Technologien richtig einschätzen und nutzen, ist in der Corona-Krise wichtiger denn je. Der CIO steht dabei auch 2021 in der Pflicht. [...]
Mit der fortschreitenden Digitalisierung hat die Rolle des in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Im Frühjahr 2020 verbreitete sich Covid-19 und zwang viele Unternehmen, innerhalb kürzester Zeit auf eine Remote-Infrastruktur umzustellen. Der CIO sorgt seitdem als Retter in der Not dafür, dass „sein“ Unternehmen funktionsfähig bleibt. Seine Relevanz steigt damit weiter.
So berichten laut Gartner 66 Prozent der CIOs, dass sie im Zuge der Corona-Krise näher an den CEO gerückt sind. Viele Technologien waren dabei für die Firmen überlebenswichtig, beispielsweise Remote Access, Cloud Computing, Kommunikations-Tools oder E-Commerce Angebote. CIOs sollten das Momentum nutzen und sicherstellen, dass sie auch im Neuen Jahr auf die richtigen Technologien setzen.
Wie der jährliche Hype Cycle von Gartner zeigt, gibt es eine Vielzahl von Technologien, die für Unternehmen in den nächsten Jahren relevant werden können. Im Folgenden stehen vor allem solche Trends im Mittelpunkt, die bereits 2021 für eine breite Masse an Unternehmen relevant sein werden und bei der Bewältigung der Corona-Krise helfen können. Deswegen sind auch Entwicklungen aufgeführt, die für sich genommen nicht neu sind, aber in der aktuellen Situation an Wichtigkeit gewinnen. Zu unterscheiden ist dabei zwischen Trends, die den Betrieb des Unternehmens sichern (Enabler) und solchen, die dabei helfen, über neue Produkte und Services Umsatzquellen zu erschließen (Geschäftstreiber).
Work Anywhere wird zum neuen Normal
Der Begriff „Work Anywhere“ beschreibt den Ansatz, berufliche Arbeit überall ausüben zu können, also im Büro des Arbeitgebers, zuhause (Home-Office) oder an einem beliebigen dritten Ort (Mobile Office). Auch wenn es sich hier nicht um eine neue Technologie handelt, hat die Corona-Krise dem Thema doch einen starken Schub verliehen.
So mussten viele Unternehmen im Zuge des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 innerhalb kürzester Zeit eine Work-Anywhere-Infrastruktur etablieren, um die Fortführung des Geschäfts sicherzustellen. Die notwendigen Anpassungen waren vielseitig, etwa in der Infrastruktur (Remote Access, mobile Arbeitsgeräte, Cloud Computing), bei Applikationen (zum Beispiel Kollaboration, Kommunikation), in Prozessen (beispielsweise Recruiting) oder bei juristischen Themen (zum Beispiel Arbeitssicherheit, Datenschutz).
Aufgrund der Dringlichkeit des Übergangs zu einer neuen wurden häufig sogenannte „Technical Debts“ in Kauf aufgenommen. Dabei handelt es sich um technische Workarounds, die jedoch noch Mängel aufweisen bezüglich Skalierbarkeit, Robustheit oder Funktionalität. Diese müssen in den nächsten Monaten und Jahren revidiert werden, um effizient und sicher zu funktionieren.
Spannend wird außerdem sein, das Mitarbeiterverhalten nach der Krise zu beobachten: So schätzen Angestellte einerseits die gewonnene Flexibilität, andererseits wird aber auch klar, dass der digitale Austausch den persönlichen Kontakt mit den Kollegen nicht vollständig ersetzen kann. CIOs sollten daher darauf achten, beide Nachfragen befriedigen zu können und sowohl mobile die Infrastruktur als auch die Infrastruktur in den Büros vor Ort funktionsfähig zu halten.
Cloud Computing – hybride Strategien gefragt
Cloud Computing ist als Trend nicht neu, gewinnt aber durch die Corona-Krise erheblich an Bedeutung. Grund dafür ist, dass die Firmen eine wachsende Datenmenge verarbeiten müssen, verursacht unter anderem durch dezentrales Arbeiten der Mitarbeiter oder die vermehrte Nutzung von E-Commerce durch den Kunden. Da die eigene Infrastruktur häufig nicht in der Lage ist, die Lasten entsprechend zu skalieren, geben Firmen mehr und mehr Datenverarbeitung in die Cloud. Diese Entwicklung beflügelt die Nachfrage nach den Services der großen Cloud Anbieter wie AWS oder Microsoft.
Um die Stärken der verschiedenen Cloud-Lösungen optimal zu nutzen (AWS: breites Service Portfolio; Microsoft Azure: gute Integration mit anderen Microsoft Produkten) und weniger abhängig von einzelnen Anbietern zu sein, ist eine Hybrid-Cloud Strategie sinnvoll. Außerdem sollten beachten, dass mit zunehmender Datenlast auch die Cloud-Kosten steigen, weswegen Edge Computing in Zukunft noch attraktiver werden könnte.
Dabei wird die Datenverarbeitung an den Rand eines Netzwerks verlagert und somit an den Ort, an dem die Daten erzeugt werden. Dadurch lassen sie sich effizienter verarbeiten und das Datenvolumen in der Cloud sinkt. Aller Wahrscheinlichkeit nach lassen sich hier in Zukunft Kostenersparnisse erzielen, wenn Edge-Computing weiter reift. Fazit: CIOs sollten ihre Cloud-Strategie möglichst flexibel halten und untersuchen, ob ein hybrider Ansatz für sie sinnvoll ist.
Robotik im Aufwind
Roboter sind bereits seit Jahrzehnten im Einsatz, insbesondere in der industriellen Fertigung. Offen war bisher, ob beziehungsweise wann sie in der Gesellschaft breiten Einzug halten. Covid-19 könnte eine Zäsur markieren. Denn zur Vermeidung von direktem Kontakt zwischen Menschen häufen sich gerade im gesundheitlichen Bereich Anwendungsfälle und Prototypen.
In der Pflege von Senioren, zur Desinfektion von Krankenhäusern oder zur Diagnose von Krankheiten sind Roboter mit menschenähnlichen Zügen zu finden. Sollte sich dieser Trend fortsetzen und Roboter die Akzeptanz und das Vertrauen der breiten Bevölkerung gewinnen, könnten sie auch im B2C Umfeld relevanter werden.
Bis dahin wird der Fokus aber weiterhin in der Industrie liegen. Dort wurde durch Corona deutlich, dass globale Lieferketten in Krisen ein hohes Ausfallrisiko haben. Insbesondere in der Automobilindustrie kann das dazu führen, dass Lieferketten neu bewertet und einzelne Wertschöpfungsschritte ins eigene Land zurückgeholt werden. In Deutschland wird man aufgrund des hohen Lohnniveaus auch wieder vermehrt auf Industrieroboter zurückgreifen, um Produktionskosten niedrig zu halten. CIOs sollten sicherstellen, dass sie die Robotik-Ambitionen ihrer Firma durch entsprechende Informationssysteme und Software-Know-how optimal unterstützen.
Internet der Dinge hilft in der Krise
Im Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) werden Objekte mit Sensor- und Kommunikationstechnologie ausgestattet und können dadurch interagieren und zentral gesteuert werden. Daraus ergeben sich Optimierungspotentiale in Produktion und Logistik sowie neue digitale Produkte und Services (zum Beispiel im Smart Home). Die Nutzung hat in den letzten Jahren stetig zugenommen und wird dies in der Corona-Krise auch weiter tun. Denn die Steuerung und Überwachung über ein intelligentes Netz erlaubt es, weniger Personal einzusetzen und Ansteckungen zu verhindern.
So könnten mit Wearables ausgestattete Mitarbeiter über IoT-Applikationen nachverfolgt und ihre Bewegungen besser gesteuert werden. Möglich sind beispielsweise Warnungen, wenn sich zu viele Mitarbeiter an einem Ort (etwa in der Kantine) befinden. Bestehende Datenschutz- und Freiheitsrechte sind dabei zu beachten. Es gibt viele weitere Anwendungsfälle, beispielsweise im Inventory oder im Rahmen von Predictive Maintenance, wo Unternehmen menschliche Tätigkeiten reduzieren und zugleich die notwendige Liquidität sichern können. Daher sollten CIOs die möglichen IoT-Anwendungsfälle bewerten und entscheiden, wo sich ein Einsatz lohnt.
IT-Sicherheit wird noch wichtiger
Mit fortschreitender Digitalisierung und gleichzeitiger Regulierung (DSGVO) kam der IT-Sicherheit in den vergangenen Jahren eine wichtige Rolle zu. Corona verstärkt diesen Trend, da durch die Verbreitung von „Work Anywhere“ sowohl der Datenaustausch als auch die Angriffsflächen durch dezentrale Arbeitsplätze zunehmen.
Daraus ergeben sich Risiken wie die unbefugte Nutzung von Rechnern, unsichere Heimnetzwerke oder die Vermischung von privaten Messaging Services mit beruflicher Kommunikation. Die Auswirkungen sind schon jetzt bemerkbar: Bereits Mitte 2020 berichtete ein Großteil der Sicherheitsverantwortlichen deutscher Firmen von einer gestiegenen Anzahl von Angriffen, beispielsweise in Form von Trojanern, oder Ransomware.
Auch die schon erwähnten „Technical Debts“ können zu Sicherheitslücken führen und ein Risiko darstellen. Daher ist es umso wichtiger, dass CIOs das Thema IT-Sicherheit ganz oben auf ihre Prioritätenliste setzen und den sicherheitstechnischen Unterbau der neuen Remote-Infrastruktur bereitstellen. Dabei sollten sie verschiedene Maßnahmen ins Auge fassen, beispielsweise die Einführung von Multi-Faktor , Aufbau eines 24/7 Remote IT-Supports oder die Erstellung von IT-Notfallplänen.
E-Commerce bekommt weiteren Schub
E-Commerce bezeichnet das Ein- und Verkaufen von Waren über das Internet. Auch hier handelt es sich um ein bereits etabliertes Thema, das jedoch durch Covid-19 noch einmal beschleunigt wird. Denn Kunden kaufen aufgrund von Lockdowns und zur Vermeidung von Ansteckungen vermehrt online ein statt im physischen Geschäft. So war in Deutschland im dritten Quartal 2020 ein Anstieg von 13 Prozent des E-Commerce-Volumens gegenüber dem Vorjahr zu beobachten.
Dabei bewegen sich auch Kundengruppen (Senioren) und Produktgruppen (Lebensmittel) Richtung E-Commerce, die vorher traditionell im stationären Handel angesiedelt waren. Nach der Corona-Krise ist es gut möglich, dass sich dieser Trend fortsetzt, weil die Konsumenten sich an E-Commerce gewöhnen und auch solche Online-Services wieder nachgefragt werden, die aktuell eine Flaute haben (etwa Reisen, Hotels, Veranstaltungen).
Daher ist es für Firmen eine große Chance, am E-Commerce-Wachstum zu partizipieren. CIOs sollten zusammen mit der Geschäftsführung erörtern, wie sie die Firma auf ihrem Weg in den E-Commerce optimal unterstützen können. Dabei kann es Sinn ergeben, zusammen mit Partnern eine digitale Plattform aufzubauen und gemeinsam Services und Produkte anzubieten.
Künstliche Intelligenz hilft im Kampf gegen Covid-19
Der Begriff künstliche Intelligenz umfasst eine Menge von Technologien, die in Vorgehensweise und Reife stark voneinander abweichen können, beispielsweise Natural Language Processing, Speech Recognition oder Image Recognition. Während der Corona-Pandemie kommt KI eine gesellschaftliche Rolle zu: So sollen Algorithmen dabei helfen, das Infektionsgeschehen vorherzusagen, getroffene Maßnahmen zu beurteilen oder die Suche nach einem erfolgreichen Impfstoff zu unterstützen. Asiatische Länder wie China und Südkorea sind hier Vorreiter und zeigen, wie man dem Virus KI-gestützt begegnen kann.
Für Unternehmen ist KI aktuell besonders relevant, weil Kunden vermehrt E-Commerce nutzen. Dadurch steigt der positive Effekt von KI-basierten Services (zum Beispiel Empfehlungsdienste) auf den Umsatz. Doch auch wenn dem KI-Trend ein sehr hoher finanzieller Mehrwert prognostiziert wird, schafft es die Mehrheit der Initiativen nicht in den Produktivbetrieb: Sie erscheinen entweder nicht rentabel oder nicht skalierbar genug.
Dem entgegenwirken könnte ein Produktmanagement-Ansatz, bei dem die KI-Lösung nicht nur unter technischen, sondern auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten validiert wird und einem dauerhaften Produktzyklus folgt. CIOs sollten ihre Anstrengungen im Bereich KI weiter forcieren und sich damit auseinandersetzen, wie sie den Erfolg ihrer Initiativen steigern können.
CIO – vom Retter zur Stütze im Unternehmen
CIOs wird in der aktuellen Situation viel abverlangt: Sie müssen als Krisenmanager auftreten und den Geschäftsbetrieb sichern. Gleichzeitig müssen sie einen Überblick über eine Vielzahl an Technologien und Trends behalten, die jedes Jahr größer wird. Darüber hinaus wird erwartet, dass sie auch zum Umsatzwachstum beitragen und die anschwellenden Datenmengen nutzen, um neue Produkte und Services zu entwickeln. Diese Entwicklung ist auch eine große Chance, das Unternehmen, die IT und die Rolle des CIO weiterzuentwickeln. Dazu sollte er sich an folgenden Empfehlungen orientieren:
- Stellenwert in der Organisation erhöhen
In der Krise ist klar geworden, dass es der CIO war, der das Unternehmen funktionsfähig gehalten hat. Um dem neu gewonnenen Selbstverständnis und den daraus resultierenden Erwartungen im Unternehmen gerecht zu werden, muss die Rolle des aufgewertet werden. Das bedeutet zum einen ganz konkret, dass ausreichend IT-Budget und Ressourcen zur Verfügung gestellt werden müssen. Zudem benötigt der CIO Zugang zur Unternehmensleitung, wenn nicht sogar eine Position in derselben. Nur so kann sichergestellt werden, dass geschäftskritische Themen unmittelbar und zielgerichtet entschieden werden. Der CIO hat aktuell sehr gute Argumente, einen möglicherweise zu kleinen Handlungsspielraum auszubauen.
- Tech-Screening etablieren
Um den stetigen Fluss an neuen Technologien verstehen und bewerten zu können, sollten Führungskräfte ein Technology Screening, zum Beispiel in Form einer Stabstelle, aufbauen. Im ersten Schritt geht es darum, Technologien und ihren Mehrwert zu identifizieren und im Rahmen eines Funnel Managements diejenigen zu priorisieren, die als vorteilhaft für das eigene Unternehmen eingeschätzt werden. Wenn die Technologien einen positiven Business Case haben, sollte ein Proof of Concept (POC) folgen. Ist dieser erfolgreich, kann die Lösung graduell auf die Organisation skaliert werden.
- Nähe zum Kunden verstärken
Um zur Entwicklung digitaler Services und Produkte beitragen zu können, sollte der ein klares Kundenverständnis aufbauen. Er sollte den Austausch mit den Vertriebs- und Marketing-Einheiten der Firma intensivieren oder sogar im direkten Kontakt zum Kunden dessen Anforderungen verstehen. Auch die wachsende Menge an Kundendaten lässt sich an dieser Stelle analysieren. Die Bedürfnisse gilt es dann zu bewerten, zu priorisieren, und zur Verwertung an die eigene Organisation weiterzugeben
Kommt der CIO diesen Aufgaben nicht ausreichend nach, wird möglicherweise ein Chief Digital Officer (CDO) an Bord geholt und die IT weiter nur unter Kostengesichtspunkten gesteuert. Schafft er aber den Wandel, wird er vom Retter in der Not zu einer der wichtigsten Säulen im Unternehmen.
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