Über 200 Beschäftigte bei Google und der Google-Mutter Alphabet haben ihren Willen zur Gründung einer Gewerkschaft bekundet. Es wäre ein Novum in der Geschichte des Silicon Valley - bislang sind die großen amerikanischen Tech-Konzerne gewerkschaftsfrei. [...]
Kündigungsschutz, geregelte Arbeitszeiten, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – all diese Segnungen des Arbeitrechts, auf die deutsche Arbeitnehmer selbstverständlich Anspruch haben, wurden von Gewerkschaften erkämpft. In den USA sind solche Rechte keineswegs selbstverständlich, schon gar nicht in der Internet- und Start-up-Szene. „Gewerkschaft“ ist für die meisten Mitarbeiter der großen Tech-Konzerne ein Fremdwort.
Umso erstaunlicher ist die Bewegung, die sich nach einem Bericht des Tech-Blogs „Techcrunch“ gerade bei Google und der Konzernmutter Alphabet Gehör verschafft. Über 200 Mitarbeiter des Konzerns wollen eine Gewerkschaft aller Tech-Arbeiter bei Google und den anderen Alphabet-Töchtern gründen. Bislang, so berichtet Techcrunch, hätten sich 227 Mitarbeiter registriert und sich bereit erklärt, ein Prozent ihres Jahresgehaltes als Gewerkschaftsbeitrag zu entrichten.
„Historischer Schritt“
„Das ist historisch – die erste Gewerkschaft in einem großen Tech-Unternehmen von und für alle Tech-Arbeiter“, zitiert Techcrunch den Software-Ingenieur Dylan Baker. „Wir werden Vertreter wählen, wir werden Entscheidungen demokratisch treffen, wir werden Beiträge zahlen und wir werden qualifizierte Organisatoren einstellen, um sicherzustellen, dass alle Arbeiter bei Google wissen, dass sie mit uns zusammenarbeiten können, wenn sie tatsächlich wollen, dass ihr Unternehmen ihre Werte widerspiegelt.“
Das von Leistung und Start-up-Mentalität geprägte Silicon Valley ist nicht gerade der beste Nährboden für gewerkschaftliche Betätigung, das hat auch die US-Gewerkschaftsbewegung erkannt und eigens die Communication Workers of America Union’s Campaign to Organize Digital Employees (CODE-CWA) ins Leben gerufen. Für sie sind die zahllosen Menschen, die bei Google, Apple, Facebook und Amazon an digitalen Produkten arbeiten, die Arbeiterklasse der Neuzeit – die dringend mehr Gehör braucht.
Beschwerden und Störversuche
Zudem steht es um die Arbeitsbedingungen von Google im Silicon Valley offenbar nicht zum Besten. Zwar wirbt der Konzern mit hippen Büros, kostenloser Verpflegung und Möglichkeiten, neben der Arbeit seinen eigenen Projekten nachzugehen. Auf der anderen Seite sind beim National Labor Relations Board, einer Bundesbehörde für Arbeitsschutz, zahlreiche Beschwerden gegen Google anhängig. Das Unternehmen soll Versuche der Arbeitnehmer, sich zu versammeln und zu organisieren, gezielt sabotiert haben. Zudem kommen die Segnungen, die der Konzern seinen Angestellten zukommen lässt, freien Mitarbeitern oft nicht zugute, dabei ist jeder zweite Alphabet-Mitarbeiter im Silicon Valley nicht fest angestellt.
Bis zu einer gewerkschaftlichen Vertretung für alle Google- und Alphabet-Mitarbeiter ist es dennoch ein weiter Weg. Denn erst einmal müssen die Initiatoren mehr Unterstützer gewinnen. 227 Unterschriften sind zu wenig bei über 132.000 Alphabet-Mitarbeitern. Danach muss Alphabet überzeugt werden, die Gewerkschaft als Vertretung der Belegschaft zu akzeptieren – und das kann dauern.
2019 formierte sich beim Crowdfunding-Unternehmen Kickstarter eine kritische Masse, die eine Arbeitnehmervertretung forderte. Obwohl die Gewerkschaft in Gründung die Mehrheit der Beschäftigten auf ihrer Seite hatte, verweigerte das Management ihr die Anerkennung und erzwang eine offizielle, durch das National Labor Relations Board durchgeführte Abstimmung. Die konnte die neue Kickstarter-Gewerkschaft zwar für sich entscheiden, doch die Wahlvorbereitungen hatten insgesamt zehn Monate gedauert.
Be the first to comment