IT-Fachkräftemangel: Bedarf an umfassender IT-Bildungsreform

Der IKT Statusreport #6 vom Fachverband UBIT zeigt akuten Handlungsbedarf in der IT-Ausbildung und macht deutlich: Die Dropout-Quoten sind weiterhin hoch. [...]

Alfred Harl, Obmann UBIT der Wirtschaftskammer Österreich (c) UBIT/Strasnik
Alfred Harl, Obmann UBIT der Wirtschaftskammer Österreich (c) UBIT/Strasnik

Der IT-Fachkräftemangel hat die österreichische Wirtschaft weiterhin fest im Griff. Mehr als 24.000 IT-Fachkräfte fehlen in Österreich – in den nächsten fünf Jahren könnten es bis zu 30.000 sein, so die Schätzungen von UBIT. Dadurch entsteht ein Wertschöpfungsverlust von 3,8 Milliarden Euro pro Jahr. „Der IT-Fachkräftemangel hat seine Wurzeln auch in der IT-Ausbildung. Diese lässt sich zurzeit nicht mit dem Bedarf an IT-Expertinnen und -Experten vereinbaren“, sagt Alfred Harl, Obmann des Fachverbands für Unternehmensberatung, Buchhaltung und Informationstechnologie (UBIT) der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Harl weiter: „Europaweit werden in den nächsten acht Jahren sogar gut elf Millionen zusätzliche IT-Fachkräfte fehlen – das besagen offizielle Zahlen der EU-Kommission. Dies entspricht fast der Einwohnerzahl von Schweden“. Die Thematik der Stellenbesetzung im IT-Bereich hat sich in den letzten Jahren enorm verschärft. Wie der IKT Statusreport des Kärntner Instituts für Höhere Studien (KIHS) belegt, liegt in der IT-Bildung im Hochschulsektor ein wesentlicher Grund dafür.

IT-Dropout-Quoten in österreichischen Hochschulen weiter hoch

Die Dropout-Quoten – die Anzahl der Studierenden, die ihr Studium vorzeitig abbrechen – sind im IT-/IKT-Sektor weiterhin hoch: In den Bachelor-Studiengängen der österreichischen Universitäten liegt diese für das Studienjahr 2019/2020 bei rund 43 Prozent. Bei den Fachhochschulen lag sie im Studienjahr 2017/2018 ebenfalls bei gut 43 Prozent. In den Informatik-Masterstudien auf Universitäten liegt die Dropout-Quote mit 51,4 Prozent im Studienjahr 2019/20 sogar noch deutlich über der Dropout-Quote der Bachelorstudien.

Tipp: am 05.04. um 10:00 Uhr findet hier auf Computerwelt ein Live Experten-Roundtable zum Thema „IT-Fachkräftemangel und IT Recruiting“ statt.

Bei den Fachhochschulen liegt die Dropout-Quote bei Master-Studiengängen bei 31,2Prozent im Wintersemester 2018/2019. Bei Bachelorstudiengängen an österreichischen Universitäten kann im Studienjahr 2020/2021 im Vergleich zum vorangegangenen Studienjahr ein leichter Rückgang beobachtet werden, aber „die Dropout-Quoten liegen insgesamt um mehr als 20Prozent über dem österreichischen Durchschnitt“, sagt Harl. Bei den Fachhochschulen ist hingegen ein starker Anstieg zu beobachten: „Lagen die Dropout-Quoten aller IKT-Studiengänge in der Vergangenheit deutlich unter jenen der Universitäten, sind sie in den letzten zehn Jahren um knapp 10 Prozent gestiegen“, so Norbert Wohlgemuth (KIHS), Verfasser des IKT Statusreport 2021.

Ein Teil dieser hohen Quoten ist teilweise auf die sogenannten „Job-outs“ zurückzuführen, denn vor allem Masterstudent:innen und weit fortgeschrittene Bachelorstudent:innen beenden ihr Studium frühzeitig, um einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Dropouts aus den frühen Bachelorsemestern gehen der IKT-Branche jedoch zum größten Teil ganz verloren. „Es sind gerade die Drop- und Job-Outs in Bachelorstudien, die der IT-Branche besonders schmerzen. Masterstudierende bleiben dem IT-Sektor als Fachkräfte oft erhalten, bei Bachelor-Abbrechern ist das oft nicht der Fall“, erläutert Martin Zandonella, Obmannstellvertreter des Fachverbands UBIT.

Flächendeckende IT-Bildung als Mittel gegen Fachkräftemangel

„Der österreichische Wirtschaftsstandort braucht IT-Fachkräfte, und die momentane IT-Bildung ist leider ein treibender Faktor beim aktuellen akuten Fachkräftemangel“, sagt Zandonella. „Die hohen Drop-Out-Quoten bei IKT-Studien sind eine Gefahr. Zwar ist im letzten Jahr ein leichter Rückgang bei den Dropout-Quoten zu sehen; aber: Sich jetzt zu entspannen wäre ein Fehler“, bekräftigt er. Stattdessen muss die IT-Bildung, wie seit Jahren vom Fachverband UBIT gefordert, einen drastischen Neuaufbau erfahren. So muss die Informatikbildung in Österreichischen Volks- und Mittelschulen sowie AHS ein fixer Kern des Lehrplans werden. Zwar sind einige der Maßnahmen der Regierung, wie die „Digitale Grundbildung“ begrüßenswert und ein kleiner, aber wichtiger Schritt in die richtige Richtung. „Von einer effektiven IT-Bildung kann hier noch nicht die Rede sein“, so Zandonella. Große Teile der „Digitalen Grundbildung“ wären gar nicht in den IT-Sektor einzuordnen. „Österreich braucht dringend eine ambitionierte IKT- und Bildungspolitik, die auf Ausbildung von IT-Fachkräften abzielt. Nur so können die Herausforderungen der digitalen Transformation nachhaltig bewältigt werden. Ausbildung ist hier der Schlüssel in die Zukunft“, kommentiert Harl.

Der Fachverband ruft die Bundesregierung – insbesondere das Wirtschafts- und Bildungsministerium – dazu auf, weiter fokussiert an der Ausbildung der IKT-Fachkräfte zu arbeiten. Die Eröffnung einer neuen Technischen Universität in Linz ist ein guter Schritt vorwärts. Einen Fokus auf virtuelle Studien im IT-Bereich bzw. Universitäten zu legen, könnte ebenfalls ein sinnvoller Ansatz in der Bekämpfung des IT-Fachkräftemangels sein. Besonders berufstätige (Master-)Studierende könnten hier angesprochen werden. Harl schließt ab: „Das Bild des IT-Berufs muss transparent aufgeschlüsselt und schon in einem frühen Alter attraktiv und entsprechend beworben werden. Nur so kann der IT-Fachkräftemangel aktiv und nachhaltig bekämpft werden.“


Mehr Artikel

News

Bad Bots werden immer menschenähnlicher

Bei Bad Bots handelt es sich um automatisierte Softwareprogramme, die für die Durchführung von Online-Aktivitäten im großen Maßstab entwickelt werden. Bad Bots sind für entsprechend schädliche Online-Aktivitäten konzipiert und können gegen viele verschiedene Ziele eingesetzt werden, darunter Websites, Server, APIs und andere Endpunkte. […]

Frauen berichten vielfach, dass ihre Schmerzen manchmal jahrelang nicht ernst genommen oder belächelt wurden. Künftig sollen Schmerzen gendersensibel in 3D visualisiert werden (c) mit KI generiert/DALL-E
News

Schmerzforschung und Gendermedizin

Im Projekt „Embodied Perceptions“ unter Leitung des AIT Center for Technology Experience wird das Thema Schmerzen ganzheitlich und gendersensibel betrachtet: Das Projektteam forscht zu Möglichkeiten, subjektives Schmerzempfinden über 3D-Avatare zu visualisieren. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*