Das Training eines einzigen KI-Modells verbraucht laut Internationaler Energieagentur (IEA) so viel Strom wie hundert US-Haushalte in einem Jahr, während generative KI-Lösungen 33 mal mehr Energie benötigen als eine zweckgebundene Software. Die IEA prognostiziert daher, dass Rechenzentren bis 2030 für sechs Prozent der weltweiten CO2-Bilanz verantwortlich sein werden – im Vergleich zu 1 bis 1,6 Prozent im Jahr 2022. [...]
Der weltweite Boom der künstlichen Intelligenz führt zu einem besorgniserregenden Anstieg der CO2-Emissionen in Rechenzentren. KI als aufstrebender Teil der Digitalisierung hinterlässt einen wachsenden Energiefußabdruck von Unternehmen. Allein die Deutsche Telekom benötigt fünf neue Rechenzentren in Europa, um KI-Anwendungen mit Large Language Models (LLMs) zu betreiben, wie das Unternehmen kürzlich bekannt gegeben hatte. International machen Unternehmen wie Google und Oracle Schlagzeilen, die Pläne zum Bau neuer Atomreaktoren vorstellen, die speziell für den Strombedarf von Rechenzentren genutzt werden sollen.
Klar ist, dass der Energiebedarf für KI schon jetzt enorm ist und weiter zu steigen droht. Deutschland steht hier vor besonderen Herausforderungen infolge des Atomausstiegs und des Ausbaus erneuerbarer Energien. Die Energiewende wird zugleich gebremst durch das veraltete Stromnetz mit unzureichenden Kapazitäten für den Transport von Windstrom. Bewegung kam zuletzt in den Bau der strategisch bedeutenden Stromtrasse Südlink, die 2028 in Betrieb gehen soll, um die stark wachsenden Windstromkapazitäten aus dem Norden zu großen Verbrauchern in den Süden zu transportieren. Zugleich bestehen regional Kapazitätsbeschränkungen in der Netzinfrastruktur und damit ein großer Ausbaubedarf, um den Zuwachs an Solarstrom, der auf immer mehr Dächern und Freiflächen erzeugt wird, zu bewältigen.
KI erhöht massiv den Energiebedarf von Rechenzentren
Die KI-Revolution finden jetzt bereits statt – und benötigt zunächst einmal immer größere Mengen an Energie. Je höher derzeit noch der fossile Anteil am Strom-Mix liegt, desto stärker müssen sich Unternehmen mit steigenden CO2-Emissionen infolge des Aus- und Neubaus von Rechenzentren auseinandersetzen. Beispielsweise sind die CO2-Emissionen von Google aufgrund des schnellen KI-Wachstums in fünf Jahren um 48 Prozent gestiegen. Das Training eines einzigen KI-Modells verbraucht laut Internationaler Energieagentur (IEA) so viel Strom wie hundert US-Haushalte in einem Jahr, während generative KI-Lösungen 33 mal mehr Energie benötigen als eine zweckgebundene Software. Die IEA prognostiziert daher, dass Rechenzentren bis 2030 für sechs Prozent der weltweiten CO2-Bilanz verantwortlich sein werden – im Vergleich zu 1 bis 1,6 Prozent im Jahr 2022.
Die problematische Klimabilanz der KI-Transformation behindert die Fortschritte der Technologieriesen bei der Erfüllung ihrer Klimaschutzverpflichtungen. Viele von ihnen versprechen weiterhin, bis 2030 klimaneutral zu werden. Deren jüngste Investitionen in KI-Infrastrukturen haben jedoch erst einmal zu einem erheblichen Anstieg der Emissionen geführt. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, haben sich einige Unternehmen für den Abschluss von Vereinbarungen zum Ausgleich von CO2-Emissionen durch Emissionsgutschriften entschieden. Obwohl sie damit ihre Ziele erreichen können, handelt es sich dabei eher um eine mittel- und kurzfristige Notlösung, während die Branche nach dauerhaften Lösungen sucht, um die Abhängigkeit der KI von fossiler Energie zu verringern.
Kann KI sogar zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks beitragen?
Nachhaltigkeitsexperten sind der Meinung, dass Unternehmen die Vorteile der KI gegen ihre Auswirkungen auf die Umwelt abwägen müssen. Während einige befürchten, dass sie negative Auswirkungen haben könnte, ist die Mehrheit der Meinung, dass die Vorteile dieser Technologie die Risiken bei der Bekämpfung der Klimakrise überwiegen werden. KI beginnt bereits damit, Nachhaltigkeitsprogramme neu zu gestalten, indem sie beispielsweise den Betrieb von Windkraftanlagen, Solarmodulen, Elektrofahrzeugen oder Batterien optimiert. Somit könnte KI auch zu mehr Energieeffizienz führen und auch durch die Minimierung unnötiger Prozesse den Gesamtverbrauch senken.
Es gibt noch weitere Stellschrauben, etwa Anwendungsfälle, in denen die verwendeten KI-Modelle im Vergleich zu der zu erledigenden Aufgabe überdimensioniert und daher sehr energieintensiv sind. Durch den Einsatz effizienterer KI-Modelle lässt sich der Energieverbrauch erheblich senken. Indem generative KI nur dann zum Einsatz kommt, wenn es absolut notwendig ist, und Prozesse optimiert werden, lässt sich ein effizienterer Betrieb erreichen, ohne den Einsatz von KI vollständig reduzieren zu müssen.
Angesichts dieser Tatsache haben Hugging Face und Nvidia in Partnerschaft mit Mistral AI und OpenAI jeweils kleine Sprachmodelle (SLMs) auf den Markt gebracht, um den Zugang zur fortgeschrittenen Verarbeitung natürlicher Sprache zu demokratisieren. Dieser Übergang könnte erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben. Mit der Verbreitung von KI könnten die Energieeinsparungen durch effizientere Modelle beträchtlich sein und so zu einer umweltfreundlichen Innovation statt zu einer Verschärfung des Klimawandels beitragen.
Das Potenzial von KI zur Optimierung von Rechenzentren
Unabhängig von Umweltbelangen boomen die Investitionen in KI und könnten bis 2025 auf 200 Milliarden US-Dollar ansteigen. Im Allgemeinen versuchen die Betreiber von Rechenzentren, den Energieverbrauch auf einem konstanten Niveau zu halten, um die Kosten zu kontrollieren und gleichzeitig für eine zuverlässige Leistung zu sorgen. Sie sind jedoch weiterhin von den Stromnetzen abhängig, die sie versorgen, und von zunehmend erneuerbaren Energiequellen, die Schwankungen unterliegen. Fehlt es an Speicherkapazitäten wie Pumpspeicherkraftwerken, lassen sich Dunkelflauten derzeit nur mit fossiler Energie ausgleichen.
KI ist eine Möglichkeit, diese Herausforderungen zu meistern, indem sie die Energienutzung optimiert. Beispielsweise könnte sie die Verfügbarkeit von Solarenergie vorhersagen durch die Nutzung von Wetterdaten und vorausschauender Analyse. Auf diese Weise könnten Rechenzentren Arbeitslasten entsprechend den Spitzen der erneuerbaren Energieerzeugung verschieben und so ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen verringern. KI könnte auch die Effizienz steigern, indem sie Daten in Echtzeit überwacht, um den Energieverbrauch zu senken, ohne die Leistung zu beeinträchtigen.
Die Kombination von KI und grüner Energieerzeugung dürfte den Betrieb von Rechenzentren revolutionieren, da Unternehmen ihre Kapazitäten erweitern und gleichzeitig ihren CO2-Fußabdruck verringern können. Nur so wird es Unternehmen gelingen, ihre Nachhaltigkeitsziele aufrechterhalten.
Die Zukunft der KI wird durch Regulierung bestimmt
KI ist immer noch eine junge Technologie, für die es nur einen sehr knappen oder sogar unklaren Rechtsrahmen gibt. Die Branche braucht dennoch eine Gesetzgebung, die es Unternehmen ermöglicht, Innovationen voranzutreiben und gleichzeitig ein Gleichgewicht zu wahren. Mit anderen Worten: Es ist möglich, weitere Fortschritte zu erzielen, ohne dass diese jedoch auf Kosten anderer wichtiger Überlegungen gehen.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, hat die OECD eine Reihe von Grundsätzen definiert, die als Orientierungshilfe für die Umsetzung einer vertrauenswürdigen KI zum Wohle der Menschheit dienen sollen. Für den Energieverbrauch sind jedoch besser definierte nationale, regionale und internationale Rahmenbedingungen erforderlich, insbesondere in Anbetracht der Rolle des Energiesektors in der Weltwirtschaft und seiner Bedeutung für die Klimaziele.
Der AI Act, der dieses Jahr in Kraft getreten ist, soll die Bedingungen für eine ethische und nachhaltige Entwicklung der KI in Europa verbessern. Er enthält bislang jedoch keine Verpflichtungen für Unternehmen, ihre KI-bedingten Emissionen und ihren Energieverbrauch zu reduzieren. Zwar ist es lobenswert, dass sich die aktuellen Regelungen mit Sicherheit und Ethik im Bereich der KI befassen, doch müssen diese Gesetze nun ausgeweitet werden, um den Umweltbedenken Rechnung zu tragen.
* Maxime Vermeir ist Senior Director of AI Strategy bei ABBYY.
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