Die Kombination aus Public-Cloud-Diensten und On-Premise-IT wird für viele CIOs zur bevorzugten Architektur. Doch die Hürden im Betrieb sind oft hoch. [...]
Viele Unternehmen bewegen sich in eine hybride Welt – das gilt für Arbeitsplatzmodelle ebenso wie für die Cloud-Umgebung. In letzterem Fall bietet eine Mischung aus privaten und öffentlichen Cloud-Services die Flexibilität, die Unternehmen in einem sich ständig verändernden Geschäftsumfeld suchen.
Ein Bericht des Marktforschungsunternehmens Gartner vom August 2021 konstatiert, dass hybride, Multi-Cloud- und Edge-Umgebungen „wachsen und die Voraussetzungen für neue verteilte Cloud-Modelle schaffen“. Gartner geht davon aus, dass die Ausgaben von Endbenutzern für Public-Cloud-Services im Jahr 2021 etwa 396 Milliarden US-Dollar erreichten und 2022 um 22 Prozent auf 482 Milliarden US-Dollar steigen. Bis 2026, so die Prognose, werden Public-Cloud-Dienste mehr als 45 Prozent aller IT-Ausgaben von Unternehmen ausmachen, 2021 lag der Anteil unter 17 Prozent.
Mittlerweile steigt auch die Akzeptanz von Private Clouds. Das Marktforschungsunternehmen Global Industry Analysts erwartet, dass der weltweite Markt für private Cloud-Services von 4,9 Milliarden Dollar in 2020 auf 13,2 Milliarden Dollar im Jahr 2026 wachsen wird. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate in diesem Zeitraum liege bei 18 Prozent.
Während sich einige Unternehmen dafür entscheiden, nur private oder nur öffentliche Clouds zu nutzen, scheint eine Mischung für viele besonders attraktiv zu sein. „Die hybride Cloud ist zunehmend eine der vorherrschenden Architekturen, die wir heute in Unternehmen sehen“, sagt Nicholas Merizzi, Principal beim Beratungsunternehmen Deloitte Consulting. „Sie bietet Unternehmen die Flexibilität, ihren eigenen Transformationspfad in die Cloud zu finden, der ihren Prioritäten entspricht.“
Offenkundig ist, dass Unternehmen die potenziellen Vorteile eines Hybrid-Cloud-Ansatzes erkennen. Aber sie sollten auch auf einige Hürden vorbereitet sein und lernen, damit umzugehen:
Hürde 1: Komplexität des Betriebs
Die Hybrid Cloud erfordert im Wesentlichen die Pflege und Verwaltung zweier eng integrierter, aber getrennter Ökosysteme, was zu einer komplexen Betriebsumgebung führen kann, so Merizzi. „Der Betrieb paralleler Umgebungen mit mehreren unterschiedlichen Technologieplattformen führt zu einer betrieblichen Komplexität in Bereichen wie Überwachung, Sicherheit und Produktionsunterstützung“, sagt der Berater. Es werde immer schwieriger, sicherzustellen, dass die Betriebsprozesse und -tools sowohl in der Public Cloud als auch in der privaten Cloud vor Ort anwendbar sind.
„So kann beispielsweise eine andere Tool-Suite für die Cloud-Sicherheit zum Einsatz kommen als die für lokale Systeme“, so Merizzi. Auch die zugrundeliegende Infrastruktur, von der Speicherung bis zur Rechenkapazität, weist beim Wechsel von einer Umgebung zur anderen viele Unterschiede auf. Darüber hinaus, so Merizzi, berge die Umschulung der Mitarbeiter für die Arbeit mit den verschiedenen Tools und Umgebungen Risiken und Effizienzprobleme.
Um die Komplexitätshürde zu minimieren, sollten Unternehmen darauf achten, dass die Technologien für private und öffentliche Cloud-Plattformen einheitlich sind, rät Merizzi. Dazu gehören Tools, die von lokalen Umgebungen auf die öffentliche Cloud übertragen werden können, ohne dass die Betriebsabläufe beeinträchtigt werden.
Die Kunden von Deloitte „suchen nach Softwarelösungen, die Beobachtbarkeit und End-to-End-Anwendungsverfolgung ermöglichen und in einer hybriden Cloud-Umgebung funktionieren“, sagt Merizzi. „Unternehmen müssen durch eine starke Instrumentierung eine größere betriebliche Sichtbarkeit und Messung der internen Zustände ihrer Systeme erreichen.“
Hürde 2: Steigende Kosten
Die Verwaltung von privaten und öffentlichen Cloud-Umgebungen vor Ort kann zu deutlich höheren Kosten führen, wenn eine Organisation die Ressourcen nicht diszipliniert verwaltet. „Viele Unternehmen erstellen zwei separate Bereiche, wenn sie in einer hybriden Umgebung leben“, sagt Merizzi, einschließlich der Finanzdaten für die Private Cloud vor Ort und die Public Cloud außerhalb des Unternehmens. „In einigen Fällen verwenden die Teams sogar unterschiedliche Tools zur Bewertung ihrer Finanzdaten“, sagt er. „Dies führt dazu, dass CIOs Schwierigkeiten haben, eine integrierte Sicht ihrer Finanzen zu erhalten.
Dieses Risiko wird durch die fehlende Möglichkeit verstärkt, Anlagen vor Ort abzuschalten oder stillzulegen, nachdem Systeme in der öffentlichen Cloud modernisiert und in Betrieb genommen wurden, so Merizzi. „Wir sehen, dass solche Kostensteigerungen an verschiedenen Stellen auftauchen, einschließlich Netzwerkverbindungen und Softwarelizenzen.“
Um dieses Problem zu minimieren, empfiehlt Deloitte die Einrichtung eines unternehmensweit zuständigen Cloud-Modernisierungsbüros, das sich auf mehrere Bereiche konzentriert, darunter die Integration von Finanzinformationen und die Stilllegung von Anlagen. Die Integration der Finanzbücher für mehrere Umgebungen liefere eine unternehmensweite Sicht, sagt Merizzi. Ein dedizierter Stilllegungsprozesses könne dazu beitragen, ungenutzte Anlagen freizugeben und so die Gesamtausgaben zu senken.
Tools zur Ressourcenverwaltung helfen zudem, die Kosten unter Kontrolle zu halten. „Ohne eine einheitliche, zentralisierte Multi-Cloud-Verwaltungsplattform fühlten sich unsere Teams bei ihren Kostenanalysen und den damit verbundenen Entscheidungen nicht sicher“, berichtet Arthur Hu, Senior Vice President und CIO beim IT-Anbieter Lenovo.
„Um hier Abhilfe zu schaffen, haben wir den Anwendern Kostenplanungs-Tools zur Verfügung gestellt, die einen klaren Einblick in die Ressourcennutzung, Abrechnung und Ausgabenprognosen bieten“, sagt Hu. „Wir ergänzten diese Tools mit intelligenten Vorschlägen zur Ressourcenoptimierung und -dimensionierung, um eine optimale Kosteneffizienz zu erreichen.“
Hürde 3: Eine kohärenten Strategie
Das Cloud-Modell ist verlockend. Viele Unternehmen könnten versucht sein, öffentliche und private Clouds zu nutzen-, ohne sich wirklich Gedanken darüber zu machen, was sie erreichen wollen. Dies kann zu Verwirrung, Frustration und Kostenüberschreitungen führen.
„Eine gute Cloud-Strategie, die den Business-Nutzen einer teuren, komplizierten Hybrid-Cloud-Lösung klar umreißt, ist auf jeden Fall ein Anfang“, sagt Jeremy Roberts, Analyst und Forschungsleiter für Cloud- und Kerninfrastruktur beim Beratungsunternehmen Info-Tech Research Group: „Überprüfen Sie Ihren erwarteten Gewinn. Warum wollen Sie eine hybride Lösung? Sehen Sie sich Ihre Umgebung an. Welche Arbeitslasten werden voraussichtlich von der hybriden Architektur profitieren? Und wie? Tun Sie es nicht nur um der Sache willen.“
Ein Unternehmen, mit dem Roberts zu tun hatte, erwog ernsthaft eine hybride Cloud-Strategie. „Als wir mehr über ihre Ziele und Beweggründe sprachen, kamen wir zu dem Schluss, dass sie nicht sonderlich an der Verwaltung einer privaten Cloud interessiert waren und sich stattdessen auf eine SaaS-first beziehungsweise Multicloud-Bereitstellung konzentrieren wollten, bei der mehrere öffentliche Clouds genutzt werden“, erzählt er. Der Grund: Der Aufwand für die Verwaltung öffentlicher und privater Clouds und die angestrebte Interoperabilität lohnte sich nicht.
Roberts ergänzt: „Anders sieht es bei Unternehmen aus, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften gezwungen sind, einige Daten und Arbeitslasten vor Ort zu halten, oder die eine Leistung benötigen, die sie nur von lokalen Diensten erhalten können. Wenn sie trotzdem die Vorteile von öffentlichen und privaten Clouds wollen, kann eine hybride Umgebung sinnvoll sein.“
Hürde 4: Ein verändertes Mindset
Wie bei den meisten größeren technischen Umstellungen gehört auch beim Wechsel auf eine hybride Cloud-Umgebung ein verändertes Mindset zu den Kernherausforderungen. „Wir mussten sicherstellen, dass unsere Abteilungen den Wert der Umstellung auf eine Hybrid-Cloud-Umgebung erkannten“, sagt Hu. Sogar die IT-Abteilung musste von der Idee überzeugt werden, sagt er. „Wir mussten bei uns selbst anfangen; die IT-Organisation war anfangs nicht ganz davon überzeugt, dass dies der richtige Weg ist“, berichtet er. „Das hat sich schnell geändert.“
Lenovo begann mit der Erprobung einiger „Leuchtturm“-Anwendungen über eine hybride Infrastruktur und war sofort in der Lage, einen klaren Nutzen zu demonstrieren, so Hu: „Dank der agilen Praktiken, die durch die Cloud-Plattform und -Tools ermöglicht wurden, verbesserte sich die technische Produktivität um 65 Prozent. Sobald wir den Wert erkannt hatten, konnten wir auch den Rest des Unternehmens überzeugen.“
Hürde 5: Fehlende Standards und etablierte Praktiken
Obwohl Cloud-Dienste seit Jahren genutzt werden, ist der Wechsel zu einer hybriden Cloud-Infrastruktur für viele Unternehmen noch Neuland. „Da dies für Lenovo etwas Neues war, wussten wir, dass wir klare Standards für die Umstellung auf die Cloud festlegen und Best Practices bereitstellen mussten“, erinnert sich Hu.
Aus diesem Grund hat das Unternehmen eine ausführliche Anleitung zur Auswahl der richtigen Cloud-Hosting-Umgebung veröffentlicht, sei es für eine Private Cloud, eine Public Cloud oder eine hybride Umgebung. „Wir nutzen diese Vorgaben immer, wenn wir Anwendungen daraufhin überprüfen, ob sie noch zu unserer Enterprise Architecture passen“, sagt Hu.
Lenovo hat außerdem einen „5-R-Migrationsansatz“ entwickelt, der den Anwendungs-Ownern hilft, den besten Weg zu bestimmen. Dazu gehören die Modelle Rehosting (direkte Umstellung auf die Cloud), Refactoring (Änderung der Architektur zur Anpassung an die Cloud), Revise (Änderung oder Erweiterung des vorhandenen Codes über die architektonische Änderung hinaus), Rebuild (Verwerfen der vorhandenen Technologie und Neuentwicklung) oder Replace (Ablösung der vorhandenen Anwendung und Einführung einer alternativen Lösung).
Hürde 6: Unübersichtliche Märkte
„Die Auswahl und das Management von Anbietern ist eines der schwierigsten Themen für Unternehmen, die heute in die Hybrid Cloud wechseln“, sagt Chris Kanaracus, Research Director für Cloud-Infrastrukturen beim Marktforschungsunternehmen IDC. „Das liegt daran, dass es eine große Auswahl gibt. Zwar ist das eine gute Sache, aber Entscheidungen werden damit auch schwieriger.“ So gebe es auf der einen Seite die etablierten Hyperscaler wie AWS, Microsoft und Google mit ihrem sehr breiten Portfolio. Andererseits gingen auch Herausforderer wie Oracle aggressiv in den Markt und wollten mit attraktiven Angeboten ihren Anteil zu erhöhen.
„Hinzu kommen Anbieter wie Cisco, VMware, HPE und IBM, die sich in Richtung Hybrid Cloud bewegt haben“, sagt Kanaracus. „Sie sehen eine Chance, die On-Premises- und Edge-Komponenten der Hybrid Cloud in Zusammenarbeit mit den Hyperscalern anzubieten. Aber auch die Hyperscaler selbst wollen dieses Geschäft, wie etwa AWS Outposts, Azure Stack und Google Anthos zeigen.“
Darüber hinaus mischen auch Telekommunikationsunternehmen und Colocation-Anbieter immer stärker mit, beobachtet der Analyst: „Aus der Sicht eines CIOs gibt es einfach sehr viel zu beachten und zu verwalten. Die Kostenkontrolle und -verwaltung ist bei hybriden Lösungen schon jetzt ein entscheidender Faktor und wird in Zukunft noch wichtiger.“ Die wachsende Zahl großer und kleiner Anbieter, die in den Markt drängen, mache diese Aufgabe nicht einfacher.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation www.cio.com
*Bob Violino arbeitet als freier IT-Journalist für InfoWorld und Network World in den USA.
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