smartphone-Portfolio, sondern hat natürlich auch stark vom Handelsstreit, der Huawei lähmt, profitiert. So hat das Unternehmen seine neuen 5G-Smartphones nicht nur erfolgreich lanciert, sondern diese vor allem auch konkurrenzlos in den Markt fluten können.

Wie es nun aber mit Huawei ausserhalb von China weitergeht? Vielleicht weiss dies selbst Huawei nicht einmal ganz genau.



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