Künstliche Intelligenz: KI treibt neue Geschäftsmodelle

Die KI-Technologie krempelt gerade die Wirtschaft um und ermöglicht die Einführung ganz neuer Business-Modelle. [...]

Das Berliner Start-up Konux beispielsweise hat eine KI-basierte Predictive-Maintenance-Lösung zum Business-Modell gemacht (c) pixabay.com

KI wird zunehmend als Instrument genutzt, um existierende Geschäftsmodelle zu verbessern oder ganz neue Geschäftsideen zu entwickeln. Egal ob Handel oder Marketing, Gesundheitswesen oder Automobilsektor – fast in jeder Branche entstehen Start-ups und Unternehmen, die mit KI-getriebenen Produkten und Services frischen Wind erzeugen.

Das Berliner Start-up Konux beispielsweise hat eine KI-basierte Predictive-Maintenance-Lösung zum Business-Modell gemacht. Konux ist das mit 107 Millionen Euro Kapital höchstdotierte deutsche KI-Start-up. Die Lösung kombiniert smarte Sensoren und KI-basierte Analytik. Mit seiner intelligenten Wartung hilft es Infrastruktur-Managern, die Verfügbarkeit von Schienennetzen zu erhöhen und Instandhaltung besser planbar zu machen.

Oder Parlamind: Die KI-basierte Omnichannel-Lösung des ebenfalls in Berlin beheimateten Start-ups führt eigenständig Kundendialoge und unterstützt Mitarbeiterteams mit passenden Handlungsempfehlungen. Dazu verarbeitet das System automatisch Nachrichten via E-Mail, Chat und Telefon auf Deutsch und Englisch. Mit seinem sprachbasierten KI-System will das kleine Unternehmen die wachsende Nachfrage nach kürzeren Reaktionszeiten und mehr Qualität im Kundenservice bedienen.

Solche Lösungen zur Geschäftsgrundlage zu machen war vor wenigen Jahren noch undenkbar. Es fehlte die technologische Basis. Doch die Zeiten ändern sich – Digitalisierung und die rasanten technologischen Entwicklungen gestalten die Wirtschaft immer mehr um. Althergebrachte Geschäftsmodelle und -felder verlieren an Bedeutung, am Horizont erscheinen ganz neue Möglichkeiten.

Zukunftsfaktor KI

Diese Veränderungen werden vor allem von der Schlüsseltechnologie KI befeuert. So heißt es in einem Bericht der AG Geschäftsmodellinnovation der Plattform „Lernende Systeme“, dass der Wettbewerb zwischen Unternehmen zunehmend über innovative Geschäftsmodelle ausgetragen wird – und diese werden vorrangig von KI bestimmt. Andere sehen das ähnlich: „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir in den nächsten Jahren kaum neue Geschäftsmodelle erleben werden, die nicht in irgendeiner Weise mit Artificial Intelligence zu tun haben“, erklärt Robert Laube, Chief Technology & Innovation Officer beim IT-Dienstleister Avanade in seinem Business-Blog.

Die mächtige Rolle von KI im Wirtschaftsleben der nächsten Jahre wird von zahlreichen Studien thematisiert. Laut dem Report „Auf KI kommt es an“ des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) sind Unternehmen, die KI einsetzen, eher in der Lage, anspruchsvolle Innovationen mit einem hohen Neuheitsgrad hervorzubringen. Sie sollen bei gleichem Umsatz auch einen um 25 Prozent höheren Gewinn erzielen.

Künstliche Intelligenz verschafft einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil, den es zu nutzen gilt“, postuliert Thomas Jarzombek, Beauftragter des BMWi für die Digitale Wirtschaft und Start-ups. „Unternehmen, die heute in KI investieren, legen nicht nur den Grundstein für eine profitable Zukunft. Sie stärken gleichzeitig ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit und die der deutschen Wirtschaft.“

Für viele Unternehmen stellt sich daher jetzt die Frage, wie sie Geschäftsmodellinnovationen in ihre Überlegungen einbeziehen und umsetzen können. Hat das bestehende Modell Zukunftspotenzial oder braucht es eine Auffrischung? Sind vielleicht ganz neue Ideen nötig? Und welche Technologien kommen infrage?

Technologische Basis

Die aktuell reifsten KI-Technologien, die sich für die ökonomische Verwertung eignen, sind maschinelles Lernen, Natural Language Processing und Bilderkennung. Machine Learning lernt aus Beispielen und kann eigenständig Lösungen für neue und unbekannte Probleme finden. Natural Language Processing versucht, menschliche Sprache zu erkennen und zu verstehen. Und Bilderkennung befasst sich mit der automatischen Erfassung von Fotos, Bildern und Gesichtern.

Diese Technologien lassen sich in unterschiedlichsten Branchen und für verschiedenste Produkte und Services nutzen. Mit Methoden des maschinellen Lernens können etwa Muster in Daten identifiziert und Vorhersagen getroffen werden, beispielsweise für die vorausschauende Wartung eines Maschinenparks. Technologien zum Natural Language Processing ermöglichen es, dass Chatbots mit Kunden interagieren oder fremdsprachliche Texte automatisch übersetzt werden. Mit Verfahren der Bilderkennung wiederum können defekte Teile in der Fertigung automatisch aussortiert oder Menschen identifiziert werden.

Die Umsetzung von KI-Projekten erfolgt heute in der Regel über KI-Tools und KI-Dienste, die sehr oft cloudbasiert sind. Mit CloudMachine-Learning-Plattformen wie Azure Machine Learning oder AWS Machine Learning können Unternehmen Machine-Learning-Anwendungen aufbauen. KI-Cloud-Services wie Microsoft Cognitive Services, Google Cloud Vision oder Natural Language APIs erlauben es Unternehmen, komplexe KI- oder Cognitive-Computing-Fähigkeiten anhand einer einfachen API zu nutzen.

KI in Business-Modellen

Ein „AI-driven business model“ ist einer gängigen Definition zufolge eine Geschäftsstrategie, die Künstliche Intelligenz verwendet, um mindestens einen von drei zentralen Bereichen zu verbessern: Wertschöpfung (Value Creation), Erbringung des Kundennutzens (Value Delivery) oder Ertragsmechanismus (Value Capture).Dabei kann Künstliche Intelligenz verschiedene Rollen oder Schwerpunkte einnehmen. Von einer eher peripheren, unterstützenden Bedeutung bis hin zum Kern des Business beziehungsweise einer ganz neuen, auf KI basierenden Geschäftsidee.

Im ersten Fall kann die KI beispielsweise ein bereits bestehendes Geschäftsmodell unterstützen und Prozesse optimieren, sodass die Wertschöpfung oder der Kundennutzen größer wird. Prozessinnovationen dieser Art stellen die unterste Stufe eines KI-basierten Geschäftsmodells dar. Dem stehen im zweiten Fall reine KI-getriebene Modelle gegenüber, die im Kern auf KI basieren und ohne KI gar nicht möglich wären. Im Extremfall kann ein Unternehmen oder Start-up sein Business-Modell zur Gänze auf KI aufbauen. Oft führt dies zur Entwicklung eines Geschäftsmodells in Form eines reinen Datendienstes oder eines digital aufgeladenen physischen Produkts.

Nizar Abdelkafi und Marija Radić vom Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie (IMW) differenzieren KI-basierte Geschäftsmodellinnovationen in vier Kategorien: Im ersten Fall bringt KI eine nur marginale Veränderung des Geschäftsmodells durch Prozessoptimierung. Im zweiten Fall erfolgt eine wesentliche Veränderung des Geschäftsmodells durch die Anwendung von KI. Der dritte Fall ist eine Erweiterung des Geschäftsmodells durch komplementäre KI-Dienstleistungen.

Und der vierte und letzte Fall umfasst die KI-bedingte Evolution zu einem komplett neuen digitalen Geschäftsmodell.

Die Entwicklung dorthin ist eher inkrementell. Während in den ersten beiden Fällen nur eine Verbesserung des aktuellen Geschäftsmodells durch die Anwendung von KI erfolgt, führen die dritten und vierten Fälle zu einer für das Unternehmen neuen Geschäftslogik.

KI als Business-Unterstützer

Die ersten beiden Fälle von Innovationen werden vor allem von etablierten Unternehmen abgedeckt. Sie nutzen KI, um Wertversprechen und Ertragsmechanismen zu verbessern und integrieren KI mehr oder weniger in ihr Kerngeschäftsmodell. Populäre Beispiele dafür sind Streaming-Anbieter wie Netflix oder Spotify.

Bei Musik-Streaming-Diensten wie Spotify ist der Kundennutzen eine breite Auswahl von Musik, die via Internet-Streaming personalisiert ausgeliefert wird. Mittels KI wertet Spotify die Hörgewohnheiten der Kunden aus und stellt jedem Nutzer einen eigenen, persönlichen Mix zusammen. Der Service lernt mit Machine-Learning Verfahren, welcher Mix dem Hörer vorzuschlagen ist. Ähnlich verfährt Netflix und bietet seinen Kunden ein personalisiertes Erlebnis an Filmen. Solche Personalisierungsfunktionen sind nicht zentral für das Wertversprechen, sie sind aber geeignet, um die Kundenbindung und Produktnutzung zu erhöhen.

Branchenführer: In Gesundheit, verarbeitendem Gewerbe und Mobilität/Logistik wird KI bereits häufig eingesetzt (c) Plattform Lernende Systeme 

Chatbots sind ein anderes Beispiel, wie KI dazu beitragen kann, Dienstleistungen zu unterstützen oder zu erweitern. Ein KI-basierter Chatbot kann Unternehmen beispielsweise helfen, ein kundenorientiertes Dienstleistungsangebot zu geringen Kosten rund um die Uhr zur Verfügung zu stellen. Viele Dienstleister wie TK-Unternehmen gestalten ihre Kunden-Channels heute hybrid. Simple Anfragen werden von einem Chatbot beantwortet, komplexe Probleme weiterhin durch Menschen. Hier hilft KI vor allem, die Ertragsmechanismen zu verbessern.

Andererseits kann KI auch tiefer in die Unternehmensstruktur eingreifen und mehrere Aspekte gleichzeitig verbessern. Der E-Commerce-Händler Zalando nutzt KI, um viele Kernprozesse zu optimieren. Dazu gehören unter anderem demografische Prognosen, Preis- und Umsatzprognosen sowie eine erweiterte Betrugserkennung. In Zukunft sollen Algorithmen auch neue Modedesigns entwickeln.

KI als Enabler

Am anderen Ende des Spektrums stehen Geschäftsmodelle, die ausschließlich auf KI basieren oder ihre Kernidee KI verdanken. Beispielsweise kann eine von einem klassischen Kreditinstitut ausgelagerte oder ganz neu gegründete Direktbank ihr Kerngeschäft, die Vergabe-Entscheidung über Kredite, komplett mit KI-Technik automatisieren. Die KI wäre für das Unternehmen damit eine Schlüsselressource, mit der der Erfolg des Instituts steht und fällt und mit der neue Kundensegmente erschlossen werden.

Solche disruptiven Innovationen, die mit dem Althergebrachten brechen, sind vor allem bei KI-Start-ups zu finden. Sie gründen ihre Geschäftsidee komplett auf KI-Technologien und sind wichtige Treiber für Veränderungen. Im Vergleich zu den eher evolutionär ausgerichteten Etablierten gelten die Start-ups als Revolutionäre, die wichtige KI Neuerungen in die Tat umsetzen.

Dutzende von Beispielen zeugen von der Innovationskraft der kleinen Betriebe. Predictive Maintenance etwa gehört zu denjenigen Use-Cases, wo es besonders viele Geschäftsideen gibt. Laut mehrerer Studien weist KI in der Fertigung ein besonders hohes Potenzial auf, die Wertschöpfung zu erhöhen. Das Start-up Tvarit beispielsweise hat eine industrielle KI-Plattform mit über 100 algorithmischen Modulen für Anwendungsfälle wie Prozessoptimierung oder Predictive Analytics in der Fertigungsindustrie entwickelt.

Star-up-Beispiele

Die Optimierung der Supply Chain und Lieferantenketten ist ein weiteres florierendes Geschäftssegment. Das Würzburger Start-up Scoutbee hat eine Software-as-a-Service Plattform entwickelt, die Lieferantennetzwerke optimiert. Die KI-basierte Software vereinfacht die Suche nach dem optimierten Lieferanten und verkürzen diese auf wenige Tage anstelle von Monaten.

Mit der Optimierung von Call-Center-Lösungen beschäftigt sich Twilio. Das Team um den Gründer Jeff Lawson hat die Firma innerhalb kurzer Zeit zum größten Player im Bereich Kundenkommunikation heranwachsen lassen. Langfristiges Ziel ist es, dass Call-Center-Prinzip vollständig durch KI-gestützte Cloud-Dienstleistungen zu ersetzten, bei denen nur noch im „Notfall“ ein Mensch eingreifen muss.

Attraktiv: Auch deutsche KI-Start-ups ziehen Geldgeber an (c) Handelsblatt / Plattform Lernende Systeme

Im Gesundheitsbereich entstehen derzeit viele neue Geschäftsmodelle. Allein in Deutschland gibt es etwa 170 KI-Star-up, die hier ganz neue Anwendungen entwickelt haben. ArtiQ hilft etwa bei der Interpretation von Lungenfunktionstests und verbessern die diagnostische Umgebung für Lungenerkrankungen. BeyondVerbal verwendet Stimmbiomarkten zur Erkennung von Krankheiten.

Die Plattform Lernende Syssteme hat Ki-Start-ups mit ihren Geschäftsmodellen zusammengestellt. Unter www.ki-landkarte.de veranschaulichen etwa 1.000 Beispiele „KI made in Germany“ – über sämtliche Branchen, Einsatzfelder und Unternehmensgrößen hinweg. Die Landkarte will sichtbar machen, wie KI die Wirtschaft und den Alltag heute und künftig transformiert. Zudem will sie Unternehmen inspirieren, die Digitalisierung ihrer Prozesse voranzutreiben und neue Geschäftsideen zu entwickeln.

As-a-Service-Modelle

Der disruptive Charakter vieler daten- und KI-basierter Geschäftsmodelle äußert sich auch in einer Hinwendung zum As-a-Service-Vertrieb. Dabei werden mit KI ausgestattete Produkte nicht als physische Waren, sondern als Dienstleistung vermarktet. Solche As-a-Service-Modelle können bisherige Wertschöpfungssysteme grundlegend verändern.

Im KI-Umfeld dominieren besonders Smart Services – intelligente Dienste auf der Basis von internetfähigen Produkten, die mit Sensoren ausgestattet sind wie vernetzte Autos, Häuser oder Drucker. Smart Services lassen sich grob gesprochen in zwei Formen bereitstellen. Erstens lässt sich ein bestehendes Produkt um Services ergänzen. Bei diesen „digital aufgeladenen“ Objekten wird ein physisches Produkt mit digitalen Services zu einem hybriden Bündel verknüpft. Dies ist zum Beispiel beim Remote Monitoring der Fall, also der intelligenten Fernwartung, die mit dem industriellen Internet der Dinge (IIoT) möglich geworden ist, und beim sogenannten Object Self Service, wenn sich Produkte eigenständig Nachschub bestellen.

Ein zweiter Hauptpfeiler von Smart Services sind rein servicezentrierte Dienste. Hierbei wird ein bestimmtes Produkt in einen puren Service transformiert. Der Kunde erwirbt kein physisches Produkt, sondern stattdessen eine gewünschte Leistung. Würde ein Maschinenbauer im ersten Fall datenbasierte Zusatzdienste anbieten, bedeutet der zweite Fall, das komplette Produkt als Service bereitzustellen, zum Beispiel als störungsfreie Maschinenstunden.

Solche Business-Ansätze brauchen angepasste Bezahlmodelle – hier bieten sich etablierte Verfahren an wie Freemium-, Abo- oder Razor-Blade-Modelle.

Beim Freemium

Modell ist die Basisversion eines Produkts kostenlos, aber für Premiumfunktionen wird bezahlt. Beim Abomodell werden Angebote, die zuvor als Produkt verkauft wurden, über regelmäßige Subskriptionsgebühren monetarisiert. Beim Razor-Blade-Modell wird eine Grundkomponente günstig verkauft (Drucker), aber die komplementären Komponenten (Druckerpatronen) verhältnismäßig teuer.

KI-Mehrwert Einschätzen

Wie Unternehmen KI erfolgreich in ihr Geschäft integrieren können, zeigt der Leitfaden „Neue Geschäftsmodelle mit Künstlicher Intelligenz“ der Plattform Lernende Systeme. Simple Rezepte dafür gibt es allerdings nicht. „Für die Entwicklung eines neuen Geschäftsmodells mit KI gibt es kein Schema X, denn jedes Unternehmen ist anders“, betont Susanne Boll-Westermann, Professorin für Medieninformatik und Multimedia-Systeme an der Universität Oldenburg und Co-Leiterin der Arbeitsgruppe Geschäftsmodellinnovationen.

„Dennoch gibt es einige Schritte, die bei der strategischen Konzeption und Umsetzung eines Geschäftsmodells hilfreich sind.“ Zunächst sollten Verantwortliche versuchen, die Möglichkeiten und Technologien der KI zu verstehen. Vor allem sollte das Potenzial für das eigene Unternehmen eruiert werden. Welchen Mehrwert bringt die KI dem Unternehmen? Die Frage, was mit KI im eigenen Unternehmen erreicht werden kann und soll, muss dann strategisch vorangetrieben werden.

Technologien für KI-basierte Geschäftsmodelle: Am wichtigsten sind Datenmanagement und Datenanalyse (c) Plattform Lernende Systeme

Die Autoren raten, einen KI-Anwendungsfall zu wählen, der zu den Zielen des Unternehmens passt. „Wichtig ist, dass Unternehmen sich nicht auf die Verbesserung der internen Prozesse mit KI konzentrieren, sondern bei Geschäftsmodellinnovationen den Kundenvorteil und neue Produkte in den Blick nehmen“, sagt Susanne Boll-Westermann.

Klar ist auch: KI-basierte Geschäftsmodelle erfordern unterschiedlichste Kernkompetenzen und Systembausteine. Ein Unternehmen allein verfügt in der Regel nicht über alle notwendigen Elemente. Neben dem Zugang zu Datenquellen fehlen am meisten Kompetenzen im Bereich Data Analytics und KI. Firmenanwender sollten deshalb in ihrem digitalen Ökosystem passende Allianzen schmieden, um zum Beispiel die benötigten Kompetenzen zu erhalten, aber auch Daten und Infrastruktur zu teilen, rät Wolfgang Faisst von der Initiative Lernende Systeme, der selbst das KI-Start-up ValueWorks.ai gegründet hat.

Kooperationen zwischen alteingesessenen Firmen und innovativen Start-ups sind noch in einer anderen Hinsicht wichtig: Sie ermöglichen es auch, bestehende Business-Modelle mithilfe von KI-Methoden rasch erfolgreich zu erweitern – oder völlig neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Einen KI-Business-Plan umsetzen

Wolfgang Faisst, Gründer und CEO von ValueWorks.ai, gibt Tipps für die Umsetzung eines KI-Business-Plans:

  • Richten Sie ein Competence-Center mit Fachleuten ein. die die Fachbereiche coachen und sie unterstützen, Anwendungsfälle zu identifizieren und umzusetzen
  • Fahren Sie zu Beginn keine Pilotprojekte, um herauszufinden, wie man die KI-Technologie einsetzen kann. Erfolgreiche Kleinprojekte ermöglichen es den Beschäftigten, KI-Technologie kennenzulernen, ihre Potenziale sowie Vor- und Nachteile zu erkennen.
  • Machen Sie nicht alles selbst. Schauen Sie sich um, wo es externe Ressourcen gibt: gute Studierende, Forschungsinstitutionen, Professorinnen und Professoren, Start-ups oder Unternehmensberatungen, die helfen können, Projekte aufzuziehen. Sie gewinnen an Geschwindigkeit, wenn Sie nicht alles selbst aufbauen.
  • Ermöglichen Sie Aus- und Weiterbildung für alle an KI-Projekten Beteiligten – zum Beispiel durch die Nutzung digitaler Plattformen wie Online-Lernkurse. So schaffen Sie die notwendigen Kompetenzen.
  • Viele Unternehmen werden durch den Datenschutz abgeschreckt, aber es gibt bewährte Praktiken, mit denen man sich auf sicherem Grund beim Datenschutz bewegt. Wenn Sie nicht mit personenbezogenen Daten arbeiten, haben Sie sowieso kein Problem.
  • Für die Geschäftsmodellentwicklung sind relativ viele Beratungen verfügbar, die helfen können, das Business-Modell zu konstruieren.
  • Die Plattform Lernende Systeme hat in ihrem Arbeitsbericht „Neue Geschäftsmodelle mit KI“ die Methodik zur Geschäftsmodellentwicklung abgebildet, und in ihrer KI-Landkarte gibt es viele Beispiele von Unternehmen, an denen sie sich orientieren können (www.plattform-lernende-systeme.de)

Im Gespräch mit Dr. Wolfgang Faisst von ValueWorks.ai

Interview mit Wolfgang Faisst, Gründer & CEO von ValueWorks.ai und Leiter der Arbeitsgruppe Geschäftsmodellinnovationen der deutschen KI-Initiative Plattform Lernende Systeme sowie Lehrbeauftragter an der Universität Bamberg und Bayreuth.

com! professional: Herr Faisst, wie sehen Sie die Rolle von KI im Business-Umfeld – speziell beim Aufbau neuer Geschäftsmodelle?

Wolfgang Faisst: Künstliche Intelligenz ist sicherlich eine der zentralen Technologien beim Thema Digitalisierung und Automatisierung. Sensoren, Maschinen oder Social Media machen immer große Mengen an Daten verfügbar. Mithilfe von KI können diese Daten ausgewertet werden.

com! professional: In welchen Branchen und mit welchen Technologien wird Ki für neue Geschäftsfelder sorgen?

Faisst: Im Prinzip wird KI in naher Zukunft jede Industrie beziehungsweise Funktion betreffen. Aktuell ist die KI aber besonders stark im Gesundheitswesen zu finden, der Fertigungsindustrie mit Industrie 4.0, in Handel und Marketing, dem Automobilsektor und der Landwirtschaft. Was die KI-Technologien betrifft, ist Bilderkennung heute Standard – wichtig etwa beim autonomen Fahren, aber auch bei ganz profanen Tätigkeiten wie der Passkontrolle, Fortlaufend verbessert wird die Robotik, die in der autonomen Fabrik eine große Rolle spielt. Weiter hab den Spracherkennung im Customer Service und Edge AI im IoT großes ökonomisches Potenzial.

Dr. Wolfgang Faisst:
Gründer & CEO von VauleWorks.ai
(c) ValueWorks

com! professional: Wie schätzen Sie aktuell das Umfeld für KI-Geschäftsmodelle und Start-ups in Deutschland ein?

Faisst: Die Lage in Deutschland ist nicht optimal. Von der Top-Unternehmensgründungen im Bereich Künstliche Intelligenz die von internationalen Marktforschern gelistet wurden, kommen nur wenige aus Deutschland. Das sagt sch9on einiges aus.

Zwar gibt es durchaus Gründungen in Deutschland, aber im Verhältnis zu anderen Ländern sind das viel zu wenige. Das hat verschiedene Ursachen. So ist das Unternehmertum hierzulande nicht so stark ausgeprägt wie in anderen Ländern. Start-ups und KMU werden nicht so gut gefördert, es gibt zu viel Bürokratie und nicht zuletzt ist auch das notwendige Wagniskapital in Deutschland nicht oder nur sehr begrenzt vorhanden.

com! professional:Wie ist die Akzeptanz bei den großen, etablierten Unternehmen? Fällt KI hier auf fruchtbaren Boden?

Faisst: Besonders in den Sektoren Automobil und Industrie 4.0, in denen Deutschland traditionell stark ist, bewegt sich einiges. Bosch ist als führender Automobilzulieferer sehr aktiv und engagiert sich besonders im Bereich des autonomen Fahrens. Siemens hat eine eigene IoT-Plattform entwickelt, die eine tragende Infrastrukturelle bei der Industrie 4.0 einnimmt. Dort werden viele der eben genannten Technologien verbaut – aber natürlich branchenspezifisch für die verschiedenen Anwendungsfälle aufbereitet.

SAP wiederum setzt bei Künstlicher Intelligenz auf „Embedded AI“. Das bedeutet, dass SAP KI in seine betriebswirtschaftlichen Anwendungen einbettet, um diese intelligenter und leichter bedienbar zu machen. Im Cash-Management übernimmt zum Beispiel intelligente Software das Matching von Rechnungen und Zahlungen.

com! professional:Es gibt zahlreiche Bedenken gegen die KI  – besonders bei deren wirtschaftlicher Verwertung. Dabei stiften viele neue Geschäftsmodelle doch erhelichen sozialen und ökologischen Nutzen

Faisst: Ja, Dazu nur zwei Beispiele: In der Landwirtschaft ist KI eine große Hilfe. Über Drohnen mit Kameras und Bilderkennung kann man minimalinvasiven Schädlingsbefall identifizieren und die Schädlinge gezielt bekämpfen –  statt die große Pestizidkeule zu schwingen. Bald könnte man auch Roboter einsetzen, die dann die Schädlinge entfernen.

Aber auch im Gesundheitswesen sieht man ganz deutlich, wie Künstliche Intelligenz vieles verbessert. Mit Bilderkennung lassen sich Krankheiten systematisch erkennen. An den Ausscheidungen können automatisierte Tests durchgeführt werden. In nächster Zukunft können sogar Nanosensoren in der Blutbahn eingesetzt werden, die Krankheitsindikatoren identifizieren, sodass man dann die Krankheiten schneller bekämpfen kann.

Im Übrigen ist die KI zuverlässiger als der Mensch. Jeder normale Radiologe hat mal einen schlechten Tag und kann etwas übersehe, was die Maschine durchaus erkennt.

com! professional: Außenstehende sind oft überrascht, in welche Segmente KI-Technologie vordringt und wo sich neue Geschäftsfelder auftun. Wer hätte etwa gedacht, dass KI in der Juristerei eine Rolle spielt?

Faisst: Ja, im juristischen Bereich wird Legaltech immer wichtiger. Legaltech ist eine Sparte, für die KI-Start-ups Lösungen bauen, um die Arbeitswelt von Anwältinnen und Anwälten zu digitalisieren und die heute noch sehr ineffizienten Prozesse zu verbessern. Juristische Arbeit verläuft ja immer noch relativ wenig digital. Mit Natural Language Processing kann man ganze Aktenberge und auch die juristische Literatur durchsuchen. KI ermöglicht es, Texte automatisiert zu lesen, zu scannen und zusammenzufassen. Das ist ein Intelligenzverstärker für die Anwältin und den Anwalt sowie letztendlich für alle beteiligten Parteien – sowohl auf staatlicher Seite als auch aufseiten der Unternehmen und der Individuen.

com! professional: Welche Rolle spielen KI-Plattformen wie AWS oder Google beim Aufbau eines KI-basierten Business?

Faisst: AWS, Aure und Google Cloud sind international die führenden IaaS-Plattformen. Aber um KI im Unternehmen produktiv einzusetzen, muss man auch Schnittstellen und Daten verwalten, Data Governance betreiben, Testdaten und Modelle verwalten sowie das entsprechende Management organisieren. Man braucht in jedem Fall ein KI-Betriebssystem, das quasi auf der Cloud-Infrastruktur läuft. Solche KI-Betriebssysteme – neudeutsch heißt das AIOps oder MLOps – werden beispielsweise von One Logic, einem Spin-off der Uni Passau, oder Rapidminer, einem Spin-off der Uni Dortmund, angeboten.

com! professional: Wo sehen Sie die größten Stolpersteine beim Aufbau eines KI-Business?

Faisst: Unsere Erfahrung zeigt, dass vor allem die vier folgenden Punkte den Erfolg verhindern: die mangelde KI-Kompetenz und die nicht vorhandenen Fachkräfte, das Fehlen qualifizierter Partner, ds Fehlen von Daten und Datenplattformen und ein gutes, belastbares Geschäftsmodell.


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