Knapp 40 Prozent der Österreicher würden gerne weniger arbeiten

Im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel und dem demografischen Wandel wird auch immer wieder ein drohender Wohlstandverlust diskutiert. Doch die Mehrheit der Beschäftigten in Österreich findet nicht, dass deshalb Mehrarbeit volkswirtschaftlich gesehen notwendig sei – obwohl sie die Auswirkungen der unbesetzten Stellen schon heute in ihrem Arbeitsalltag spüren. [...]

39 Prozent der befragten heimischen Arbeitnehmenden würden gerne weniger arbeiten als bisher. Rund ein Drittel würde für mehr Urlaubstage auch Gehaltseinbußen hinnehmen. (c) stock.adobe.com/Monkey Business

Im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel und dem demografischen Wandel wird auch immer wieder ein drohender Wohlstandverlust diskutiert. Doch die Mehrheit der Beschäftigten in Österreich findet nicht, dass deshalb Mehrarbeit volkswirtschaftlich gesehen notwendig sei – obwohl sie die Auswirkungen der unbesetzten Stellen schon heute in ihrem Arbeitsalltag spüren. Im Gegenteil: Knapp die Hälfte (48 Prozent) ist mit ihrer Arbeitszeit zufrieden, so, wie sie ist. 39 Prozent der befragten Arbeitnehmenden würden sogar gerne weniger arbeiten als bisher. Rund ein Drittel (30 Prozent) würde für mehr Urlaubstage auch Gehaltseinbußen hinnehmen. Das geht aus dem repräsentativen XING Arbeitsmarktreport 2024 hervor, den das Marktforschungsinstitut Appinio im Auftrag des Jobs-Netzwerks unter 1.000 Beschäftigten in Österreich durchgeführt hat.

Der österreichische Arbeitsmarkt hat eine starke Dynamik und beschäftigt sich aktuell mit mehreren Herausforderungen gleichzeitig: einer schwächelnden Konjunktur, dem demografischen Wandel, dem Fachkräftemangel, Arbeitszeitdebatten und der KI, die sich auf viele dieser Bereiche auswirken kann.

Rund 4,5 Millionen Erwerbstätige (2023) sind laut Statistik Austria auf dem österreichischen Arbeitsmarkt in den verschiedensten Arbeitszeitmodellen beschäftigt. Gleichzeitig liegt die durchschnittliche wöchentliche Wochenarbeitszeit in Österreich bei 30 Stunden (2023) – und damit unter dem europäischen Durchschnitt (36,9 Stunden) (Quellen: Statistik Austria bzw. Statistisches Bundesamt). Eine ganze Generation, nämlich die der Babyboomer, verlässt nun den Arbeitsmarkt Richtung Pension. In Kombination sorgt das trotz Rezession für einen Arbeitsmarkt, auf dem viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, ausreichend Arbeits- und Fachkräfte zu finden.


Mehrarbeit? Beschäftigte in Österreich sagen: „Nein, danke“

Dennoch sehen generationenübergreifend sechs von zehn Arbeitnehmenden in Österreich (61 Prozent) keine Notwendigkeit zur Mehrarbeit, um dem wirtschaftlichen Abschwung entgegenzuwirken. Meinungsführend sind hier die älteren Generationen Babyboomer und X, die schon länger im Arbeitsleben stehen: Sie sagen zu 63 Prozent (Babyboomer) und zu 66 Prozent (Gen X), dass Mehrarbeit nicht nötig sei. Während die Millennials (55 Prozent) und Gen Z (58 Prozent) in einem deutlich geringeren Maß diese Einschätzung teilen. Diese Meinung schlägt sich jedoch nicht ganz auf die eigene Leistungsbereitschaft nieder. 43 Prozent der Gen Z würde gern weniger arbeiten. 45 Prozent sind allerdings zufrieden, wie es ist. Bei den Millennials sind 42 Prozent mit ihren Arbeitsstunden zufrieden – und ganze 44 Prozent würden gerne weniger arbeiten. Generationenübergreifend möchten 39 Prozent ihre Arbeitszeit reduzieren, Treiber sind hier allerdings die Gen Z (42 Prozent) und die Millennials (44 Prozent).

„Hier zeigt sich eine klare Schere zwischen den Generationen: Während die überdurchschnittlich leistungsbereiten Babyboomer das Gefühl haben, ihren Teil getan zu haben, aber auch generell weniger Notwendigkeit für eine Anhebung der Arbeitszeit sehen, sind sich die Jüngeren eines drohenden Wohlstandverlustes deutlich bewusster. Während sie theoretisch anerkennen, dass Mehrarbeit hier als Gegenmittel greift, würden sie es vorziehen, diese nicht selbst leisten zu müssen“, sagt Sandra Bascha, Leitung Kommunikation Österreich.


Das vorherrschende Gefühl bei Arbeitenden in Österreich ist jedoch Zufriedenheit mit den persönlichen Arbeitsstunden. Angeführt wird dieses Gefühl von der Altersgruppe der Babyboomer (72 Prozent), gefolgt von der Gen X (50 Prozent) – wobei diese bereits deutlicher Stunden reduzieren möchte: ganze 38 Prozent geben an, weniger arbeiten zu wollen. Mit 45 Prozent ist Zufriedenheit auch das vorherrschende Gefühl bei der Gen Z. Knapp dahinter (43 Prozent) liegt allerdings der Wunsch nach einer Stundenreduktion. Spannend: Bei einer Generation geben mehr Befragten an, Stunden reduzieren zu wollen, als zufrieden zu sein. So würden gerne 44 Prozent der Millennials ihre Stunden reduzieren – nur 42 Prozent sind zufrieden.

Dabei spüren viele Beschäftigte den Fachkräftemangel schon jetzt am eigenen Leib: Mehr als 41 Prozent berichten, dass ihr Unternehmen Schwierigkeiten habe, passendes Personal zu finden, 29 Prozent von einer erhöhten Arbeitsbelastung, gefolgt von schlechter Stimmung und Motivationsproblemen (23 Prozent). Laut einem Fünftel (22 Prozent) leidet auch die Qualität der Arbeit, von einem erhöhten Stresslevel und Burnout-Gefahr berichten ebenfalls 19 Prozent.

Mehrarbeit wäre für die meisten gegen deutlich höhere Entlohnung attraktiv

Immerhin: 12 Prozent der Befragten würden gerne mehr arbeiten. Bei denen, die geringfügig oder in Teilzeit beschäftigt sind, erhöht sich der Anteil auf 22 Prozent. Aber auch diejenigen, die nicht notwendigerweise mehr arbeiten wollen, würden sich mit den richtigen Angeboten dazu bewegen lassen. Dabei stehen für die Befragten vor allem finanzielle Benefits im Fokus: Bonuszahlungen und Prämien (47 Prozent), ein höheres Gehalt (deutlich) über die anteilige Stundenanzahl hinaus (45 Prozent) oder anteilig zur Stundenzahl (37 Prozent) sowie zusätzliche Urlaubstage (36 Prozent) machen hier das Rennen. Für 33 Prozent wären zudem steuerliche Anreize ein Grund, die Arbeitszeit zu erhöhen.

Für welche Aspekte wäre man bereit, auf einen Teil des Gehalts oder des Lohns zu verzichten? Die meisten Arbeitenden in Österreich wären gar nicht bereit, zu verzichten (36 Prozent). 30 Prozent würden für Urlaubstage einen Teil ihres Gehalts opfern. 21 Prozent können sich vorstellen, für eine bessere Work-Life-Balance finanzielle Einbußen in Kauf zu nehmen.


Work-Life-Balance: dominierendes Thema in Bewerbungsgesprächen

Grundsätzlich sind mehr als Hälfte (55 Prozent) der Beschäftigten mit ihrer Work-Life-Balance eher zufrieden, zufrieden oder sehr zufrieden. Als größte Hürden hinsichtlich der Vereinbarkeit werden wenig Zeit für Hobbies und Freizeitaktivitäten (32 Prozent) und gesundheitliche Probleme und Stress (31 Prozent) genannt. Dicht gefolgt von fehlender Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung (27 Prozent). Positiv ist: Ein Viertel der Befragten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich sehen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben keine Hürden.

Für den XING Arbeitsmarktreport 2024 befragte das Meinungsforschungsinstitut zudem im Rahmen einer Online-Umfrage auch 150 Recruiter und Personalverantwortliche in Unternehmen in Österreich. Hierbei zeigt sich, dass das Thema Work-Life-Balance auch in Bewerbungsgesprächen eine entscheidende Rolle spielt: 59 Prozent der Recruiter sagen, dass das Thema am häufigsten adressiert wird. Die zweitwichtigsten Themen sind Home Office (58 Prozent), Zusatzleistungen oder Benefits (39 Prozent). Eine attraktive Vergütung wird seitens der Kandidatinnen und Kandidaten erst an 4. Stelle genannt (38 Prozent).

„Diese Ergebnisse zeigen uns, dass Beschäftigte in Österreich weniger denn je bereit sind, ihr Privatleben ihrem Job unterzuordnen, es sei denn, die Bedingungen stimmen“, sagt Sandra Bascha. „Unternehmen haben wirksame Mittel in der Hand, um den Fachkräftemangel abzufedern. Anreize für Mehrarbeit wie attraktive Vergütungen und Arbeitszeitmodelle mit möglichst viel Flexibilität zahlen auf die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen ein. Hier ist ein Umdenken gefragt – und das besser heute als morgen.“


Mehr Artikel

Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, über die Digitalisierung im Mittelstand und die Chancen durch Künstliche Intelligenz. (c) timeline/Rudi Handl
Interview

„Die Zukunft ist modular, flexibel und KI-gestützt“

Im Gespräch mit der ITWELT.at verdeutlicht Gregor Schmid, Projektcenterleiter bei Kumavision, wie sehr sich die Anforderungen an ERP-Systeme und die digitale Transformation in den letzten Jahren verändert haben und verweist dabei auf den Trend zu modularen Lösungen, die Bedeutung der Cloud und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Unternehmenspraxis. […]

News

Richtlinien für sichere KI-Entwicklung

Die „Guidelines for Secure Development and Deployment of AI Systems“ von Kaspersky behandeln zentrale Aspekte der Entwicklung, Bereitstellung und des Betriebs von KI-Systemen, einschließlich Design, bewährter Sicherheitspraktiken und Integration, ohne sich auf die Entwicklung grundlegender Modelle zu fokussieren. […]

News

Datensilos blockieren Abwehrkräfte von generativer KI

Damit KI eine Rolle in der Cyberabwehr spielen kann, ist sie auf leicht zugängliche Echtzeitdaten angewiesen. Das heißt, die zunehmende Leistungsfähigkeit von GenAI kann nur dann wirksam werden, wenn die KI Zugriff auf einwandfreie, validierte, standardisierte und vor allem hochverfügbare Daten in allen Anwendungen und Systemen sowie für alle Nutzer hat. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen in der Lage sind, ihre Datensilos aufzulösen. […]

Be the first to comment

Leave a Reply

Your email address will not be published.


*