IT-Profis verlangen nach Corporate Volunteering

Viele IT-Fachleute möchten sich ehrenamtlich engagieren – werden aber von ihren Arbeitgebern nicht unterstützt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die CIO, IDC und WHU unter IT-Spezialisten in Deutschland durchgeführt haben. [...]

Corporate Volunteering ist ein wichtiges Element beim Aufbau einer sozialen und ökologischen Unternehmensführung, die zunehmend über den Erfolg bei Kunden und Geschäftspartnern entscheiden wird (c) pixabay.com

Aus Glücksforschung und Psychologie ist bekannt, dass ehrenamtliches Engagement das subjektive Wohlbefinden steigert. Einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, stärkt Sinnhaftigkeit und Selbstvertrauen. Das hat die COVID-19-Pandemie einmal mehr gezeigt. Freiwilligenarbeit hilft bei der Überwindung sozialer Isolation, die bei vielen Menschen zu starken seelischen und körperlichen Beeinträchtigungen führt. Sie fördert das Vertrauen der Einzelnen in die Gesellschaft, steigert das Gemeinschaftsgefühl und ist damit auch von grundlegender Bedeutung für die Wahrung von Wohlstand und Demokratie.

Bestätigt werden diese Erkenntnisse durch die aktuellen Ergebnisse einer Pro-Bono-Studie, die CIO, IDC und WHU unter 393 IT-Professionals in der DACH-Region ins Feld geführt haben. So gaben 89 Prozent der befragten IT-Fachleute an, aus Gründen der individuellen Sinnstiftung ehrenamtlich tätig zu sein. Auf Platz 2 rangiert der Erwerb oder Ausbau von Wissen und Kompetenzen.

Wenig Zeit, kein passendes Angebot

Eine ebenso überwältigende Mehrheit – nämlich 86 Prozent – der Befragten würde sich wünschen, von ihrem Arbeitgeber bei der Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeiten aktiv unterstützt zu werden. Denn nach Feierabend fehlt es den IT-Spezialisten an Zeit und dem passenden Angebot. Viele stehen unter ständigem Projektdruck und können Berufs- und Privatleben nur schwer miteinander vereinbaren. Daher würden sie es begrüßen, sich im Rahmen ihrer Arbeit freiwillig engagieren zu können.

Das ist in der Regel jedoch leider nicht der Fall. Nicht einmal 20 Prozent der europäischen Arbeitgeber halten Corporate-Volunteering-Initiativen für wichtig, um positive Mitarbeitererfahrungen zu ermöglichen. „Zu den überraschenden Ergebnissen der Studie gehört die Erkenntnis, dass ein signifikantes Delta besteht zwischen dem Bedürfnis von IT-Experten nach freiwilligem sozialem Engagement und den Rahmenbedingungen, die Arbeitgeber dafür schaffen“, betont Stefan Huegel, Chief Operating Officer des Studienpartners IDG (zu der auch www.cio.de gehört). „Dieses Ergebnis wiegt insbesondere im Lichte der Digitalen Transformation schwer und muss ein Weckruf für CIOs und ihre Unternehmen sein.“

Dramatischer IT-Fachkräftemangel

So hat die rasche Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft zu einem dramatischen IT-Fachkräftemangel und Wettbewerb um die besten Talente geführt. Die IT-Qualifikationslücke ist mittlerweile so erheblich, dass Projekte zur digitalen Transformation um durchschnittlich 8,1 Monate verzögert werden.

Die weitaus meisten IT-Profis engagieren sich aus Gründen der Sinnstiftung für gemeinnützige Initiativen (c) IDC/IDG/WHU

Zugleich haben Umfragen unter Bewerberinnen und Bewerbern ergeben, dass die Sinnhaftigkeit der Arbeit eines der wichtigsten Kriterien bei der Jobentscheidung ist. „Freiwilliges soziales Engagement kann ein wichtiges Instrument für die Gewinnung von Talenten und die Bindung und Zufriedenheit von Mitarbeitern sein“, erläutert Marta Muñoz Méndez-Villamil, Technology for Sustainability and Social Impact Practice Lead, Europe, bei IDC. „Zudem leisten Mitarbeiter-Freiwilligenprogramme einen Beitrag zum nachhaltigen Wirtschaften eines Unternehmens und wirken sich damit positiv auf sein gesamtes Image aus.“ Auch IDC betrachtet Umwelt- und Sozialverantwortung als zentrales Instrument, um in Zukunft das Vertrauen der Kunden zu gewinnen.

Freistellung innerhalb Arbeitszeit

CIOs und ihre Unternehmen sind daher gut beraten, das Thema betriebliche Freiwilligenarbeit ganz oben auf die Agenda setzen. Sie sollten Volunteering-Programme aufbauen und den Beschäftigten die Möglichkeit geben, innerhalb ihrer Arbeitszeit daran teilzunehmen. Als Basis für das Engagement können sowohl eigene Freiwilligen-Projekte entwickelt als auch bestehende gemeinnützige Initiativen genutzt werden: zum Beispiel Sportvereine, Sozial- oder Kulturprojekte, Rettungsorganisationen oder Umweltschutzverbände.

Zeitmangel und fehlende passende Angebote halten die meisten Studienteilnehmer von ehrenamtlichem Engagement ab (c) IDC/IDG/WHU

Um die Wirksamkeit der ehrenamtlichen Einsätze zu maximieren, muss jedes Unternehmen individuelle Formate schaffen, die zu seiner Mission passen und die Vorlieben der Mitarbeiter berücksichtigen. So machte die Studie teilweise erhebliche Interessenunterschiede zwischen den IT-Fachleuten aus. Während sich 63 Prozent der Männer regelmäßig ehrenamtlich engagieren, sind es bei den Frauen nur 28 Prozent. Dabei bevorzugen 36 Prozent der Befragten Aktivitäten im Sport, gefolgt vom Bildungs- und Sozialbereich. Dieser Interessenvielfalt müssen die Unternehmen bei der Auswahl von Freiwilligenprojekten Rechnung tragen, wollen sie eine breite Akzeptanz und Einbindung aller Mitarbeiter erreichen.

NGOs am beliebtesten

Wie die Studie weiter ergab, engagieren sich die IT-Professionals am liebsten im Rahmen privater Organisationen, die gemeinnützige Zwecke verfolgen. So liegen Non-Governmental Organizations (NGOs) mit fast 50 Prozent im Freiwilligen-Ranking ganz vorn, gefolgt von öffentlichen, schulischen und kirchlichen Initiativen. Dieses Ergebnis sollte auch die öffentlichen und privaten Organisationen auf den Plan rufen. Sie müssen verstärkt die Zusammenarbeit mit den Unternehmen suchen, um sie beim Aufbau von Mitarbeiter-Freiwilligenprogrammen zu unterstützen.

Gemeinden und regionale Einrichtungen könnten die Aufgabe übernehmen, Informationen über vorhandene Volunteering-Angebote zu sammeln und in Online-Plattformen und Online-Portalen verfügbar zu machen. Das verschafft den Unternehmen Transparenz und erleichtert die Auswahl. Denn diese innovativen Tools sind ideal geeignet, um die wachsende Vielfalt und Breite der vorhandenen Freiwilligen-Programme zu dokumentieren.

Vielfalt neuer Plattformen und Initiativen

Unbestritten nimmt die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement kontinuierlich zu. Immer mehr Menschen schließen sich in öffentlichen und privaten Organisationen zusammen, um sich für das Gemeinwohl zu engagieren. Nach Angaben der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) sind derzeit rund 30 Millionen Bürgerinnen und Bürgerinnen in Deutschland ehrenamtlich aktiv – Tendenz steigend.

Eine überwältigende Mehrheit der IT-Spezialisten spricht sich für Corporate Volunteering aus (c) IDC/IDG/WHU

Die Vielfalt neuer Plattformen und Einrichtungen stellt viele traditionelle Non-Profit-Organisationen jedoch vor große Herausforderungen. Sie müssen die Chancen der Digitalisierung nutzen, um im wachsenden Wettbewerb bestehen zu können. Denn sie brauchen die neuen digitalen Technologien, um ihre Arbeit wirksamer und effizienter zu gestalten. Das reicht von Öffentlichkeitsarbeit und Marketing über administrative Aufgaben bis hin zur weltweiten Vernetzung und zur Interaktion mit Helfern und Begünstigten. Dort ist die Unterstützung ehrenamtlicher IT-Professionals gefragt. Mit ihrem fachlichen Know-how sind sie bestens geeignet, um traditionelle Organisationen bei der digitalen Transformation zu beraten und zu begleiten.

Große Defizite an digitaler Kompetenz

Ebenso nutzbringend kann es sein, wenn sich IT-Spezialisten für Initiativen und Projekte engagieren, die der Förderung der Digitalkompetenz der Bürger dienen. Denn auch in diesem Bereich herrscht großer Handlungsbedarf: 22 Prozent der Menschen in Deutschland verfügen über geringe oder keine digitalen Kompetenzen, in der EU sind es sogar 28 Prozent. Der freiwillige Einsatz von IT-Spezialisten kann dazu beitragen, den Bürgerinnen und Bürgern den Einstieg in die neuen Technologien zu erleichtern. Nur so lässt sich verhindern, dass diese Menschen den Anschluss an die Gesellschaft verlieren – ob im Privatleben oder Beruf.

Appell an CIOs und ihre Unternehmen

Die gemeinsame Umfrage von CIO, IDC und WHU unter IT-Experten in Deutschland zur Bedeutung betrieblicher Freiwilligenarbeit ist die erste ihrer Art – und macht eindeutige Wünsche und Bedürfnisse dieser Berufsgruppe deutlich. Unternehmen sollten dies zum Anlass nehmen, eine Kultur aufzubauen, die ehrenamtliches Engagement systematisch fördert und unterstützt.

Sie können damit beim War for Talents punkten, die Loyalität ihrer Mitarbeiter stärken und gleichzeitig von den Soft Skills profitieren, die die Freiwilligen bei ihren gemeinnützigen Einsätzen erwerben. Darüber hinaus ist Corporate Volunteering ein wichtiges Element beim Aufbau einer sozialen und ökologischen Unternehmensführung, die zunehmend über den Erfolg bei Kunden und Geschäftspartnern entscheiden wird.

In diesem Sinn appellieren die Studienträger – CIO, IDC und WHU – Otto Beisheim School of Management – an die CIOs und ihre Unternehmen, rasch zu handeln und geeignete Volunteering-Programme anzustoßen. Vor allem die IT-Nachwuchskräfte können davon profitieren, wie Peter Kreutter, Direktor von WHU, unterstreicht: „Viele CIOs und IT-Professionals sind ehrenamtlich aktiv. Häufig erfolgt der Einstieg ins Ehrenamt jedoch eher zufällig und erst in späteren Phasen des Berufslebens. Dort gerade junge Menschen für entsprechende Aktivitäten zu begeistern, ihnen zu helfen, ihr persönliches Engagementfeld zu finden und dabei auch spannende frühe Führungserfahrungen zu sammeln, ist Ziel unserer Initiative.“

*Sibylle Hofmeyer ist freie Journalistin in Heidelberg.


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