Hybrid-Cloud-Infrastruktur: Im eigenen Tempo in die Cloud

In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Trend dahin entwickelt, dass Unternehmen ihre Anwendungen und Daten in die Cloud verlagern, um sie dort effizient zu verwalten. Dies hat jedoch bei vielen Unternehmen zu mehr Komplexität in ihren IT-Umgebungen geführt – und zu unerwarteten Kosten. [...]

Prashant Ketkar ist CTO bei Parallels. (c) Parallels

Die meisten Cloud-Nutzer arbeiten heute in einer hybriden Umgebung. Manche Unternehmen ziehen sich sogar wieder aus der Cloud zurück, um ihre Bedürfnisse optimal zu decken, denn die individuellen Anforderungen an Public-Cloud-Services sind sehr unterschiedlich. Manche bevorzugen die Agilität der Public Cloud, andere können aus Datenschutzgründen ihre Daten nicht an Drittanbieter auslagern und müssen On-Premises- oder Hybrid-Strukturen nutzen.

Gründe für die hybride Cloud-Bereitstellung

Die Optionen für die Cloud-Umgebung sind vielfältig und reichen von On-Premises-, Single-Cloud- und Multi-Cloud-Konfigurationen bis hin zu verschiedenen Kombinationen aller Varianten. Für die Wahl des eingesetzten Infrastruktur-Typen gibt es verschiedene Beweggründe: Flexibilität (49 Prozent), Sicherheit (46 Prozent) und Kosteneinsparungen (45 Prozent) sind laut einer Parallels-Umfrage die Hauptgründe für die Entscheidung für eine hybride Cloud-Infrastruktur gegenüber einer vollständigen Public- oder Private-Cloud-Lösung. Auch Zuverlässigkeit (44 Prozent) und eine bessere Skalierbarkeit (40 Prozent) sind wichtige Faktoren, sich für einen hybriden Ansatz zu entscheiden. Im Jahr 2023 verfolgten bereits 64 Prozent der Befragten aktiv einen Hybrid-Cloud-Ansatz. Weitere 38 Prozent wollen ihren hybriden Cloud-Ansatz weiter ausbauen.

Umstellung auf Cloud im eigenen Tempo

Viele Unternehmen, die dem Ruf nach einem Cloud-first-Ansatz gefolgt sind, sahen sich mit unerwarteten Herausforderungen konfrontiert. Der Übergang vollzog sich in einem Tempo, das die gewohnte Veränderungsgeschwindigkeit oft übertraf und zu erheblichen Schwierigkeiten in der IT-Verwaltung und bei den Kosten führte. Die Umstellung auf ein Public-Cloud-Konzept sollte daher besser Schritt für Schritt im Einklang mit den eigenen Kompetenzen erfolgen. Ein zu hohes Tempo bei der Einführung der neuen IT-Umgebung kann erhebliche Auswirkungen auf die Leistung eines Unternehmens haben. Dabei sind einige wichtige Faktoren zu berücksichtigen:

  • Infrastrukturkosten: Die Nutzung der Public Cloud wird oft als der finanziell klügste Ansatz für die Einrichtung einer IT-Infrastruktur angesehen. Sie erfordert keine erheblichen Vorabinvestitionen in Hardware wie Server oder zusätzliche Räumlichkeiten. Stattdessen sind nur Client- und Endgeräte für den Zugriff auf Anwendungen und Daten aus der Cloud erforderlich. Im Laufe der Zeit – ab einem Lebenszyklus von fünf bis zehn Jahren – können jedoch die Kosten für die Konfiguration, Bereitstellung und Verwaltung von Public-Cloud-Umgebungen die vorhersehbaren Kosten für den Besitz und die Verwaltung von Servern übersteigen. Diese Kosten hängen von der Nutzung ab und jede Bedarfsspitze führt zu zusätzlichen Ausgaben. Außerdem tragen Preiserhöhungen beim Dienstleister zu ungeplanten, höheren Kosten bei. Ohne sorgfältige Verwaltung, Automatisierung und Analyse kann es passieren, dass Unternehmen so für Ressourcen zahlen, die nicht ausreichend genutzt werden.
  • Mangel an Cloud-Fachwissen: Vielen Unternehmen fehlt es bereits jetzt an qualifizierten IT-Fachkräften. Die Verlagerung von Anwendungen und Daten auf andere Cloud-Plattformen bedeutet im Grunde einen kompletten Neustart, bei dem neue Prozesse, Software und Systeme eingeführt werden und der ein erhöhtes Maß an Knowhow erfordert. Doch mehr als drei von vier Befragten bestätigen, dass der Mangel an Cloud-Fachwissen für sie ein erhebliches Wachstumshemmnis darstellt. Dieses Wissen kann nur durch eine umfassende Schulung der vorhandenen Mitarbeiter oder durch Neueinstellungen aufgebaut werden. In Fällen, in denen Unternehmen ihre Migration in die Cloud überstürzen, hat das bestehende Team möglicherweise nicht genügend Zeit, um eine Schulung zu absolvieren und einen umfassenden Migrationsplan zu erstellen. Neueinstellungen mit dem Ziel, den Migrationsprozess zu beschleunigen, sind hingegen oft teurer als die Fortbildung interner Experten. Unternehmen müssen sorgfältig prüfen, ob sie für die Cloud-Migration bereit sind. Zusätzlich gilt es, für eine angemessene Vorbereitung und Ressourcenzuweisung zu sorgen, um die Auswirkungen des Fachkräftemangels auf die Migration in die Public Cloud abzumildern.
  • Begrenzte Kontrolle über die Infrastruktur: Bei der Nutzung einer Public Cloud geben Unternehmen die Verantwortung für die Konfiguration und Wartung der virtualisierten IT-Umgebung ab. Dies kann zu einem Kontrollverlust führen. Public-Cloud-Dienste bieten häufig standardisierte Konfigurationen an, die nicht vollständig auf die spezifischen Unternehmensanforderungen zugeschnitten sind. Das kann zu einem geringeren Einblick in die zugrunde liegende Infrastruktur führen und es erschweren, Probleme zu beheben, die Leistung zu optimieren und die Einhaltung interner Richtlinien oder gesetzlicher Vorschriften zu gewährleisten. Trotz der hohen Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Public Cloud sind Serviceunterbrechungen infolge von Ausfällen oder Wartungsarbeiten möglich, über die der Kunde keine Kontrolle hat. Solche Unterbrechungen können sich negativ auf den IT- und Geschäftsbetrieb auswirken.
  • Bindung an einen bestimmten Anbieter: Über die technischen und finanziellen Belange hinaus birgt die Public Cloud die Möglichkeit einer zu engen Anbieterbindung, wenn die Anwendungen und Daten an bestimmte Cloud-Anbieterdienste oder -technologien geknüpft sind. Unternehmen verlassen sich auf den Anbieter zum Beispiel bei der Bereitstellung von Hardware, der Netzwerkkonfiguration und Software-Updates und geraten in Abhängigkeit. Diese Verstrickung kann einen späteren Anbieterwechsel erschweren und verteuern sowie die Kontrolle über IT-Umgebungen noch weiter einschränken.

Zurück zu On-Premises und Hybrid Cloud

Selbst Unternehmen, die anfangs den Wechsel in die Wholesale-Cloud gefördert haben, haben inzwischen erkannt, dass dies für viele Kunden nicht der beste Weg war oder dass diese Kunden mehr Flexibilität auf ihrer eigenen Cloud-Reise wünschen. Für viele Kunden könnte sich die Beibehaltung der aktuellen On-Premises-Infrastruktur bei gleichzeitiger Umstellung auf ein Hybridmodell als zielführendes Szenario erweisen. Diese Strategie bietet die Flexibilität, Change-Management-Strategien sorgfältig zu planen und so auszuführen, dass es den Anforderungen des Unternehmens entspricht. Der Ansatz ermöglicht gründliche Tests und die schrittweise Migration bestimmter Workloads oder Abteilungen in die Cloud, während die Stabilität und Kontinuität der lokalen Infrastruktur erhalten bleibt. Mit dieser Methode sind Unternehmen in der Lage, die Vorteile der Cloud-Technologie zu nutzen und gleichzeitig Risiken zu minimieren sowie einen reibungslosen Übergang für Benutzer und IT-Betrieb sicherzustellen.

Die Cloud bietet damit wichtige Vorteile, von denen viele Unternehmen schnell profitieren können. Dennoch ist eine lokale Infrastruktur nach wie vor unverzichtbar, um Anwendern Sicherheit und eine bessere Kostenplanung zu ermöglichen. Durch einen hybriden Ansatz lassen sich die Stärken beider Umgebungen nutzen. Entgegen der weitverbreiteten Meinung führt eine hybride Bereitstellung nicht zu einem Kostenanstieg, sondern ermöglicht es Unternehmen, ihren Weg in die Cloud in ihrem eigenen Tempo und nach ihren eigenen Anforderungen zu gestalten.

* Prashant Ketkar ist CTO bei Parallels.


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